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Wirtschaft: Dienstleistungsgewerkschaft: Die ÖTV schreckt vor Verdi zurück

Bei der Bildung der vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat der Chef der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Herbert Mai, einen Rückschlag erlitten. Nur 65,46 Prozent der 550 Delegierten des ÖTV-Gewerkschaftstages stimmten am Dienstag in Leipzig dem Plan Mais zu.

Bei der Bildung der vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat der Chef der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Herbert Mai, einen Rückschlag erlitten. Nur 65,46 Prozent der 550 Delegierten des ÖTV-Gewerkschaftstages stimmten am Dienstag in Leipzig dem Plan Mais zu. Dass auf dem entscheidenden ÖTV-Kongress im März 2001 nun 80 Prozent für die Auflösung der ÖTV und die Verdi-Fusion stimmen werden, ist damit wenig wahrscheinlich geworden.

Als Messlatte für die Einwilligung zur Bildung von Verdi hatte sich Mai 70 Prozent Zustimmung der Delegierten gesetzt. Er sprach unmittelbar nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses von einer schwierigen Situation. Der Vorstand wolle nun über die sich daraus ergebenden Konsequenzen beraten. Für diese Zeit wurde der Kongress unterbrochen.

Der Abstimmung der ÖTV-Delegierten war eine anderthalbtägige Debatte vorausgegangen. ÖTV-Chef Mai sprach dabei von einer Entscheidung, die die Zukunft der gesamten Gewerkschaftsbewegung in Deutschland betreffe. Verdi werde mehr politischen Einfluss und Tarifmacht entfalten und die Attraktivität für Mitglieder, besonders für die Jugend, steigern. Mai warb für die neue Großorganisation, weil sie Dienstleistungen verbessere und mehr Service, Beratung und Schutz biete, "was aufgrund der zunehmenden Komplexität der Arbeitswelt unabdingbar ist". Mai räumte auch Risiken sein. Es sei beispielsweise offen, ob die neue Gewerkschaft zur einheitlichen Politik fähig sei, auch seien nur Bruchstücke einer gemeinsamen Vision vorhanden und organisatorische Fragen, insbesondere die Bezirke betreffend, seien nicht geklärt. Vor allem aufgrund der umstrittenen Bezirkszusammenlegung gibt es starken Widerstand gegen Verdi aus Nordrhein-Westfalen.

Der dortige Bezirksvorsitzende Hartmut Limbeck sagte, die komplizierte Struktur von Verdi führe zu einer Gewerkschaft, "die vor lauter Bürokratie, Konfliktpotenzial und Einzelinteressen nicht zum Tagesgeschäft findet, geschweige denn um die politische Auseinandersetzung um die Massenarbeitslosigkeit, um die sozialen Sicherungssysteme, um die Steuerpolitik, die Sparpolitik". Wer für Verdi stimme, der forciere die Tarifkonkurrenz und damit Lohndumping, meinte Limbeck mit Blick auf die geplanten 13 Verdi-Fachbereiche. Andere Verdi-Skeptiker sagten, es gehe ihnen bei Verdi nicht um das Ob, sonder das Wie: Die geplante Struktur führe zu einer Ausdünnung der Flächenpräsenz der Gewerkschaft, da die ÖTV auf rund 40 Prozent ihrer Kreisverwaltungen verzichten müsse. Das wiederum werde zu Austritten führen. Zur Kritik einiger Delegierter, der Fusionsprozess gehe zu schnell, sagte ÖTV-Chef Mai, nach nunmehr dreijährigen Verhandlungen sei der Prozess jetzt reif für eine Entscheidung. Die Befürchtungen vieler Funktionäre, aufgrund der Fusion ihren Job zu verlieren, spielte auf dem Gewerkschaftstag einen nachrangige Rolle. Obwohl schätzungsweise rund 1000 Beschäftigte der fünf beteiligten Gewerkschaften ihren Tätigkeitsbereich verlieren, sind betriebsbedingte Kündigungen bis 2007 ausgeschlossen.

Auf dem Gründungskongress am 19. März in Berlin wollen sich die Gewerkschaften ÖTV, Handel, Banken, Versicherungen (HBV), Postgewerkschaft und IG Medien sowie die Deutsche Angestelltengewerkschaft (DAG) zur weltweit größten Gewerkschaft zusammenschließen. Ob dieser Plan nun bestehen bleibt, ist fraglich.

alf

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