Wirtschaft: Eimer Putzwasser auf’s Steak
Berlin. Norbert Maier hat den Grill angeworfen und freut sich auf ein knuspriges Würstchen.
Berlin. Norbert Maier hat den Grill angeworfen und freut sich auf ein knuspriges Würstchen. Das gehört zum Sommer! Ein Stockwerk über ihm ist die Freude deutlich geringer: Nachbarin Erna Schulze verrußen die fettigen Rauchschwaden vom Grill die Rüschengardinen. „Das muss ich mir nicht gefallen lassen", ruft sie empört vom Balkon.
Ein Reaktion, die Hartmann Vetter gut kennt. „Im Sommer gehen sich die Nachbarn eher auf den Wecker“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins. „Die Streitigkeiten nehmen in der warmen Jahreszeit zu."
Die deutschen Richter haben sich über sommerliche Nachbarschaftsstreitigkeiten schon oft den Kopf zerbrochen und diverse Urteile gesprochen. Grundsätzlich sind sie der Meinung, dass Garten- und Grillfeste Ausdruck der Geselligkeit und von den Nachbarn zumindest von Zeit zu Zeit zu dulden sind (Landgericht Frankfurt, Wohnungswirtschaft und Mietrecht (WuM) 1989, 575). Auch mit der Frage, wie oft man das Hobby des Grillmeisters von nebenan ertragen muss, haben sich die Gerichte beschäftigt. Dringt der beim Grillen entstehende Qualm in konzentrierter Weise in die Wohnung von Nachbarn ein, verstößt dies gegen die Vorschriften des Landesimmissionsschutzgesetzes. Das kann als Ordnungswidrigkeit sogar mit einer Geldbuße geahndet werden (Oberlandesgericht Düsseldorf, 5 s 149/95).
Auch die Frage, wie oft der Grill entfacht werden darf, haben die Richter entschieden: Einmal monatlich von April bis September dürfen Mieter nach einem Urteil des Amtsgerichts Bonn auf Balkon oder Terrasse grillen (AG Bonn, 6 C 545/96) – aber nur, sofern der Mietvertrag dies nicht untersagt und die anderen Mieter 48 Stunden vorher informiert worden sind. Im Garten einer Eigentumswohnanlage ist das Grillen insgesamt nur fünf Mal im Jahr erlaubt (Bayerisches Oberstes Landgericht, 2Z BR 6/99 ). Für das Landgericht Stuttgart (LG Stuttgart, 10 T 359/96), „stellt Grillen in einer multikulturellen Freizeitgesellschaft, die von einer zunehmenden Rückbesinnung auf die Natur geprägt ist, eine übliche Art der Zubereitung von Speisen" dar, die drei Mal pro Jahr erlaubt ist.
Kleiner Trost für Vielgriller: Nach Ansicht von Mietrechtsexperte Hartmann Vetter sind dies nur Einzelfallentscheidungen, aus denen sich keine Regeln ableiten lassen. Vetter rät zu simpleren Lösungen. „Am besten laden Sie den Nachbarn zum Grillen ein."
Tipps für Vielgriller
Mit den folgenden Tipps können Sie sich Ihren Nachbarn auch nach dem Grillabend gewogen halten: Gehen Sie sparsam mit Kohle und Anzündern um, verwenden Sie einen Gas- statt eines Holzkohlengrills und lassen Sie möglichst wenig Fett und Marinade in die Glut tropfen. Umgekehrt sollte aber auch ein Grillopfer lieber nicht zur Selbsthilfe greifen, wie das folgende Beispiel zeigt. Ein Geschäftsmann hatte dem unter ihm wohnenden grillenden Nachbarn einen Eimer Putzwasser über Grill und Steaks gekippt. Vielleicht hätte er seine Wut besser zügeln sollen, denn das Amtsgericht München wertete den Vorfall als Sachbeschädigung und das folgende Wortgefecht als Beleidigung. Der rabiate Geschäftsmann wurde zu einer Geldstrafe von 1500 Mark verurteilt.
Doch der Geruch von Würstchen und Holzkohlegrill ist nicht einmal der größte sommerliche Streitfaktor. Viel schlimmer in der Nachbarn Ohr ist – Lärm. „Gutes Wetter reizt zur Ausdehnung des eigenen Lebensbereichs zu Lasten anderer – egal, ob Villen- oder Wohnungsbesitzer", sagt Rechtsanwalt Hans Reinhold Horst, Chefjustitiar des Zentralverbandes der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e.V. – Haus & Grund Deutschland.
In der warmen Jahreszeit dringen Geräusche leichter nach draußen. Darum haben Richter entschieden, dass Radio, Fernseher und Stereoanlage so leise eingestellt werden müssen, dass sie niemanden im Haus stören (Oberlandesgericht München, NJW-Rechtsprechungsreport 1991, 1492). Das gilt auch für die Terrasse. Ehestreitigkeiten kann man im Sommer dagegen auf dem Balkon austragen, denn „kurze Wortgefechte sind hinzunehmen, lautstarke Streitereien sollten aber in 30 Minuten beigelegt sein", (AG Düsseldorf, WuM 1992, 148).
Auch eine Grillparty sollte um 22 Uhr ihr Ende finden, denn die Nachtruhe dauert nach Landesimmissionsschutzgesetz von 22 bis sechs Uhr. „Bei Zuwiderhandlungen droht eine Geldbuße – oder die Polizei nimmt die Stereoanlage mit“, sagt Mietrechtsexperte Vetter. In jedem Fall ist der Veranstalter für den Partylärm verantwortlich, auch wenn seine Gäste ihn verursachen (Oberlandesgericht Düsseldorf, 5 Ss 149/95).
Übrigens: Wer es nicht übers Herz bringt, seinen Nachbarn einzuladen, kann in Berlin auf öffentlich genehmigte Grillplätze ausweichen. Dort darf man grillen, so oft man will – und geht den Mitbewohnern nicht auf die Nerven.Brunhild Stelter
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