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Wirtschaft: „Es ist alles ein bisschen ruhiger geworden“

Pixelpark rechnet 2002 nicht mehr mit Gewinn, das Geschäft kommt nicht in Gang – und Mehrheitsaktionär Bertelsmann schweigt

Berlin. „Herr Richter spricht für Pixelpark“, sagt eine Bertelsmann-Sprecherin. Aber Herr Richter ist bis Montag im Urlaub. Jürgen Richter, der Aufsichtsratschef des Berliner Internet-Dienstleisters Pixelpark und Ex-Vorstand des Wissenschaftsverlags Bertelsmann-Springer, schweigt. Genau wie Paulus Neef. Der Chef von Pixelpark hat sich am Donnerstagmorgen nur einmal kurz schriftlich gemeldet, um der Börse pflichtgemäß mitzuteilen, dass der Vorstand es für wahrscheinlich hält, „dass die bisherige Prognose – das Erreichen der Profitabilität im vierten Quartal 2002 – nicht erreicht werden kann“. Im Sprachgebrauch der Finanzmärkte heißt das: Gewinnwarnung.

„Mit weiteren Äußerungen ist Herr Neef im Moment sehr zurückhaltend“, sagt seine Sprecherin. Pixelpark hat zwar im letzten Quartal nach Stellenabbau, Standortschließungen und Schrumpfkur seine Verluste von 16,4 auf 11 Millionen Euro reduziert. Aber die neue Prognose wiegt schwerer: Der einst gefeierte Stern, der für Unternehmen Internet-Auftritte und elektronische Geschäftsmodelle realisiert, wird weiter sinken. Schwarze Zahlen sind nicht in Sicht.

„Der Boden ist nicht zu sehen“, sagt einer der wenigen Analysten, die die Entwicklung von Pixelpark noch verfolgen. Die meisten Banken haben das Unternehmen von der Beobachtungsliste genommen, weil die Aktie vor zwei Monaten aus dem Bluechip-Index des Neuen Marktes, dem Nemax50, gefallen ist. Für die Marktbeobachter ist das Papier, das am Donnerstag bei 1,32 Euro und damit um 99,3 Prozent unter seinem Höchststand notierte, nicht mehr interessant.

„Das Unternehmen ist am Ende“, sagt Klaus Linde, Analyst bei SES-Research. „Seit Thomas Middelhoff nicht mehr Bertelsmann-Chef ist, ist das Projekt Pixelpark gestoppt.“ Der Gütersloher Medienkonzern, der am Donnerstag wortkarg auf den verreisten Aufsichtsratschef verweist, hält noch 60,3 Prozent der Anteile an dem Berliner Unternehmen. Seine glücklose Internet-Tochter fütterte Bertelsmann in der Vergangenheit mit insgesamt 40 Millionen Euro Kredit. Nach dem Absturz am Neuen Markt haben die Gütersloher auf die Rückzahlung inzwischen verzichtet.

Ohnehin scheint fraglich, ob Pixelpark das Geld überhaupt hätte zurückzahlen können. Zwar standen Ende Juni noch 16 Millionen Euro an liquiden Mitteln in der Bilanz – 3,8 Millionen Euro weniger als Ende März. Aber die „Cash-burn-Rate“ ist im Vergleich zu dem, was Pixelpark umsetzt, immer noch zu hoch. Die Gesamt-Leistung sank im zweiten Quartal von 23,5 auf 12 Millionen Euro. Auch wenn die Umstellung der Bilanz auf den neuen Standard IAS die Vergleichbarkeit der Zahlen einschränkt, gilt: Paulus Neef und die derzeit 535 „Pixels“ leben von der Substanz.

Vor einem Jahr beschäftigte der distanziert-höflich auftretende Neef noch 1097 Mitarbeiter. Bald werden es weniger als 500 sein, wenn die Anfang August geschlossene Niederlassung in Frankreich mit 50 Beschäftigten abgewickelt ist. Und wie geht es weiter? Im Pixelpark-Hauptquartier in der Berliner Oberbaumcity hatte man gehofft, das Schlimmste 2001 überwunden zu haben, als Pixelpark bei einem Umsatz von 81,3 Millionen einen Verlust von 86 Millionen Euro aufhäufte. Aber: Die Investitionszurückhaltung der Unternehmen sehe der Vorstand nicht mehr als kurzfristige Entwicklung an, heißt es am Donnerstag.

„Es ist alles ein bisschen ruhiger geworden“, sagt die Pixelpark-Sprecherin, während sie in den Unterlagen nach neuen Kunden sucht. Zuletzt wurde der Internetauftritt für RTL Television erstellt, in Österreich betreut Pixelpark die Lotterien. Aufträge kamen auch vom Mehrheitsaktionär Bertelsmann. Aber das große Geschäft bleibt aus: „Die Trendsetter von einst leiden jetzt am stärksten“, sagt ein Analyst. „Die installierten Internet-Plattformen leisten schon viel mehr, als die elektronischen Geschäfte überhaupt hergeben.“ Auf die zweite Welle der New Economy wird Pixelpark also vergeblich warten. Henrik Mortsiefer

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