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Wirtschaft: Feuern ohne Reue

Wissenschaftler streiten über die Effekte des Kündigungsschutzes und plädieren für eine Lockerung

Düsseldorf - „You are fired!“ In den USA genügen diese drei Worte für eine Kündigung – ohne weitere Angaben. In Deutschland dagegen muss der Arbeitgeber betriebliche oder persönliche Gründe für eine Entlassung geltend machen. Oft folgen langwierige Gerichtsprozesse. Viele Unternehmer sehen den Kündigungschutz daher als Beschäftigungsbremse. Eine Studie des Münchener Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung kommt jetzt zu dem Ergebnis: „Der Kündigungsschutz reduziert das Beschäftigungswachstum.“

Würden in Deutschland britische Kündigungsschutzregeln gelten, dann hätte zwischen 1991 und dem Jahr 2002 ein jährliches Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von etwas mehr als 1,2 Prozent gereicht, damit das Arbeitsvolumen steigt. Mit den deutschen Gesetzen lag diese Beschäfigungsschwelle bei 2,4 Prozent. Die Folge: In acht der zwölf Jahre sank das Arbeitsvolumen.

In Deutschland ist der Schutz der Arbeitnehmer vor Kündigung vergleichsweise hoch. Hinzu kommt, dass jede fünfte Entlassung vor dem Arbeitsgericht endet, schreibt das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln. Das erhöhe die Arbeitskosten im Schnitt um etwa 0,6 Prozent.

Gebhard Flaig, Ifo-Vorstandsmitglied und Co-Autor der Studie, plädiert deswegen für eine weitere Lockerung des Kündigungsschutzes. Seit Beginn dieses Jahres gilt der Kündigungsschutz nur in Betrieben, die dauerhaft mehr als zehn – zuvor waren es fünf – Mitarbeiter beschäftigen. Ob eine weitere Lockerung tatsächlich zu mehr Beschäftigung führt, ist aber unter Ökonomen umstritten.

Eine Abschaffung des Kündigungsschutzes halten Ökonomen nicht für sinnvoll. Holger Bonin, Forscher am Institut zur Zukunft der Arbeit in Bonn, verweist auf die USA, in der der Kündigungsschutz gelockert und soziale Transfers gesenkt wurden. „Dort wird eine hohe Beschäftigung durch eine Steigerung der Einkommensungleichheit erkauft“, sagt Bonin. „Aber den Menschen am unteren Ende der Einkommensskala geht es heute besser als vor 20 Jahren.“

Arbeitnehmer sollten zwar ohne Angabe von Gründen entlassen werden dürfen – aber gegen Zahlung einer Abfindung. Betriebsbedingte Kündigungen mit „Sozialauswahl“, die bisher vor allem ältere Mitarbeiter mit langer Betriebszugehörigkeit und Kindern schützen, sollten der Vergangenheit angehören. Allerdings bestünde mit einem lockereren Kündigungsschutz die Gefahr, dass in Branchen mit hoher Arbeitslosigkeit besser bezahlte Kräfte entlassen und billigere eingestellt werden, glaubt Bonin.

Michael Burda, Arbeitsmarktexperte an der Berliner Humboldt Universität, sieht Dänemark als Vorbild. Dort gebe es „einen sehr lockeren Umgang mit Entlassungen“ – aber auch ein großzügigeres Arbeitslosengeld als hier: 80 Prozent des Lohns, aus Steuermitteln finanziert, begrenzt auf ein Jahr. Danach muss der Arbeitslose an einer Bildungsmaßnahme teilnehmen.

Petra Schwarz (HB)

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