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Wirtschaft: „Frühverrentung ist nicht mehr zeitgemäß“

Warum beschäftigt nur noch die Hälfte der Firmen in Deutschland Arbeitnehmer, die älter als 50 sind? Die vor allem im letzten Jahrzehnt betriebene Praxis einer breit angelegten Frühverrentung ist nicht mehr zeitgemäß.

Warum beschäftigt nur noch die Hälfte der Firmen in Deutschland Arbeitnehmer, die älter als 50 sind?

Die vor allem im letzten Jahrzehnt betriebene Praxis einer breit angelegten Frühverrentung ist nicht mehr zeitgemäß. Alle haben Fehler gemacht: Politik, Gewerkschaften und auch die Wirtschaft. Es ist auch unbefriedigend, dass gerade im internationalen Vergleich die Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer in Deutschland zu niedrig ist. Deshalb hat die BDA den Paradigmenwechsel – weg von der Frühverrentung, hin zu einer längeren Lebensarbeitszeit – mit verschiedenen Initiativen schon vor längerer Zeit angestoßen. Darüber hinaus hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ermittelt, dass rund 60 Prozent der Unternehmen Mitarbeiter über 50 Jahre beschäftigen.

Könnte es nicht auch sinnvoll sein, mehr Ältere zu behalten oder einzustellen?

Umfragen belegen, dass Firmen die Erfahrung älterer Arbeitnehmer schätzen und diese nicht als weniger, sondern im Vergleich zu Jüngeren lediglich als anders leistungsfähig einstufen. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Stärken sind Jüngere und Ältere im Betrieb nur begrenzt gegeneinander austauschbar. Älteren werden verstärkt Erfahrungswissen, Arbeitsmoral und Loyalität zugeschrieben, Jüngere zeichnen sich eher durch größere Lernbereitschaft, körperliche Belastbarkeit und Kreativität aus.

Ist es redlich, die Rente mit 67 zu fordern, wenn man weiß, dass die Firmen Arbeitnehmern kaum noch eine Chance geben, bis zu diesem Alter zu arbeiten?

Um die Erwerbsbeteiligung Älterer deutlich und nachhaltig zu erhöhen, geht an einer schrittweisen Anhebung des gesetzlichen Rentenzugangsalters kein Weg vorbei. Die Erfahrung zeigt, dass sich Arbeitnehmer und Betriebe schnell auf geänderte Rentenzugangsbedingungen einstellen. Wer sich regelmäßig weiterbildet und veränderungsbereit bleibt, hat auch im Alter Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Bei älteren Akademikern herrscht mit einer Arbeitslosenquote von lediglich 3,5 Prozent nahezu Vollbeschäftigung, bei Personen ohne Berufsabschluss ist die Arbeitslosigkeit sechsmal höher.

Der DGB schlägt vor, Betrieben, die Ältere entlassen, eine Umlage abzunehmen. Aus dem Geld sollten Beschäftigungsgesellschaften gebildet werden…

Ein Umlagesystem wäre eine zusätzliche Abgabe und für die Gruppe der Älteren genauso kontraproduktiv wie für Auszubildende. Ein solcher Ansatz wäre ein Rückschritt zu weiterer Umverteilung, erhöhten Kosten und zusätzlicher Bürokratie. Wir brauchen aber nicht mehr, sondern weniger Bürokratie.

Was halten Sie von einer Selbstverpflichtung der Wirtschaft?

Eine Quote, die eindimensional auf das Alter abhebt und damit Eignung, Kompetenz und Qualifikation ignoriert, ist betriebswirtschaftlich unsinnig und kann keinen positiven Beitrag zur Beschäftigung Älterer leisten.

Die Fragen stellte Rainer Woratschka.

Dieter Hundt (67) ist seit 1996 Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Er hatte gefordert, die Rente mit 67 deutlich schneller einzuführen.

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