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Wirtschaft: Geschäfte unter Freunden

US-Firmen pflegen kommerzielle Beziehungen zu Mitarbeitern – zum Schaden der Aktionäre

Bevor die Straftaten beim Energiekonzern Enron ans Licht kamen, wurde der Ex-Vorstandschef Kenneth Lay im August 2001 nach einem verdächtigen Arrangement befragt. Der Stromkonzern unterhielt pikante Geschäftsbeziehungen zu zwei Unternehmen. Heikel waren die Geschäftskontakte deshalb, weil der damalige Enron-Finanzvorstand Andrew Fastow die Firmen leitete und auch Miteigentümer der Unternehmen war. Befand sich Fastow nicht in einem immensen Interessenkonflikt? Immerhin ging es um Hunderte Millionen Dollar.

Fast alle großen Unternehmen hätten Geschäftskontakte mit ihnen nahe stehenden Personen, sagte Lay damals. Und er hatte Recht. Für den großen Automobilzulieferer Lear arbeiten 18 Verwandte von Managern der Firma entweder direkt als Angestellte oder als Geschäftspartner. Apple erstattet seinem Vorstandschef Steven Jobs sehr großzügig die Kosten, wenn er mit seinem Privatjet zu Geschäftsterminen fliegt. Der Computerkonzern hat ihm 2001 und 2002 fast 1,2 Millionen Dollar (rund 965000 Euro) gezahlt. Der Autokonzern Ford zahlte wiederum seinen zwei Board-Mitgliedern William Clay Ford und Edsel B. Ford II mehrere Hunderttausend Dollar an Beratungshonoraren.

Nach den Bilanzskandalen bei Enron und anderen Konzernen sind diese Geschäfte mit den Firmen nahe stehenden Personen in den Fokus von Staat, Wirtschaft und Gewerkschaften gerückt. Darunter fallen Geschäftskontakte zu Mitgliedern des Board (entspricht in etwa dem deutschen Aufsichtsrat), Topmanagern, Großaktionären oder Verwandten dieser Personengruppe. Die Börsenaufsicht SEC ist dabei, die Regeln zu verschärfen – noch ist jedoch alles beim Alten.

Weiterhin sind solche Geschäfte legal und fest in der Unternehmenskultur verwurzelt. Um sich einen Überblick über das Ausmaß der Klüngelgeschäfte zu machen, hat das Wall Street Journal bei mehr als 400 der größten amerikanischen Aktiengesellschaften recherchiert. Die Zeitung arbeitete die Pflichtmitteilungen der Konzerne an die US-Börsenaufsicht SEC der vergangenen zwei Jahre durch. Das Ergebnis: Rund 300 der untersuchten Firmen hatten mindestens ein Geschäft mit nahe stehenden Personen angegeben. Große Konzerne wie Wal-Mart und Walt Disney hatten sogar mehrere aufgelistet. Viele der Deals waren mehrere Millionen Dollar schwer.

Nicht nur Apple finanziert das Privatflugzeug seines Vorstandschefs. Solche Vereinbarungen sind in vielen Unternehmen gang und gäbe. Wenn Manager ihre Jets für Geschäftstermine nutzen, zahlt ihnen ihr Arbeitgeber Marktpreise oder kaum weniger. Solche Abmachungen haben neben Apple auch der Sportartikel-Hersteller Nike, die weltweit größte Baumarktkette Home Depot, der Online-Konzern Interactive sowie der Computerhersteller Gateway. Die Unternehmen sagen allgemein, dass die Bedingungen für sie ebenso gut oder sogar besser als mögliche Alternativen und im Interesse der Aktionäre seien.

Andere Unternehmen versorgen ihre Mitarbeiter mit großzügigen Beraterverträgen. Der 78-jährige Mehrheitsaktionär des Fußballklubs Detroit Lions, William Clay Ford, braucht eigentlich keinen Teilzeitjob. Der Vater des gegenwärtigen Firmenchefs ist der größte Einzelaktionär des Konzerns mit einer Dividende von mehr als 12,5 Millionen Dollar im Jahr 2002. Trotz dieser hohen Einnahmen hat er seit 1993 noch einen Beratervertrag mit Ford. Der brachte ihm 2002 rund 100000 Dollar ein und versorgte ihn außerdem mit einem Büro, einem Assistenten und „Sicherheits-Arrangements“, wie es im jüngsten Aktionärsbericht heißt. Ford wollte sich zu dem Vertrag nicht äußern.

Der Autozulieferer Lear brachte mehr unternehmensnahe Personen als Ford in Lohn und Brot. Unter den 400 vom Wall Street Journal untersuchten US-Konzernen war Lear das Unternehmen, das die höchste Zahl von Verwandten seiner Topmanager begünstigte. Darunter sind allein drei Schwäger, zwei Brüder, ein Sohn und eine Tochter des Lear-Vorstandschefs Robert Rossiter. Einige davon verdienten ein Jahresgehalt und Boni von zwischen 62562 und 114 336 Dollar.

Börsenaufsicht will schärfere Regeln

Solche Abmachungen sollen künftig eingeschränkt werden. Die Börsenaufsicht SEC erwägt in Folge der US-Bilanzskandale, die Vorschriften zu verschärfen. Entschieden sei bisher noch nichts, sagt ein Sprecher der SEC. Bisher hatte die Börsenaufsicht auf Transparenz gesetzt. Sie verlangt schon seit langer Zeit von den börsennotierten Unternehmen, ihre Geschäfte mit nahe stehenden Personen anzugeben. Über die SEC-Pflichtmitteilung von Enron wurden auch die Geschäftskontakte zwischen dem Energiekonzern und den Firmen seines Finanzchefs Fastow bekannt. Auch andere Institutionen versuchen, die Klüngelgeschäfte zu begrenzen. Die New York Stock Exchange hat von der SEC grünes Licht für neue Vorschriften erhalten. Danach sollen Boards unabhängiger werden. So dürfen nur noch Board-Mitglieder ohne „materielle“ Verbindung zum Konzern in wichtigen Gremien des Unternehmens sitzen – etwa jenem, das die Vergütung der Vorstände prüft. Die Computerbörse Nasdaq hat ähnliche Änderungen beschlossen. Darüber hinaus hat der Sarbanes-Oxley-Act – ein Gesetz zur Bekämpfung von Bilanzmanipulation – eine beliebte Form der Geschäfte mit nahe stehenden Personen stark eingeschränkt, nämlich Darlehen der Firmen an Vorstände und Board-Mitglieder.

Einige Firmen haben freiwillig etwas verändert. Die Software-Firma Oracle unter hält mit anderen Firmen ihres Vorstandschefs Larry Ellison viele Geschäftsbeziehungen. Wenn Oracle nach einem Deal mit einer Ellison-Firma feststellt, dass der Deal woanders billiger gewesen wäre, muss Ellison die Differenz aus der eigenen Tasche zahlen. Bisher musste er aber noch nichts überweisen.

John R. Emshwiller

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