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Chancengleichheit: Gleichberechtigung liegt im Auge des Betrachters

Frauen haben die gleichen Chancen im Beruf, sagen viele Männer. Frauen sehen das völlig anders.

Berlin - Es scheint, als gehöre der Geschlechterkampf im Beruf der Vergangenheit an. An dessen Stelle ist ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Frauen und Männern mit gleichen Aufstiegs- und Karrierechancen getreten – zumindest in den Augen vieler Männer, wie aus einer Studie der Strategieberatung Bain & Company hervorgeht. Weltweit wurden hierfür mehr als 1800 Angestellte beiderlei Geschlechts befragt, davon rund 60 Prozent aus Führungspositionen.

Die Studie zeigt, dass Männer und Frauen unterschiedliche Ansichten darüber haben, ob die Gleichstellung in ihrem Unternehmen funktioniert: 72 Prozent der Männer glauben, dass bei der Einstellung in Management- oder Führungspositionen in ihrem Betrieb Männer und Frauen gleiche Chancen haben, bei den Frauen dagegen finden das nur 41 Prozent. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Beförderungen. 81 Prozent der Männer gegenüber 52 Prozent der Frauen sehen für eine Beförderung ins mittlere Management gleiche Chancen, bei Beförderungen in Führungspositionen, etwa in die Geschäftsführung, glauben doppelt so viele Männer wie Frauen an eine funktionierende Gleichstellung.

Die Realität sieht zumindest in Deutschland anders aus. Zwar lag die Erwerbsquote der Frauen 2008 bei 71 Prozent, und damit rund zehn Prozent höher als noch 1995. Der Zugang zu leitenden Positionen bleibt für Frauen aber weiterhin schwer. Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sind lediglich 2,5 Prozent aller Vorstandsmitglieder der 200 größten deutschen Unternehmen Frauen, in den Aufsichtsräten nehmen sie zehn Prozent aller Sitze ein. „Männern wird viel eher zugetraut, dass sie Führungspositionen übernehmen“, sagt Elke Holst, Autorin der Studie und Ökonomin am DIW.

Auch wenn Frauen Karriere machen, verdienen sie oft weniger. Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ergab, dass Frauen in gleichem Alter, Betrieb und gleichem Beruf rund 12 Prozent weniger verdienen als Männer. „Frauen haben mehr Unterbrechungen im Erwerbsleben als Männer. Und sie treten in Gehaltsverhandlungen anders auf“, sagt IAB-Forscher Hermann Gartner. Zudem machten Männer häufiger als Frauen Überstunden und gelangten leichter in besser bezahlte Führungspositionen.

Diese Ungleichgewichte im Berufsalltag stören Männer der Bain-Studie zufolge weniger als Frauen. Zwar ist die überwiegende Mehrheit beider Geschlechter von den Vorteilen der Gleichstellung am Arbeitsplatz überzeugt. Doch während 84 Prozent der Frauen der Meinung sind, dass Gleichstellung ein strategisches Ziel ihres Unternehmens sein sollte, finden das nur 48 Prozent der Männer. Die Studie zeigt auch, dass die Unternehmen selbst mehr tun müssten: 80 Prozent der Befragten finden, dass ihre Firmen nicht genug Mittel zur Erreichung von Gleichstellung zur Verfügung stellen.

Das gilt auch für deutsche Firmen.„Die Bereitschaft hierzulande ist nicht hoch. Und wenn, dann geht es mehr um Familienpolitik als um Gleichstellung“, sagt Corinna Kleinert, Soziologin am IAB. „Dass so wenig getan wird, hat aber auch damit zu tun, dass in den Entscheidungsgremien meist Männer sitzen. Und die wollen Status und Macht erhalten“.

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert ein Umdenken in deutschen Unternehmen: „Es ist ein Armutszeugnis, dass es immer noch so wenig Frauen in deutschen Vorstandsetagen gibt“, sagte Ingrid Sehrbrock, stellvertretende DGB-Vorsitzende. Ohne rechtliche Regelungen werden wir diesen Zustand nicht ändern“. Wie eine solche Regelung aussehen könnte, macht Frankreich vor. Dort stimmte die Nationalversammlung vor wenigen Wochen für ein Gesetz, wonach Aufsichts- und Verwaltungsräte börsennotierter Unternehmen binnen fünf Jahren je zur Hälfte mit Frauen besetzt werden sollen, sonst drohen Strafen.

Bessere Angebote in Unternehmen und neue Gesetze reichen aber nicht, um die Situation der Frauen zu verbessern. „Aufstiegs- und Gehaltsunterschiede haben auch viel mit Kommunikation zu tun“, sagt Astrid Nelke, Kommunikations- und Karriereberaterin für Frauen. „Frauen müssen lernen, stärker zu kämpfen und auch mal auf den Tisch zu hauen, sonst werden sie nicht ernst genommen.“

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