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„Haben lange unter unfairen Bedingungen gelitten“: Mehr als 15.000 Hotels schließen sich Klage gegen Booking.com an
20 Jahre lang hatte das Reiseportal dem Gastgewerbe Preisbindungen diktiert. Der EuGH befand diese Praxis für kartellrechtswidrig. Nun will sich Europas Hotellerie das Geld zurückklagen.
Stand:
Europas Hotellerie geht gegen Booking.com vor Gericht. Bis zum Ablauf der Frist am 29. August haben sich mehr als 15.000 Hotels aus ganz Europa einer Sammelklage angeschlossen, wie die europäische Hotelallianz Hotrec mitteile.
Ziel ist es, Schadenersatz für erzwungene Preisbindungen zwischen 2004 und 2024 zu erhalten. Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Herbst 2024.
Missbräuchliche Praktiken im digitalen Markt werden von der Hotellerie in Europa nicht hingenommen.
Alexandros Vassilikos, Präsident der europäischen Hotelallianz Hotrec
Demnach sind sogenannte Bestpreisklauseln kartellrechtswidrig. Diese Klauseln hatten verhindert, dass Hotels ihre Zimmer abseits der Plattform – etwa auf der eigenen Website – günstiger anbieten durften. Ziel war es, sogenannte Trittbrettbuchungen zu unterbinden.
Die EuGH-Richter urteilten jedoch, dass Plattformen wie Booking.com auch ohne solche Vorgaben wirtschaftlich bestehen können. Für Reisende machte es wenig Unterschied: Die Online-Plattform hatte die Klauseln im Europäischen Wirtschaftsraum wegen des EU-Digitalgesetzes Digital Markets Act (DMA) 2024 abgeschafft.
Koordiniert wird die Klage von der „Stichting Hotel Claims Alliance“, unterstützt von Hotrec und mehr als 30 nationalen Verbänden, darunter auch der deutsche Hotelverband IHA.
Die Klageschrift wolle man bis Jahresende beim Bezirksgericht Amsterdam einreichen, so Hotrec. Laut der Klage-Website könnten Hoteliers bis zu 30 Prozent der gezahlten Provisionen zuzüglich Zinsen zurückerhalten.
Rund 2000 Hotels aus Deutschland beteiligt
Die meisten Registrierungen kommen aus Italien mit rund 3000 Hotels, gefolgt von Deutschland, den Niederlanden, Griechenland und Österreich, wie der italienische Hotelverband Federalberghi mitteilte.
Aus Deutschland beteiligen sich laut IHA rund 2000 Hotels – zusätzlich zu weiteren 2000 Häusern, die bereits 2020 Parallelverfahren in Amsterdam und Berlin gegen Booking.com führen.
Hotrec-Präsident Alexandros Vassilikos sprach von einer „überwältigenden Resonanz“. Die Hotellerie sei geeint und fordere, „dass der dominierende Gatekeeper sein Marktverhalten ändert und die Verantwortung für sein Fehlverhalten übernimmt“.
Bereits Anfang August hatte Vassilikos erklärt: „Europäische Hoteliers haben lange unter unfairen Bedingungen und überhöhten Kosten gelitten.“
Die Sammelklage sende somit eine klare Botschaft: „Missbräuchliche Praktiken im digitalen Markt werden von der Hotellerie in Europa nicht hingenommen.“
Booking erachtet Vorwürfe als haltlos
Booking.com hingegen widerspricht – inhaltlich wie formal. Zum einen weist das Unternehmen zentrale rechtliche Argumente der Hotelverbände zurück – insbesondere die Auslegung eines EuGH-Urteils vom September 2024.
Zum anderen teilte Booking.com weiter mit, die Plattform sei für Hotels ein freiwilliger Vertriebskanal. „Jeder unserer Unterkunftspartner kann seine Vertriebs- und Preisstrategie frei gestalten und seine Zimmer überall anbieten, wo er möchte.“ Man unterstütze Hotels mit Marketing, Technologie und globaler Sichtbarkeit, darin liege der Mehrwert.
Die Debatte um Bestpreisklauseln ist nicht neu. In Deutschland untersagte das Bundeskartellamt bereits 2013 dem Anbieter HRS die Praxis. 2015 folgten Verfahren gegen Booking.com und Expedia. Und 2021 entschied auch der Bundesgerichtshof, dass Bestpreisklauseln von Booking.com nicht mit dem Kartellrecht vereinbar seien.
Trotz Kritik bleibt Booking.com für viele Hotels unverzichtbar. Über die Plattform erreichen sie eine große Zahl potenzieller Gäste. Laut einer Studie von Hotrec und der Fachhochschule Westschweiz Wallis lag der Marktanteil des Mutterkonzerns Booking Holdings im Jahr 2023 europaweit bei 71 Prozent – in Deutschland sogar bei 72,3 Prozent.
Gleichzeitig ist der Anteil der Direktbuchungen in Deutschland zwischen 2013 und 2023 um gut acht Prozent gesunken. (dpa)
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