ANLEGER Frage: <i>an Oliver Borgis < i>Leiter der Vermögensverwaltung der Weberbank
Wann kommt die Zinswende?
Wann kommt die Zinswende – und können sich Anleger jetzt schon darauf vorbereiten?
Auf einen Wirtschaftsaufschwung gepaart mit aufkommendem Inflationsdruck wird ohne zu zögern mit einem Gegensteuern in Form höherer Zinsen reagiert – denkt man. Doch ein Blick in die Historie zeigt, dass die Realität anders aussah. Zuletzt war dies der Fall im Sommer 2004: die Wirtschaft blühte auf und die Inflationsrate erreichte 2,4 Prozent. Leitzinserhöhungen folgten ab Dezember 2005, eineinhalb Jahre später. Vergleichbares spielte sich 1997 bei einer Inflationsrate von 2,3 Prozent bis zur Leitzinswende im November 1999 ab. In beiden Fällen waren Öl- und Energiepreisschübe vergleichbar dem aktuellen aufgetreten.
Der klassische Grund für diese Verzögerungen beim Wendemanöver am Zinsruder ist die konjunkturelle Unsicherheit, die nach der spontanen Erholung aus der Rezession verbleibt, bis der Impuls vom Export auf den Binnenkonsum übergeschwappt ist. Den darf man auch nicht von Lohnerhöhungen erwarten. Nur etwa ein Viertel der Tarifverträge werden in Deutschland noch in diesem Jahr neu verhandelt und in anderen Ländern des Euroraumes steht mangels Konjunkturdynamik erst recht keine Lohn-Preis-Spirale ins Haus. Ein weiterer Hinderungsgrund sind die mit einer Zinsanhebung verbundenen noch höheren Refinanzierungskosten der Krisenländer, welche dem Euro derzeit noch mehr schaden als nutzen könnten.
Dennoch scheinen die Rentenmärkte die Zinswende bereits zu antizipieren. Schon häufiger aber gab es fehlerhafte Vorwegnahmen, die korrigiert werden mussten. So etwa von Mai bis November 2003, als die Zehnjahresrendite um 1,2 Prozentpunkte kletterte, um anschließend bis auf ein neues Tief zu rutschen. Vorbereiten kann man sich auf die Zinswende, indem man die nächste Kurserholung von länger laufenden Anleihen zu deren Verkauf nutzt, um später auf höherem Zinsniveau wieder zu investieren. Chancen könnten sich in den kommenden Monaten bieten – sicher vorhersagen kann das niemand.
Wenn die Zinswende dann aber schließlich eintritt, sind variabel verzinste Anleihen die beste Alternative für den Zinsanleger. Erfreulicherweise laufen einem die Kurse der sogenannten Floater nicht schon vorher davon. Diese profitieren erst dann, wenn die Referenzzinssätze im Zuge von Leitzinsanhebungen merklich anziehen. Noch steigt die Verzinsung sicherer Floater nur sehr langsam und liegt unter 1,5 Prozent. Etwa zum Jahreswechsel könnten diese Papiere interessanter werden, bevor die EZB dann voraussichtlich 2012 den Zins hinauftreiben wird.
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an Oliver Borgis