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Wirtschaft: IG Metall rüstet sich für den Arbeitskampf

Streit um Öffnungsklausel zur Arbeitszeit eskaliert / Peters verabschiedet sich vom Flächentarifvertrag im Osten

Stuttgart (alf). In Deutschlands größtem Industriebereich droht ein Arbeitskampf. Die IG Metall geht nicht mehr davon aus, die aktuelle Tarifauseinandersetzung in der Metall und Elektroindustrie mit ihren 3,5 Millionen Beschäftigten mit einem Kompromiss zu beenden. Ein Spitzentreffen der Gewerkschaftsvorsitzenden mit den Chefs des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall hatte in dieser Woche zu einer Verhärtung der Positionen geführt. Die Arbeitgeber hatten auf ihrer Forderung nach einer längeren Arbeitszeit – gegebenenfalls sogar ohne mehr Lohn – beharrt.

Deshalb werde „die Dynamik der Tarifrunde 2004 schlagartig freigesetzt“, kündigte der zweite Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, am Mittwochabend in Stuttgart Streikvorbereitungen an. Die Gewerkschaft stehe „vor einer strategisch entscheidenden Situation“, wenn die Arbeitgeber auf einer Öffnungsklausel für die Betriebe bestünden, die ihnen längere Arbeitszeiten ermöglichten, sagte Huber.

In der kommenden Woche endet die Friedenspflicht (siehe Lexikon) in der Metallindustrie. Zuvor wollen die Tarifparteien am heutigen Freitag und am kommenden Dienstag in Stuttgart eine Einigung am Verhandlungstisch erreichen. Ein vorerst letzter Termin für eine friedliche Lösung ist der 5. Februar. Am 9. Februar trifft sich die Spitze der IG Metall und entscheidet, ob weitere Verhandlungen überhaupt sinnvoll sind.

Arbeitgeber wollen Arbeitszeitkorridor

Die IG Metall will eine reine Einkommensrunde fahren. Sie fordert vier Prozent mehr. Die Arbeitgeber haben angekündigt, nur dann einer Lohnerhöhung zustimmen zu wollen, wenn es auch eine Öffnungsklausel für die Arbeitszeit gibt. Am Freitag wollen sie erstmals ein Angebot vorlegen. Dem Vernehmen nach sieht das eine Einkommenserhöhung um 1,4 Prozent vor sowie einen Arbeitszeitkorridor zwischen 35 und 40 Stunden. Wie viele Stunden dann tatsächlich gearbeitet werden und ob die Stunden, die die tarifliche Wochenarbeitszeit von 35 Stunden überschreiten, auch bezahlt werden, sollen in den Firmen Betriebsräte und Geschäftsführung autonom entscheiden.

Für die IG Metall kommt das nicht in Frage. Gewerkschaftschef Jürgen Peters sagte am Mittwochabend in Stuttgart, die Arbeitgeber wollten „die Tür öffnen zur 40-Stunden-Woche als generellem Modell“. Es gehe der anderen Seite nicht um die Flexibilisierung der Arbeitszeit, sondern um die Senkung der Kosten. Wenn jedoch die Metaller für den Lohn der 35 Stunden-Woche künftig 40 Stunden arbeiten müssten, käme das einer faktischen Lohnsenkung um rund 17 Prozent gleich, da auch Zuschläge für Überstunden entfielen.

Selbst dann, wenn es in Baden-Württemberg, wo die IG Metall einen Pilotabschluss anstrebt, eine friedliche Lösung geben sollte, rechnet Peters mit weiteren Konflikten. In Sachsen und Sachsen-Anhalt werde ein Pilotabschluss vermutlich nicht übernommen. „Der Flächentarifvertrag im Osten ist dann nicht mehr im Fokus“, deutete Peters die Konzentration auf Haustarifverträge in Unternehmen an, in denen die IG Metall viele Mitglieder hat. Allerdings solle sich „niemand Illusionen machen“, so Peters, dass die Ostmetaller nicht streikfähig seien.

Im vergangenen Sommer hatte die IG Metall in Sachsen und Berlin-Brandenburg für einen Stufenplan zur Einführung der 35-Stunden-Woche gestreikt und den Arbeitskampf verloren; mit 38 Stunden haben die Metallarbeitnehmer im Osten eine um drei Stunden längere Arbeitszeit als die Kollegen im Westen. In der IG Metall wird nach der schweren Niederlage im Osten nun befürchtet, dass die Arbeitgeber die Schwäche der Gewerkschaft nutzen wollen, um im Westen eine längere Arbeitszeit durchzusetzen. Gewissermaßen einen Angleichung West an die Arbeitszeit Ost.

Peters und Huber, die im vergangenen Sommer noch erbittert um die Nachfolge Klaus Zwickels an der Spitze der IG Metall gestritten hatten, rücken angesichts des bevorstehenden Großkonflikts zusammen. Peters sprach von einem „Lohnsenkungswettbewerb“. Huber befürchtet, die Betriebsräte könnten sich „dem Druck nicht entziehen“ und würden längeren Arbeitszeiten auch ohne mehr Lohn zustimmen.

Der Chef der tarifpolitischen Abteilung der IG Metall, Armin Schild, bestritt ein breites Interesse der Arbeitgeber an längeren Arbeitszeiten. Unter den 5704 Mitgliedsfirmen des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall habe die IG Metall mit 177 Unternehmen so genannte betriebliche Bündnisse für Arbeit abgeschlossen. In „weniger als der Hälfte dieser Fälle“ sei es darum gegangen, die Arbeitszeit zu verlängern.

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