Wirtschaft: Immer weniger Arbeitslose
Der milde Winter und die starke Konjunktur sorgen für einen Rekordrückgang im März
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Berlin - Die Marke von vier Millionen rückt immer näher: Die Zahl der Menschen ohne Arbeit sank im März im Vergleich zum Vormonat um 114 000 auf 4,108 Millionen – und damit auf den niedrigsten Märzwert seit sechs Jahren, teilte die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Donnerstag mit. „Getragen von der guten Konjunktur fiel die Frühjahrsbelebung kräftig aus“, sagte der BA-Chef Frank-Jürgen Weise. Binnen eines Jahres ging die Arbeitslosenzahl um 869 000 zurück – so viel waren es seit Bestehen der Bundesrepublik noch nicht. Bereinigt um Saisoneinflüsse lag die Zahl sogar nur bei 3,832 Millionen. Die Aussichten für einen weiteren Rückgang in den kommenden Monaten seien gut, sagte Weise.
Als wichtigsten Grund für die Entwicklung nannte der Behördenchef den wachsenden Arbeitskräftebedarf der Wirtschaft. Allerdings wirkt sich laut BA auch schon die Demografie aus – mehr Ältere gehen in den Ruhestand als Jüngere auf den Arbeitsmarkt kommen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze kletterte im Januar im Vergleich zum Vorjahr um 624 000 auf 26,46 Millionen. Etwa 60 Prozent davon sind Vollzeitstellen. Zugleich gibt es 891 000 freie Stellen. Besonders gesucht sind derzeit Fachkräfte aus den technischen Berufen, also etwa Ingenieure, Maschinenbauer und Elektrofachschlosser. Nach einer Umfrage des Handelsblattes suchen allein die im Deutschen Aktienindex Dax notierten 30 Konzerne derzeit 15 000 Mitarbeiter. Vor allem Industrie- und Energieunternehmen wie BMW, RWE und Eon buhlen um gute Kräfte.
Allerdings haben auch im März Langzeitarbeitslose kaum vom Aufschwung profitiert. Die Zahl der Arbeitslosengeld-II-Empfänger habe sich lediglich um 14 000 verringert, die der Arbeitslosengeld-I-Empfänger dagegen um 100 000, sagte Weise. „Die Schlange am Arbeitsmarkt baut sich von vorne ab.“ Vor allem in Ostdeutschland haben die Langzeitarbeitslosen Probleme. Zugleich gebe es immer mehr Beschäftigte, die auf staatliche Hilfe angewiesen seien. Im August 2006 hätten rund eine Million Erwerbstätige Arbeitslosengeld II bezogen, weil ihre Löhne und Gehälter unterhalb des Existenzminimums lagen, berichtete BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt. Mehr als die Hälfte davon sei einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen – doppelt so viele wie im Januar 2005, unterstrich der BA-Manager. Die Regierungskoalition sucht derzeit ein Kombilohn-Modell, das hier Abhilfe schaffen soll.
Vom Jobaufbau profitierten alle Bundesländer. In Berlin waren im März 3629 Menschen weniger arbeitslos gemeldet als im Februar. Gegenüber dem März 2006 sind es rund 36 500 weniger. In Brandenburg war der Rückgang noch deutlicher: Die Erwerbslosenzahl sank innerhalb eines Monats um 4839. In Ost und West nahm die Arbeitslosigkeit im März gleichermaßen ab. In Ostdeutschland ging sie um 30 000 auf 1,41 Millionen zurück, im Westen sank die Zahl um 84 000 auf 2,698 Millionen.
Experten begrüßten den Trend. „Das ist die beste Entwicklung aller Welten“, sagte Andreas Rees, Chefvolkswirt der Hypo-Vereinsbank (HVB), dem Tagesspiegel. „Die Reduzierung der Arbeitslosigkeit geht ungebremst weiter, und die Beschäftigung steigt an.“ Auch für die kommenden Monate ist Rees zuversichtlich. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir schon im April weniger als vier Millionen Arbeitslose haben werden“, sagte er. Die BA erwartet, dass diese Marke auch im gesamten Jahresdurchschnitt unterschritten wird – das war zuletzt 2001 der Fall. HVB-Experte Rees zufolge wird die Lage für Langzeitarbeitslose allerdings schlecht bleiben. „Hier tut sich auch in den nächsten Monaten wenig“, sagte der Ökonom. „Spätestens im nächsten Jahr kommen wir in eine Phase, wo der Aufschwung allein keine Stellen mehr schafft.“
Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) sprach indes von einer erfreulichen Entwicklung. Dieser Schwung müsse weiter genutzt werden. „Das alles ist gut, aber nicht gut genug.“ Er verlangte arbeitsfördernde Investitionen in die öffentliche Infrastruktur. Auch mahnte er mehr Effizienz und Geschwindigkeit bei der Vermittlung an. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) begrüßte den Rückgang und mahnte, der Wirtschaft bei der Schaffung von Arbeitsplätzen nun keine Steine in den Weg zu legen. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla befand, weitere Reformen seien nötig. „Noch stehen wir am Anfang.“ Es müsse gelingen, die offenen Stellen und die Arbeitsuchenden schneller und effizienter zueinander zu bringen.
Kritik kam von der Opposition. So erfreulich der Rückgang der Arbeitslosigkeit sei, so bedenklich seien die aktuellen Überlegungen von Schwarz-Rot zum Arbeitsmarkt, erklärte FDP-Fraktionsvize Rainer Brüderle. Er forderte, die Debatte über Mindestlöhne zu beenden. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, kritisierte eine „anhaltende Arbeitsverweigerung“ der Koalition. Auch auf dem Lehrstellenmarkt sei die Entwicklung noch nicht angekommen.
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