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Wohnungseigentumsgesetz: Brisante Verquickungen
Das Gesetz regelt Wohnungseigentum seit 60 Jahren. Nicht immer mit Erfolg.
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Eine Augenweide ist sie zwar nicht gerade, die Mitte der siebziger Jahre errichtete Wohnanlage zwischen Richard-Tauber-Damm und Föttingerzeile in Berlin- Marienfelde. Aber auf den ersten Blick deutet nichts darauf hin, dass hier ein heftiger Streit zwischen einem Teil der Wohnungseigentümer und der Wohnungsverwaltung ausgebrochen ist – ein Streit um Heizkosten, um die Mehrheitsverhältnisse und um einen fairen Umgang miteinander. Und damit ein Streit, wie es ihn in nicht wenigen Wohnungseigentümergemeinschaften gibt – auch wenn das vor 60 Jahren in Kraft getretene Wohnungseigentumsgesetz genau dies verhindern wollte.
An der Föttingerzeile geht es hauptsächlich um die Wärmekosten. „Die sind viel höher als in vergleichbaren Wohnanlagen“, kritisiert Heribert Streup, der als Wortführer die „Interessengemeinschaft des Bauabschnitts I“ vertritt. Nach seinen Unterlagen müssen die Eigentümer pro Megawattstunde Energie, die für Heizung und Warmwasserbereitung verbraucht wird, rund 120 Euro bezahlen; in einer benachbarten Wohnanlage sind es demnach nur 50 Euro.
Warum aber wechseln die Eigentümer dann nicht einfach zu einem günstigeren Versorger? Die Antwort: Weil sie das nicht können. Sie sind nämlich an die Wärmeerzeugungsanlage gebunden, die sich im Keller der Wohnanlage befindet. Dabei handelt es sich um ein mit Erdöl betriebenes Heizwerk, das für alle 404 Wohnungen der Anlage Raumwärme und Warmwasser liefert. Dass die Wärme von diesem Heizwerk und von keinem anderen geliefert wird, schreiben sowohl die Teilungserklärung (das ist gewissermaßen die Verfassung der Wohnungseigentümergemeinschaft) als auch eine so genannte Dienstbarkeit vor, die ins Grundbuch eingetragen wurde.
Was den Sachverhalt brisant macht, ist eine personelle Verquickung. Einer der Gesellschafter der Heizwerk WEG Föttingerzeile GmbH ist nämlich Jürgen Wolf, der gleichzeitig auch Gesellschafter der J. Wolf Immobilien GmbH ist – und diese verwaltet seit 1984 die Wohnanlage Föttingerzeile. Der Vorwurf der Wohnungseigentümer um Heribert Streup: Jürgen Wolf profitiere in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der Heizwerk GmbH von überhöhten Wärmepreisen, während er in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der Wohnungsverwaltung eigentlich für niedrige Betriebskosten sorgen müsste. „Die Verwaltung Wolf vertritt grundsätzlich die Interessen der Heizwerk GmbH“, kritisiert Streup. In der Tat handle es sich hier um „eine Interessenkollision“, urteilt auch Gabriele Heinrich, Geschäftsführerin des Verbraucherschutzvereins „Wohnen im Eigentum“.
Die „Interessengemeinschaft des Bauabschnitts I“ untermauert ihren Vorwurf damit, dass ihrer Ansicht nach die Verwaltung zu wenig getan hat, um die hohen Wärmekosten durch technische Maßnahmen zu reduzieren. Zwar, so Streup, seien 2008 auf Beschluss der Eigentümerversammlung Teile der Rohrleitungen gedämmt worden, was jedoch keine Ersparnis gebracht habe. Seither weigere sich die Verwaltung, den Ursachen der Wärmeverluste auf den Grund zu gehen.
Diesen Vorwurf weist Matthias Schneider, Geschäftsführer der J. Wolf Immobilien GmbH, zurück. Es sei die Eigentümerversammlung gewesen, die 2009 beschlossen habe, „dass bis auf Weiteres keine weiteren vorbereitenden Maßnahmen zur Energieeinsparung durchgeführt werden sollen“. Im Übrigen sei die Heizwärme nicht teurer als bei vergleichbaren Anlagen; höher seien lediglich die Warmwasserkosten, was unter anderem darauf zurückzuführen sei, dass sich auch innerhalb der Versorgungsschächte ungedämmte Absperrventile und unzureichend gedämmte Leitungen befänden.
Noch anders sieht es die Heizwerk GmbH: „Soweit von einem Teil der Eigentümer die Ansicht vertreten wird, die Kosten für Heizung und Warmwasser seien überdurchschnittlich hoch, können wir diese nicht teilen“, schreiben Josef Marx und Ernst Raasch, zwei der Gesellschafter der Heizwerk GmbH, in einer Stellungnahme. Ohnehin hätten sie und die anderen Gesellschafter 1990 das Heizwerk von den damaligen Eigentümern nur erworben, um den Verkauf des Heizwerks an eine belgische Gesellschaft zu verhindern. Und sie seien, schreiben Marx und Raasch weiter, „in ehrenamtlicher Funktion ohne Vergütung“ als Geschäftsführer der Heizwerk WEG Föttingerzeile GmbH tätig. Es erfolge lediglich „eine geringe Gewinnausschüttung“.
Geringe Ausschüttung? Da können Streup und seine Mitstreiter Elke Ehlert und Helmut Huke nur bitter auflachen: Laut den ihnen vorliegenden Auszügen aus dem Unternehmensregister verzeichnete die Heizwerk GmbH in den Jahren 2006 bis 2008 einen Bilanzgewinn von jeweils rund 170 000 Euro.
Wenn sich aber die Eigentümer von ihrer Verwaltung so schlecht vertreten fühlen – warum wählen sie dann nicht eine andere? Laut Wohnungseigentumsgesetz muss sich eine Verwaltung nach spätestens fünf Jahren zur Wiederwahl stellen. Doch hier wirkt sich eine zweite Besonderheit der WEG Föttingerzeile aus: Die selbst nutzenden Eigentümer befinden sich in der Minderheit. Ein Großteil der Wohnungen ist nämlich in der Hand eines Fonds und einer Aktiengesellschaft, die ihre Wohnungen vermieten. Zusammen mit der Heizwerk GmbH, die ebenfalls Teil der Eigentümergemeinschaft ist, haben diese beiden Großeigentümer die Stimmenmehrheit inne. Und die, so stellt es Streup dar, nutzten sie grundsätzlich, um die Verwaltung zu unterstützen. Das wiederum habe seinen Grund, finden die kritischen Eigentümer: Die Verwaltung habe es nämlich einem der beiden Großeigentümer erlaubt, die Fenster in seinem Bauabschnitt auf Kosten der Gemeinschaft zu erneuern – obwohl Jahre zuvor beschlossen worden war, jeder Eigentümer müsse den Fensteraustausch aus eigener Tasche bezahlen.
„Dass die Interessen selbst nutzender Eigentümer nicht ausreichend berücksichtigt werden, trifft nicht zu“, entgegnet Matthias Schneider von der Hausverwaltung. Im Übrigen stellt er in Aussicht, auf der diesjährigen Eigentümerversammlung weitere Maßnahmen zur Energieeinsparung zum Beschluss zu stellen. Den Geschäftsführern der Heizwerk GmbH zufolge ist angedacht, die Umstellung auf ein Contracting-Modell zu prüfen. Dies würde die Zusammenarbeit mit einem Wärmeanbieter bedeuten, „der sich dann verpflichtet, in einem Zeitraum von zehn bis 15 Jahren stabile Heiz- und Warmwasserpreise für die Gemeinschaft zu garantieren“.
Allein, den kritischen Eigentümern fehlt der Glaube: „Alle Lippenbekenntnisse“, sagt Heribert Streup, „haben uns nicht weitergebracht.“ Deshalb haben 110 Wohnungseigentümer zu Ende Mai 2011 ihre Einzelverträge mit der Heizwerk GmbH vorsorglich gekündigt – in der Hoffnung, dadurch günstigere Konditionen erwirken zu können. Ob sie sich vielleicht doch, trotz Dienstbarkeit im Grundbuch, ganz von der Abhängigkeit vom Heizwerk befreien können, lassen sie derzeit von einem Anwalt prüfen. Eine Antwort steht aus.
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