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Das Betahaus war Vorreiter für kollektives Arbeiten.

© Kitty Kleist-Heinrich

Coworking-Spaces: Neue Büros braucht das Land

Die Arbeitswelt wird immer agiler. Das hat Folgen. Immer mehr große Firmen suchen inspirierende Räume mit Startup-Energie.

Der Gründerzeitbau am Boulevard Unter den Linden atmet Geschichte: Spiegel im Entrée, bordeauxroter Teppich im Treppenhaus, marmorverkleidete Wände. Wo man Anwaltskanzleien oder Steuerbüros vermuten würde, residiert im dritten Stock das hippe Start-up HubSpot. Der Software-Anbieter für Marketing, Vertrieb und Kundenservice stammt aus dem Silicon Valley, hat dort mehr als 1000 Mitarbeiter und seit 2017 auch eine Dependance in Berlin.

Um sofort in der deutschen Hauptstadt starten zu können, mietete sich HubSpot bei Design Offices ein. „Corporate Coworking“ lautet das Konzept des Nürnberger Unternehmens. Das bedeutet, Einzelpersonen, Teams oder ganze Firmen wie HubSpot können sich in den Büros temporär einmieten. Manche nutzen nur tageweise einen Schreibtisch, andere bleiben mehrere Jahre in einer eigens für sie kreierten Bürolandschaft.

HubSpot hat in Berlin eine Fläche mit eigenem Eingang, Teambüros und einem Gemeinschaftsraum mit Sofas, Sitzsäcken und der obligatorischen Tischtennisplatte, wenn auch im Mini-Format. „Zwischendurch mal den Arbeitsort zu wechseln oder sich mit Kollegen auszutauschen, ist für das Arbeitsklima, die Kreativität und die Motivation unserer Mitarbeiter enorm wichtig", sagt die Office-Managerin des Unternehmens, Theresa Garbe. Sie profitiert von dem Service, den Design Offices ihr bietet. „Wenn wir ein Meeting haben, kann ich den Concierge zum Beispiel bitten, für das Catering zu sorgen“, sagt sie.

Der Arbeitsplatz sieht wohnlicher aus

Zugleich passt das Interieur zum Start-up-Spirit von HubSpot. Der Besprechungsraum ist mit Vintage-Möbeln eingerichtet. In den Ecken versprühen gehäkelte Blumenampeln Retro-Charme, sodass der Raum fast nach Wohnzimmer aussieht.

Das Designkonzept kommt vom Chef persönlich. Michael O. Schmutzer ist Gründer und CEO von Design Offices. Er glaubt, dass sich die Branche verändern wird: „Ähnlich wie es Serviced Apartments mit einem Concierge gibt, werden sich auch Büros in diese Richtung entwickeln“, sagt er.

Während man vor einigen Jahren noch dachte, dass die Digitalisierung Büros überflüssig mache, ist Schmutzer heute der Überzeugung: „Digital wird analog. Das Büro ist die Heimat des Unternehmens und die Heimat seiner Mitarbeiter.“ Weil Freizeit und Arbeit immer mehr ineinander übergehen, erwarten Angestellte auch, dass ihr Arbeitsplatz wohnlicher aussieht.

Gründer wollen sich vernetzen

In Berlin konkurriert Design Offices mit zahlreichen sogenannten Coworking-Spaces. Bereits vor zehn Jahren wurde hier für das kollektive Arbeiten das Betahaus gegründet. „Bis dahin kannte man diese Art von Gemeinschaftsbüros höchstens aus dem Silicon Valley“, sagt Betahaus-Gründer Christoph Fahle. Diesen Sommer verlässt das Unternehmen seinen angestammten Ort am Moritzplatz und zieht um ins ehemalige Redaktionsgebäude der Taz an der Rudi-Dutschke-Straße.

„Früher wollten unsere Mitglieder möglichst in Ruhe gelassen werden und waren nicht auf gemeinsame Aktivitäten aus“, beobachtet Fahle. „Heute kommen sie genau deswegen zu uns: Sie wollen sich vernetzen und andere Gründer kennenlernen.“

Ob beim gemeinsamen Beta-Bier, verschiedenen Pitch-Formaten oder Do-It-Yourself-Aktionen für den nahenden Umzug: Gemeinschaftsaktivitäten werden großgeschrieben. Umgangssprache ist längst Englisch, und wer dennoch für die Welt da draußen sein Deutsch aufpolieren will, kann an den von einem Partner angebotenen Sprachkursen teilnehmen.

Industrie lässt sich inspirieren

Auch immer mehr große Firmen finden Gefallen am Thema Coworking: Die Unternehmensberatungen Roland Berger, McKinsey oder Deloitte haben sogenannte Innovations-Hubs eingerichtet, die der Vernetzung ihrer Mitarbeiter mit Start-ups und neuen Formen des Arbeitens dienen sollen.

Seit einigen Jahren drängen in Berlin immer mehr internationale Firmen auf den Markt: WeWork aus New York oder Mindspace aus Israel verlangen vergleichsweise gesalzene Preise für schnelles Internet und einen flexiblen Arbeitsplatz. Daher ziehen sie eher einzelne Mitarbeiter oder Teams internationaler Firmen an. Doch auch Angestellte großer Konzerne schnuppern ab und zu die Luft eines Coworking-Spaces. Michael O. Schmutzer beobachtet: „Industrie und Mittelstand geht es dabei nicht unbedingt ums Vernetzen, aber sie lassen sich von einem solchen Ort inspirieren und möchten sich von der Energie der Start-ups anstecken lassen.“

Schmutzer ist nicht nur ein cleverer Geschäftsmann, der mit seinen Mietbüros in insgesamt zehn deutschen Städten im vergangenen Jahr 32 Millionen Euro umsetzte, er versteht sich auch als ein Prophet der New-Work-Bewegung. Kreativ-Methoden wie Design Thinking oder die Transformation eines Unternehmens im Rahmen der Digitalisierung sind Themen, die er sich auf die Fahnen geschrieben hat und für die er auch schon ausgezeichnet wurde: Im Mai bekam er den XING New Work Award verliehen.

Neue Arbeitskonzepte verändern die Stadt

Neben dem Büro Unter den Linden betreibt Design Offices auch Standorte am Humboldthafen und am Leipziger Platz. „Ein wichtiger Faktor bei der Auswahl unserer Standorte ist die Erreichbarkeit mit öffentlichem Verkehr“, sagt Schmutzer. „Deshalb befinden sich die ersten Standorte in einer Stadt in der Nähe des Hauptbahnhofs.“

Michael O. Schmutzer ist überzeugt, dass die neuen Arbeitskonzepte, aber auch neue Mobilität die Stadt verändern werden. Er glaubt an die Entwicklung von Bahnhofsvierteln und an innerstädtisches Arbeiten. Weil sich die Trennung zwischen Beruf und Privatleben immer stärker auflöst, sollen Arbeit, Wohnung, Yogastudio und Kindergarten möglichst nah beieinander liegen. Für einen solchen Lebensentwurf erweist sich das Fahrrad als ideales Fortbewegungsmittel. In der Stadt der Zukunft wird es deshalb eine wichtige Rolle spielen.

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