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Immobilien: Eine traurige Geschichte vor ihrem bitteren Ende

1993 war die Welt für Hans Bernhard (Name geändert) noch in Ordnung. Sein Geschäft für Licht- und Tontechnik spielte gutes Geld ein.

1993 war die Welt für Hans Bernhard (Name geändert) noch in Ordnung. Sein Geschäft für Licht- und Tontechnik spielte gutes Geld ein. Und in einer Geschäftsstraße von Leipzig ist der Berliner Eigentümer eines Eckgrundstücks. Heute besitzt er nichts mehr. Die Berliner Volksbank hat die Guthaben auf seinen Konten blockiert. Sie verlangt 300 000 DM von Bernhard und monatlich Zinsen für ein Grundstück, dessen Erwerb aus dem kleinen Unternehmer einen großen Schuldner machte. Der Mann aus dem Osten hatte einem windigen Spekulanten aus dem Westen vertraut - und vor allem der Berliner Volksbank. Sie habe mit falschen Zusagen Kreditumsätze auf seine Kosten gemacht, sagt er. Die Bank sieht die Schuld allein bei ihrem Schuldner und will den säumigen Kredit "abwickeln". Das bittere Ende einer traurigen Geschichte?

"Die haben mich ruiniert", sagt Bernhard. Der schlanke Mann Mitte dreißig verschluckt das letzte Wort. Er zögert kurz, als müsse er sich die Sätze zurechtlegen. Doch dann sprudelt die Geschichte aus ihm heraus, so als könne der Redefluß den Lauf der Dinge aufhalten. Ausweglos - dieses Wort verwendet er nicht, dabei kämpft er seit fünf Jahren um seine Existenz. Vor vier Wochen stellte ihm die Bank ein letztes Ultimatum: Sie will ihr Geld zurück oder "Zwangsmaßnahmen gegen Sie persönlich einleiten". Macht die Volksbank ihre Drohung wahr, dann hat Bernhard mit Zinsen eine halbe Mill. DM verloren - und das mit diesem Geld erworbene Grundstück. Wie aber geriet er in diese Situation?

Wie alles begann. Anfang der neunziger Jahre grassierte das Immobilienfieber. Im "Abschreibungsparadies neue Länder" wilderten die Glücksritter. Auch in Leipzig warf die Spekulation dicke Blasen auf dem Grundstücksmarkt. Zu dieser Zeit stand "peanuts" noch für englisch: Erdnüsse, und Dr. Jürgen Schneider war ein angesehener Geschäftspartner. Auch in Leipzig. Zu den Grundeigentümern in der sächsischen Stadt gehörte Bernhard, wenn auch zu den kleinsten. Für seine 330 Quadratmeter Grundstücksfläche boten ihm Interessenten immerhin 400 000 DM. Bernhard lehnte ab. Sein kleines Geschäft brachte ihm mehr, als er zum Leben brauchte. Ein Grundstücksverkauf hätte nur sein schönes Guthaben bei der Volksbank weiter erhöht. So kam ihm der Vorschlag von Architekt Robert L. aus Frankfurt (Main) gerade recht. Er solle doch mit ihm zusammen das eigene Grundstück selbst bebauen. Käufer, so der beredte Wessi, gebe es für einen Neubau genug.

Zwar hatte Bernhard noch nie gebaut, doch sein Partner gab sich erfahren. Auch habe sich dieser am Risiko beteiligen wollen. Doch auf halbe Sachen wollte sich der sachkundige Wessi mit seinem kapitalstarken Ossi nicht einlassen. Robert L. schlug erst einmal die "Arrondierung" der Baufläche vor: den Erwerb einer benachbarten Baufläche. Dazu mußten die zwei Unternehmer tief in die Tasche greifen: 680 000 DM. Auf den Volksbank-Konten von Bernhard lagen damals 330 000 DM. Dieses Geld überwies die Bank an die Verkäufer. Robert L. dagegen verhandelte mit dem Filialleiter der Volksbank in Friedrichshagen und drängte diesen, einen Kreditvertrag über seinen Anteil zu vereinbaren. Der Clou dabei: Er wollte den Kreditvertrag auf keinen Fall selbst unterzeichnen. Bernhard tappte in die Falle. Er unterschrieb für ihn.

Daß sich Bernhard dazu bereitfand, erklärt er so: "Die Bank hatte von Robert L. eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft über 350 000 DM und eine Guthabenforderung über 80 000 DM verlangt. Damit war ich auf der sicheren Seite". Mit der Bürgschaft und dem hinterlegten Geld hätte das Kredithaus seine Forderungen gegen Robert L. durchsetzen können. Doch die Sicherheiten lagen der Bank nicht vor, als diese Bernhard den Vertrag unterschreiben ließ und das Geld überwies. Bernhards Partner kam keiner seiner Verpflichtungen nach. Deshalb bezahlt Bernhard dem Geldhaus seit 1994 die Zinsen für den Kaufpreisanteil seines Partners - dennoch will die Bank den Vertrag nun abwickeln.

Berechtigt aus Sicht der Bank, hatte ihr Schuldner doch den Vertrag unterzeichnet? Das sieht Bernhard anders. Er sei von der Berliner Volksbank hinters Licht geführt. "Ich hätte das Grundstück nie finanzieren lassen, wenn nicht vorher die Sicherheiten von Robert L. vorgelegen hätten", sagt er. Auch habe ihm der damalige Filialleiter versichert, er überweise die Gelder nicht, bevor nicht alle Sicherheiten von Robert L. vorlägen. Derselbe Filialleiter habe ihm ferner zugesagt, die Unterlagen bei Robert L. zu beschaffen. Als Bernhard schließlich die Kreditzusage in der Post fand, sei er davon ausgegangen, daß sein Partner für Kredit und Zinsen ebenso hafte wie er selbst.

Diese Erklärung stützt Bernhard mit den Schriftstücken der Bank. Da sind zunächst die Allgemeinen Darlehensbedingungen. Sie stehen auf der Rückseite seines Darlehensvertrages. Dort heißt es unter Position 4: "Die Darlehensvaluta wird zur Verfügung gestellt, sobald der Darlehensnehmer alle für ihn festgelegten Verpflichtungen sowie die von der Bank bei Darlehenszusage eventuell zusätzlich gemachten Auflagen erfüllt hat". Zu diesen "Verpflichtungen" zähle die Mithaftung seines Partners. So habe es der Filialleiter verlangt. Tatsächlich steht im Kreditantrag der Volksbank, daß zu den Sicherheiten die "Höchstbetragsbürgschaft Robert L. unterlegt mit Abtretung einer Guthabenforderung" zählen. Dieselben Sicherheiten führt auch der Kreditvertrag auf: "selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft des Herrn Robert L. in Höhe von 350 000 DM unterlegt mit Abtretung einer Guthabenforderung aus dem Festgeldkonto Nr. 33582218 bei der Berliner Volksbank in Höhe von 80 000 DM". Und, noch klarer in einem Brief der Volksbank an Robert L. vom 16. Dezember 1994, wo die zwei Sicherheiten als "unbedingte Auszahlungsvoraussetzung für die Darlehen" bezeichnet sind.

"Ich hatte das Wort des Filialleiters und die Kreditbedingungen schriftlich, ich mußte also annehmen, daß die Sicherheiten vorlagen", sagt Bernhard. Die Berliner Volksbank habe ihm also "falsche Tatsachen vorgetäuscht, um Kreditumsätze zu machen und das Darlehen sowie mein eigenes Geld gegen meinen Willen auszuzahlen", sagt er. Das bestreitet die Bank in ihrer Stellungnahme zu dem Fall: "Die Sicherheiten waren sowohl im Kreditantrag als auch in der Bestätigung nur aufgezählt und nicht als bereits bestellt deklariert. Wenn nun die Bank die Sicherheiten nicht hereinnimmt oder nicht hereinzunehmen vermag, so ist dies allein ihr Problem, weil das zu einem erhöhten Risiko führen kann. (...) Ein Verschuldenproblem seitens der Berliner Volksbank können wir ausschließen".

Die auf Bankenrecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei Fiala, Freiesleben & Weber sieht in einer ersten Begutachtung des Falles zwei "Lösungsansätze". Zum einen die Rückabwicklung des Kreditvertrages, zum anderen die Forderung von Schadensersatzansprüchen gegenüber der Bank. Voraussetzung für Letzteres sei es, daß dem Geldhaus nachzuweisen sei, daß es gegen seine Prüfungspflicht der Bonität seines Darlehensnehmers verstoßen habe. Ein solcher Verstoß sei indes "nur sehr schwer nachzuweisen", so die rechtliche Würdigung des Falles. Anders die Rückabwicklung des Vertrages. Denn die Anwälte sehen ein "auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung" beim Kaufpreis für das Grundstück: Er betrug 680 000 DM, obwohl die Bank für das Bauland eine Beleihungsobergrenze von lediglich 270 000 DM auswies. Verstieß die Bank mit der Kreditzusage in Kenntnis der großen Differenz zwischen ermitteltem Grundstückswert und Kaufpreis sowie mit der Überweisung des Geldes nicht gegen ihre Beratungspflicht?

Da die Antwort auf diese Fragen ungewiß ist, legen die Anwälte des Schuldners ihm die Empfehlung nahe, "den Versuch einer außergerichtlichen Einigung voranzutreiben". Darum bemüht sich Bernhard seit Jahren. Ein Entgegenkommen der Bank will er nicht erkennen. Diese habe die hinterlegten 55 000 DM vom Festgeldkonto sowie Bernhards letztes Guthaben von 25 000 DM unter Ausübung massiven Drucks zur Tilgung eines Kreditteils eingesetzt. Als die letzte Zinsfestschreibung Ende vergangenen Jahres auslief, habe die Berliner Volksbank eine Verlängerung um ein Jahr zum Rekordzins von 8,25 Prozent angeboten - viel mehr als Hypothekenbanken zu diesem Zeitpunkt für viel länger laufende Kredite verlangten: fünfjährige Zinsfestschreibungen gab es für weniger als fünf Prozent. Jüngst habe die Bank ohne sein Wissen und ohne Befugnis beim Amtsgericht einen Grundbuchauszug zu dem noch in seinem Eigentum befindlichen Teilgrundstück angefordert. So wolle die Volksbank wohl auf sein Eigentum zugreifen.

Um immer weitere, zusätzliche Details ergänzt Bernhard die Geschichte einer Schuld, um deren Tilgung sich sein Leben seit fünf Jahren dreht. Es ist, als klopfe er wieder und wieder die Möglichkeiten ab, doch noch einen Ausweg zu finden. Bisweilen wird seine Stimme heftiger, wenn er neue Hinweise für die bevorstehende Abwicklung aufzählt oder wenn er lapidare Kommentare von Angestellten des Kredithauses wiedergibt. Wieviel Kraft und Mut er in diesem Kampf einsetzt, das belegen zahllose, teils vertrauliche Dokumente, die er sich zu beschaffen verstand. Doch nun will die Bank ernst machen: "Es spielt keine Rolle, daß Sie sich an die Presse wenden, die haben uns sowieso verrissen" wegen der Finanzierung der Immobilienfonds von Euwo, so gibt Bernhard die Worte des mit der Kreditabwicklung befaßten Mitarbeiters wieder. Ausweglos? Dieses Wort verwendet er nicht.

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