zum Hauptinhalt
Großbaustelle in Mitte. Das Stadtschloss darf eigentlich 595 Millionen Euro kosten. Doch es wird teurer.
© Doris Spiekermann-Klaas

Vergaberecht: EU-Wettstreit unter den Besten

Das neue Vergaberecht stellt öffentliche Bauherren vor neue Anforderungen.

Von Frank Stollhoff

Öffentliche Großbauvorhaben stehen in Verruf. Dies gilt nicht nur für Infrastrukturprojekte, sondern gerade auch für ambitionierte Vorhaben des öffentlichen Kulturbereichs. Projekte wie Elbphilharmonie, Humboldt-Forum Berlin oder das neu geplante Konzerthaus München sind lange vor Projektbeginn tiefgehenden Sinnfragen, intensiven Standortdebatten und kritischen Kosten-Nutzen-Analysen ausgesetzt.

Die Wurzel allen Übels – exorbitante Zeit- und Kostenüberschreitungen – wird oft bereits in frühen Planungsphasen verortet. Es heißt, der öffentliche Bauherr könne weder seinen Bedarf mit einer sorgfältigen Grundlagenermittlung definieren noch eine ausdifferenzierte Planung erstellen, die im Rahmen der späteren Ausführung ohne große Änderungen geradlinig umgesetzt werden kann.

Diese schwarz-weiße Bauherrenschelte richtet den Blick auf die Auswahl der diese Vorhaben planenden und in der Ausführung überwachenden Architekten. Besonderes Misstrauen erweckt es immer dann, wenn bereits im Vorfeld die Vergabe der Architektenleistungen für öffentliche Großbauvorhaben streitbefangen wird. Die Elbphilharmonie, das Humboldt-Forum Berlin und jetzt auch das geplante Konzerthaus München erlebten bereits im frühen Stadium der Vergabe der Architektenleistungen, d. h. weit vor dem eigentlichen Planungs- und Baubeginn, vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern und den in zweiter Instanz entscheidenden Oberlandesgerichten.

In allen drei Fällen wurden diese Streitigkeiten erbittert geführt, was nicht verwundert: In diesen Verfahren finden diffizile Eignungsprüfungen bekannter Architekturbüros und oft Versuche von Einflussnahmen auf die Ergebnisse der Wettbewerbe und Verhandlungsverfahren statt. Mit der Auswahl des Architekten aber steht und fällt die Erreichung des wichtigen kulturpolitischen Planungsziels. Von der nicht minder wichtigen Zeit- und Kostensicherheit des öffentlichen Bauherrn und der gebotenen Qualität der Bauerrichtung ganz zu schweigen.

Das Vergabeverfahren ist im Interesse des fairen Wettbewerbs streng konzipiert

Der hohen Streitanfälligkeit der Vergabe von Architektenleistungen bei Großbauvorhaben versucht das Deutsche Vergaberecht nach europäischer Vergabe mit einer enormen Regelungsdichte in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen zu begegnen:

Der Sinn und Zweck dieser Vielzahl von Regelungen ist im Prinzip einfach: Sie basieren alle auf dem Gedanken, nach europaweiter Bekanntmachung und Bewerbungsmöglichkeit den Architekten mit der bestmöglichen Eignung und Qualifikation zu finden, der gleichzeitig dem öffentlichen Auftraggeber das wirtschaftlichste Angebot macht. Dieses europaweite Auswahlverfahren ist zweistufig. Es findet regelmäßig zunächst ein Planungswettbewerb und ein diesen Architektenwettbewerb begleitendes Verhandlungsverfahren statt.

Das Vergabeverfahren ist im Interesse des größtmöglichen und fairen Wettbewerbs streng formal konzipiert. Eine für den Rechtsschutz sehr wichtige Eigenart der Verfahren besteht darin, dass die voraussichtlich unterliegenden Bewerber vor Zuschlagserteilung an den besten Bewerber über die Nichtberücksichtigung ihres Angebots zu informieren sind. Der Sinn dieser Informationspflicht ist es, den nicht berücksichtigten Bewerbern vor der Beauftragung des ausgewählten Bewerbers Gelegenheit zu geben, eine Rüge auszusprechen und ein vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren einzuleiten. Hier sind die bundesweiten Vergabekammern und in zweiter Instanz die jeweiligen Oberlandesgerichte zuständig: Bei optimalem Verlauf können die nicht berücksichtigten Bewerber den Zuschlag an sich erzwingen.

Zusätzliche Schwierigkeiten bereitet der Umstand, dass das Deutsche Vergaberecht seit dem 18. April 2016 nach europäischer Vorgabe neu geregelt ist. Die vormals für das Vergabeverfahren von Architekten- und Ingenieurleistungen geltende Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) wurde aufgehoben und in der Vergabeverordnung (VgV) neu gefasst. Die einzuhaltende Regelungsstruktur ist überaus komplex. Daneben hat der öffentliche Bauherr noch weitere Vorschriften und Richtlinien wie die Richtlinie für Planungswettbewerbe (RPW 2013) und fördermittelrechtliche Vorgaben zu beachten. Die Fehlerhäufigkeit bei Durchführung dieser Vergabeverfahren ist – im ohnehin sehr streitanfälligen Umfeld – dementsprechend hoch.

Bei Großbauvorhaben steht der öffentliche Auftraggeber unter hohem Druck

Typische Fehlerquellen sind die Nichteinhaltung gesetzlicher Bekanntmachungs- und Informationspflichten, die unzulässige Verengung des Wettbewerbs, die unzureichende Definition und Anwendung von diskriminierungsfreien Eignungskriterien der Bewerber sowie die Auswahl eines vergaberechtswidrig unwirtschaftlichen Angebots.

In diesen sensiblen Stufen der Vergabe von Architektenleistungen bei Großbauvorhaben steht der öffentliche Auftraggeber unter hohem gesellschaftspolitischen Druck und wird rechtlich stark gefordert: Er hat streng formalisierte Bekanntmachungs- und Informationspflichten zu erfüllen. Er hat objektive, transparente und diskriminierungsfreie Kriterien zur Eignungsprüfung der Bewerber zu definieren und anzuwenden.

Für die Bewertung des Angebots an Planungsleistungen selbst sind objektive Kriterien zu definieren, nach denen der ästhetisch-funktionale Gehalt der Entwürfe, die Nachhaltigkeit und Rentabilität des Baus sowie die Wirtschaftlichkeit des Angebots beurteilt werden. Auch dies ist bei exponierten Vorhaben überaus diffizil.

Vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren verursachen eine mehrmonatige Verschiebung des Planungs- und Baubeginns. Hieraus resultierende Mehrkosten hat der öffentliche Bauherr – auch bei späterem Obsiegen – zu tragen.

Der promovierte Autor ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in Berlin (www.ts-law.de).

Zur Startseite