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Immobilien: Keine Fassade

Ein Jahr Projektzeit, sechs Monate hinter Plan. Aber jetzt wird gebuddelt – und übers Design gestritten

„Der Bauherr ist sehr zufrieden“, sagt Edgar Endrukaitis. Und da er selbst einer der Bauherren ist, passt der Ton seiner Stimme zu dem, was er sagt: zufrieden. Aber... wie kann das sein, wenn man baut und schon vor dem eigentlichen Baubeginn feststellen muss, das alles ein halbes Jahr länger dauern wird – mindestens? „Naja“, sagt Endrukaitis, „man hat da schon eine andere Einstellung als bei einem Projekt, das man fertig bei einem Bauträger bestellt. Dass es so lange dauert, war zwar nicht vorhersehbar, aber letztendlich ist alles gut ausgegangen.“

Gut ausgegangen heißt: Die Verzögerungen beim Bau des Mehrfamilienhauses an der Möckernstraße, in dem Endrukaitis einmal wohnen möchte, hätten teuer für ihn werden können Denn wer bauen und seine Immobilie mit einem Kredit finanzieren will, verabredet mit seiner Bank, wann er diesen in Anspruch nehmen will. Wer das Geld aber später abnimmt als verabredet, muss für die Zwischenzeit Bereitstellungszinsen zahlen. Wann diese fällig werden, muss man mit der Bank aushandeln und im Kreditvertrag niederlegen. Endrukaitis und seine Partnerin Kerstin Bark haben offenbar gut verhandelt – Bereitstellungszinsen „sind bei uns nicht angefallen“, sagt er. Mit-Bauherr Ansgar Becker stimmt zu: „Ich glaub, ich kriegs hin, dass ich die gar nicht zahlen muss“, meint er, außerdem: „Es dauert ja immer länger als vermutet.“ Becker muss es wissen, schließlich ist er Architekt.

Grund für die Verzögerungen im Zeitplan waren vor allem langwierige Verhandlungen mit den Grundstücksgebern, die den Baubeginn immer weiter nach hinten schoben. Aber jetzt steht nun endlich der erste Bagger auf dem Baugrund. Und – jedem Schlechten sein Gutes: Unserer Baugruppe kommen die fallenden Energie- und Rohstoffpreise zu Gute: „Wir ziehen Profit aus der Finanzkrise“, sagt Edgar Endrukaitis etwas ironisch: Baumaschinen verbrauchen viel Energie, und je billiger die wird, desto günstiger werden die Bauarbeiten. Dasselbe gilt für die Rohstoffe. Denn schließlich baut man auf einem Kirchengrundstück und in der Bibel steht: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum besten dienen“ (Brief des Paulus an die Römer, Kapitel 8, Vers 28).

Einem schnellen Baufortschritt ebenfalls nicht eben zuträglich, aber in einer Baugruppe unumgänglich, ist ein weiterer Prozess, der im Moment im Gange ist: man diskutiert. Es geht um die Fassadengestaltung, vor allem um Brüstungselemente aus Streckmetall. Das sind versetzt geschlitzte Stahlplatten. Wenn sie auseinandergezogen werden, ergibt sich ein Netzmuster.

Alois Albert, Architekt und Initiator der Baugruppe, hat die Brüstungen in den Treppengeländern und auf den Balkons aus diesem Material geplant – und dafür nicht nur Zustimmung geerntet: „Die Fassade findet bei einigen Mitgliedern Zuspruch, andere finden es zu kühl“, sagt Edgar Endrukaitis. Die Quintessenz ist nun eine Arbeitsgemeinschaft Fassadengestaltung, die sich aus dem Architekten und drei Bauherren zusammensetzt. Endrukaitis selbst mag den Entwurf: „Das ist modern, ein bisschen ungewöhnlich“, meint er, „ein bisschen bauhausmäßig“. Den Architekten scheint seine aktive Baugruppe derweil ein bisschen zu nerven: „Es gibt da nicht wirklich was zu einigen“, meint er, „alles, was ästhetische Kriterien betrifft, lässt sich nicht diskutieren. Die müssten eine Mehrheit haben und selbst dann bin ich nicht sicher, ob ich das ändern würde!“

Bauherr Endrukaitis nimmt’s mit Fassung. Dass auf einmal unterschiedliche Ansichten herrschen in der Baugruppe, bereitet ihm keine Sorgen. Beim Thema Energie habe es auch schon eine Arbeitsgruppe gegeben, erinnert er sich. Das Ergebnis waren damals der KfW-60-Standard und die Heizung mit Erdwärme. „Das ging ratzfatz, man musste bloß die Förderbedingungen recherchieren – man kriegt ja Fördergelder der Bundesregierung“, erklärt der Bauherr.

Diesmal ist das Ganze jedoch ein bisschen komplizierter: „Es geht nicht nur um die Balkonbrüstung, sondern auch die Farben der Fenster, die Gitter der Garagenzufahrt und das Geländer im Treppenhaus“, zählt er auf. Lösung: „Die drei von der Arbeitsgruppe kommen mit dem Architekten zusammen, da werden mögliche Fassaden am PC simuliert und Häuser angeguckt.“

Hauptsache ist, die Diskussion verlängert die Bauarbeiten nicht noch mehr. „Inzwischen hat sich zwar alles um ein halbes Jahr verzögert“, sagt Edgar Endrukaitis. „Aber wenn wir Glück haben, können wir das kommende Weihnachten schon in der neuen Wohnung verbringen.“

Ulrike Heitmüller

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