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Immobilien: Wenn der Richter nach der Windstärke befindet

Stürme, Bruch und welkes Laub: Auswirkungen des Herbsts beschäftigen die Justiz.

Der Herbst ist die Jahreszeit der Stürme und der fallenden Blätter. Beides sorgt häufig für Streit, der gerne auch die Gerichte beschäftigt. So hat, was die Blätter angeht, das Oberlandesgericht Nürnberg (Aktenzeichen 3 U 412/00) festgestellt, dass man solch „naturgegebene Beeinträchtigungen“ innerhalb gewisser Grenzen hinnehmen muss. Wie die Bausparkasse LBS berichtet, hatte sich eine Anwohnerin nicht nur durch Laub, sondern auch durch überhängende Äste und Wurzeln gestört gefühlt. Das Gericht erkannte jedoch keinen einzigen der Kritikpunkte an und sah deswegen auch keine Pflicht für die Beklagte, den fallenden Blättern nachzujagen.

Manche Grenzüberschreitungen muss sich ein Nachbar allerdings nicht gefallen lassen. Hängen etwa Zweige von einem anderen Grundstück klar über die Grenze, dann darf man als Betroffener ein Beschneiden des Baumes anmahnen. Vorsicht ist aber geboten, wenn man selbst diese Arbeit übernimmt. Ein Mann hatte den Zweig aus Unkenntnis mit der Kettensäge falsch zurechtgestutzt, so dass die ganze Pflanze kaputtging. Das Landgericht Coburg (32 S 83/06) verurteilte ihn zu 750 Euro Schadenersatz.

Ernster wird die Lage, sobald nicht nur Blätter oder Äste zu Boden fallen. Allerdings sind Immobilienbesitzer nicht immer haftbar, wenn sich etwa Dachziegel von ihrem Haus lösen und Schäden verursachen. Das Oberlandesgericht Zweibrücken entlastete in einem extremen Fall den Besitzer eines Hauses (3 W 11/02). Begründung: Im konkreten Fall sei die Windstärke 14 mit einer Windgeschwindigkeit von über 150 Stundenkilometern gemessen worden. Das spreche für „höhere Gewalt“, zumal dem Hausbesitzer keine Vernachlässigung seiner Pflichten nachzuweisen war. Ähnlich argumentierte das Oberlandesgericht Potsdam: In Brandenburg war die Regenentwässerung einer Kommune während eines starken Gusses überfordert, und es kam in einem Neubaugebiet zu Überschwemmungen. Die Anwohner forderten anschließend Schadenersatz von der Gemeinde. Das Gericht lehnte jedoch ab (2 U 41/06). Es habe sich um einen Starkregen gehandelt, wie er höchstens alle 30 bis 40 Jahre vorkomme. In dem Falle hafte der Grundstückseigentümer selbst und nicht die Gemeinde.

Sind die Umstände allerdings weniger extrem als in den genannten Fällen, dann dürfte der Rückzug aus der Haftung schwerfallen. Etwa im Fall einer gepflegten und äußerlich gesunden Silberweide, die von einem „normalen“ Sturm umgeworfen worden war und ein Nachbargebäude beschädigt hatte. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (4 U 73/01) sprach dem Geschädigten deswegen 7500 Euro Schadenersatz zu. Die Juristen sprachen von einem im Grundstück angelegten Gefahrenpotenzial. Nachdem der Sturm kein Orkanpotenzial gehabt habe, sei es hier rechtens, den Baumbesitzer in Haftung zu nehmen.Tsp

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