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Wirtschaft: Interview mit Alexander Schaub: "Wettbewerb ist nicht das Faustrecht des Stärkeren"

Alexander Schaub (59) ist seit fünf Jahren die rechte Hand des EU-Wettbewerbskommissars und Chef der Generaldirektion Wettbewerb. Sein Wort zählt, wenn es um Subventionen oder Fusionen im Binnenmarkt geht.

Alexander Schaub (59) ist seit fünf Jahren die rechte Hand des EU-Wettbewerbskommissars und Chef der Generaldirektion Wettbewerb. Sein Wort zählt, wenn es um Subventionen oder Fusionen im Binnenmarkt geht. Der Jurist und Ökonom kennt den Brüsseler Betrieb seit 30 Jahren. Im Streit um die staatlichen Haftungsprivilegien für Landesbanken und Sparkassen spielt "die graue Eminenz" eine zentrale Rolle.

Herr Schaub, 40 Jahre hat es keine Einwände gegen die staatliche Haftung der öffentlichen Banken in Deutschland gegeben. Plötzlich beschweren sich die Privatbanken bei Ihnen. Worum geht es hier eigentlich?

Die Beschwerde über die wettbewerbsverzerrenden Privilegien der öffentlich-rechtlichen Banken kam nicht aus heiterem Himmel. Sie war eher eine Art Verzweiflungstat der Privatbanken, nachdem in Deutschland jahrelang Funkstille herrschte. Im Übrigen: Wer bei uns anmarschiert kommt, hat in aller Regel sein eigenes Interesse im Auge. Daran ist nichts Verwerfliches. Das ist vielmehr jedermanns gutes Recht und liegt im Interesse des Verbrauchers. Denn die Zeche für Wettbewerbsbeschränkungen jeder Art zahlen am Ende immer die Verbraucher.

Mancher vermutet, dass sich die EU-Kommission instrumentalisieren lässt, um den unliebsamen öffentlichen Bankensektor in Deutschland auszuhebeln. Ist das so?

Ich kenne diesen Vorwurf. Er ist unbegründet. Abgesehen davon, dass wir keinerlei rechtliche Befugnis dazu haben, warum sollte die Kommission auf so eine einfältige und politisch absurde Idee kommen?

Teilprivatisierungen werden bereits diskutiert. Am Freitag war eine Delegation der WestLB, gegen die sich unter anderem die Beschwerde richtet, bei EU-Wettbewerbskommissar Monti und Ihnen. Jetzt wird das Thema im Bundesfinanzministerium erörtert. Was gibt es Neues im Bankenstreit?

Die letzten Gespräche waren der Startschuss für eine wettbewerbskonforme Lösung.

I nwiefern?

Einzelne Elemente des Konzeptes der WestLB, die in ein öffentliches und ein privates Institut aufgespalten werden soll, möchte ich nicht kommentieren. Naturgemäß gibt es aber eine Reihe von Fragen.

Welche?

Es geht auch um Formen der Sicherung wie die so genannte Patronatserklärung, die der neuen privaten Tochter Sicherheit geben soll. Darüber muss man nachdenken.

Gerade die öffentlichen Garantien für die Institute sind umstritten. Kommt man hier nicht vom Regen in die Traufe?

Übergangsregelungen sollte man nicht von vornherein ausschließen. Einen Sprung ins eiskalte Wasser darf bei derart tiefgreifenden strukturellen Veränderungen im deutschen Sparkassensektor keiner erwarten.

Der Bankenstreit hat deutsche Kommunalpolitiker auf die Barrikaden getrieben. Mancheiner sorgt sich um seine wirtschaftliche Gestaltungsfreiheit und das im Grundgesetz verankerte Recht auf kommunale Selbstverwaltung. Ist die so genannte Daseinsvorsorge mit EU-Wettbewerbsrecht vereinbar?

Die ultimative Antwort darauf kann es nicht geben. Die Rahmenbedingungen ändern sich und auch die Politik. Heutzutage werden Aufgaben der Daseinsvorsorge auch von Privaten übernommen. Heute sind partnerschaftliche Lösungen an der Tagesordnung. Die prüfen wir von Fall zu Fall. Eine Bestandsgarantie für wettbewerbsfeindliche Strukturen aber wird es nicht geben.

Die Leute haben den Eindruck, Brüssel mischt sich immer öfters ein, ob bei den Sparkassen oder sonstwo. Was reizt Sie an einem Job, mit dem Sie sich derart unbeliebt machen?

Wir treten für die Rechte der Verbraucher im Binnenmarkt ein. Wir sind dazu verpflichtet, diese Rechte zu schützen. Uns fällt ja nicht plötzlich ein, dass wir uns hier oder dort einmal einmischen könnten. Wer diesen Eindruck erweckt, ist nicht seriös. Wir reagieren regelmäßig auf Beschwerden in konkreten Fällen und sorgen dafür, dass die Spielregeln im europäischen Wettbewerb eingehalten werden; zum Vorteil aller.

Wettbewerb kann zum Verdrängungsprozess führen, der Wenige überleben lässt. Wem nützt das?

Fairer Wettbewerb und offene Märkte sind immer im Interesse der Bürger. Wettbewerb führt zum Misserfolg der weniger leistungsfähigen Marktteilnehmer, aber vor allem zum Erfolg der besonders Einfallsreichen.

Fusionen sind an der Tagesordnung und fördern die Marktmacht. Gerade diese Macht wollen Sie verhindern. Könnte man sagen, dass die EU-Wettbewerbskommission an der Globalisierung scheitert?

Was heißt denn Globalisierung? Mehr Wettbewerb auf größeren Märkten! Also brauchen wir auch mehr Schiedsrichter, die auf die Einhaltung der Wettbewerbsspielregeln achten. Wettbewerb ist ja kein Faustrecht des Stärkeren.

Aber die Dimensionen verändern sich. Brauchen wir ein Weltkartellamt?

Unter den heutigen Bedingungen wäre das unrealistisch. Wir brauchen aber wirksamere internationale Strukturen, weil die Globalisierung fortschreitet. Der Bürger muss begreifen können, welche Vorteile er von der heutigen Wirtschaftsordnung hat. Die Proteste in Seattle, Prag oder Davos zeigen, dass es ein beträchtliches Maß an Unbehagen gibt. Immer mehr Menschen fragen sich, auf Grund welcher Legitimation manche Unternehmen über die Kontinente hinweg ihr tägliches Leben beeinflussen und wer noch in der Lage ist, solche Mammutkonzerne zu kontrollieren. Können wir darauf keine befriedigende Antworten geben, wird unsere Wirtschaftsordnung in Misskredit geraten.

Hat man je versucht, auf Sie Einfluss zu nehmen?

Das ist schwer zu leugnen.

Wie denn?

Das kommt auf den Fall an. Doch die Wettbewerbsbehörde muss der Anwalt des Verbrauchers bleiben. Der Verbraucher hat immer die schwächste Lobby.

Wie unabhängig ist die EU-Wettbewerbsbehörde?

Die Vorwürfe, die ich in den letzten Jahren gehört habe, lassen eher vermuten, dass man uns für zu unabhängig hält. Die nicht begründete Standardkritik lautet nämlich, die in Brüssel machen, was sie wollen.

Herr Schaub[40 Jahre hat es keine Einwände g]

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