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Wirtschaft: Interview mit Frau Roth-Behrendt, Sprecherin der sozialdemokratischen Fraktion im europäischen Parlament für Umwelt, Verbraucherschutz und Volksgesundheit

Frau Roth-Behrendt, essen Sie britisches Rindfleisch?Nein, ich komme gar nicht in die Situation, mir das zu überlegen, weil zur Zeit nirgendwo Fleisch aus Großbritannien verfügbar ist.

Frau Roth-Behrendt, essen Sie britisches Rindfleisch?

Nein, ich komme gar nicht in die Situation, mir das zu überlegen, weil zur Zeit nirgendwo Fleisch aus Großbritannien verfügbar ist. Es gibt weder in Deutschland britisches Fleisch - wir waren nie ein großer Abnehmer von englischem Rindfleisch -, und auch die Belgier haben genug eigenes Fleisch. Und in Großbritannien selbst bin ich nie.

Wären Sie dort, würden Sie dann British Beef essen?

Ja, wenn ich weiß, wo es herkommt.

Haben Sie keine Angst, dass das Fleisch nach wie vor BSE-verseucht sein könnte?

Ich habe nicht mehr Angst als ich bei vielen anderen Dingen haben müsste. Ich muss mir in Belgien viel mehr Sorgen machen, wenn ich Schweinefleisch und Eier esse oder Milch trinke. In Deutschland übrigens manchmal auch.

Glauben Sie, dass die Kontrollen in Großbritannien ein wirksamer Schutz gegen BSE sind?

Die Briten müssen nicht nur strenge Kontrollen durchführen, sondern auch sehr genau dokumentieren, dass die Voraussetzungen, die zur Aufhebung des Exportstopps geführt haben, erfüllt sind. Sie müssen nachweisen, aus welchen Herden die Tiere stammen und ob die Tiere einen Pass haben. Ich glaube, das funktioniert. Die Kontrollen in Großbritannien sind schon im eigenen Interesse der Briten so gut, wie ich es mir in anderen Ländern nur wünsche.

BSE-Rinder, Dioxin-Schweine und -Hühner, was ist faul in Europas Agrarwirtschaft?

Sie sollten fragen: Was ist faul in der Agrarindustrie insgesamt? Die Probleme sind nicht auf Europa beschränkt. Alle Länder, die stark industriell wirtschaften, haben ähnliche Probleme. Und die hängen mit der Agrarindustrie zusammen. Wir haben zugelassen, dass wir große Mengen möglichst billig produzieren. Wir haben bestimmte Agrar-Produkte subventioniert. Das mussten wir, damit bestimmte Bereiche überleben konnten. Das hat zu dem Ergebnis geführt, dass es lukrativ ist, bestimmte Dinge anzubauen. Wenn man in Spanien für einen Hektar Flachs noch einmal genauso viel als Prämie bekommt wie der Anbau kostet, dann lohnt sich das für den Bauern, egal, was hinterher mit dem Flachs passiert. Davon wegzukommen, ist sehr schwer, denn da hängen immer Menschen und Arbeitsplätze dran - nicht nur die Bauern, sondern auch die Schlachthöfe, die Fleischer, die Spediteure und die Wurstfabriken.

Welche Schuld trifft die Verbraucher?

Die Verbraucher sind keine Opfer. Jeder muss wissen, dass von einem Produkt immer mehrere Leute leben wollen. Wenn ein Ei im Verkauf zehn Pfennig kostet, sind es in der Herstellung nur zwei. Ich habe kein Mitleid mit Verbrechern, die Glykol in Wein schütten oder Tiere mit Altöl füttern, aber ich habe genauso wenig Verständnis für Menschen, die glauben, sie können ein Huhn von einem Kilo für 3,50 DM kaufen und bekämen dafür ein freilaufendes Qualitäts-Huhn.

Das heißt, wenn die Leute nicht mehr ausgeben wollen, werden wir immer Lebensmittel-Skandale haben?

Ja. Belgien und Dioxin, das hätte auch überall sonst passieren können. Ein hoher Preis muss keine Garantie für ein hochwertiges Lebensmittel sein. Aber ein niedrigerer Preis birgt ein höheres Risiko. Natürlich wollen Bauern ihre Kunden nicht umbringen, aber sie wollen existieren. Der Markt ist sehr eng geworden. Man kann nicht ernsthaft glauben, dass man zu Reichelt an die Tiefkühltruhe geht und dort ein Hühner-Frikassee-Fertiggericht für 4 DM kauft, in dem es nicht Lebensmittel-Zusatz- und andere Stoffe gibt. Und auch die will man dann noch möglichst billig produzieren. Wenn dann ein Aufschrei durch die Nation geht, bin ich ganz überrascht.

Viele Menschen sagen, sie können sich keine teuren Lebensmittel leisten . . .

Ja, viele Menschen müssen das kaufen, was so preiswert wie möglich ist. Die haben ebenfalls einen Anspruch darauf, gesund ernährt zu werden. Deshalb werde ich alles dafür tun, dass wir endlich eine Verordnung für Futtermittel bekommen und dass die Mitgliedsländer auch kontrollieren. Aber diejenigen, die sich leisten können, etwas mehr für Lebensmittel auszugeben, die sollten das auch tun. Sie bekommen bessere Produkte, und sie drehen die Spirale in der Produktion um.

Wer kann dafür sorgen, dass es künftig weniger Lebensmittelskandale in der EU gibt?

Die Verbraucher sind der wichtigste Teil, sie entscheiden an der Kasse. Dann entscheiden die Gesetzgeber - das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente. Und dann sind noch diejenigen zuständig, die kontrollieren, ob unsere Gesetze auch eingehalten werden. Das sind die Mitgliedsländer. Die wollen aber so wenig Geld wie möglich für Kontrollen ausgeben. Lebensmittelkontrolleure gibt es nicht in ausreichender Zahl. Wissen Sie, dass jetzt für Fischmehl ein Grenzwert für Dioxin festgelegt werden soll? Das ist doch pervers. Denn ein Stoff, der so giftig ist, dürfte überhaupt nicht im Fischmehl erlaubt sein.

Und warum ist er das dennoch?

Wenn wir sagen, Fischmehl darf kein Dioxin enthalten, dann würde kein einziger Fisch aus der Ost- und der Nordsee mehr genommen werden dürfen.

Dann dürfte man die Fische aber auch nicht mehr essen?

Ja, das wäre der nächste Punkt. Aber es ist doch völlig klar: Wenn man über Jahrzehnte hinweg Öle verklappt, dann dürfen wir nicht erwarten, dass die Fische gesund bleiben. Ich sag Ihnen ehrlich: Fleisch aus England hat keinen großen Schrecken mehr für mich. Außerdem fürchte ich amerikanische Steaks mehr.

Aber angeblich sind die Wachstumshormone doch gar nicht so schädlich.

Ich weiß. Vertreter vom Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz behaupten: Wenn ich einen Liter Milch trinke, dann hätte ich genauso viele Östrogene zu mir genommen. So etwas zu sagen, ist grob fahrlässig und unverantwortlich.

Frau Roth-Behrendt[essen Sie britisches Rindfleis]

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