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Wirtschaft: Jeder zweite Chef fällt durch

Eine Studie für das Arbeitsministerium zeigt: Die Deutschen arbeiten gern, werden in den Firmen aber nur unzureichend gefördert

Berlin – Erwerbstätige in Deutschland haben grundsätzlich eine positive Einstellung zu ihrer Arbeit. Eine interne Studie des Bundesarbeitsministeriums, die dem Tagesspiegel vorliegt, kommt zu dem Ergebnis, dass die Beschäftigten bereit sind, ihre Fähigkeiten in die Arbeit einzubringen – unabhängig vom Geschlecht, Alter und der Art des Beschäftigungsverhältnisses. Doch Unternehmen nutzen die Potenziale ihrer Mitarbeiter häufig nicht ausreichend. Das Fazit der Studie: Wenn Vorgesetzte das Arbeitsumfeld ihrer Beschäftigten anders gestalten, könnten sie auch deren Leistungen steigern.

Für die 270-seitige Untersuchung „Was ist gute Arbeit?“ befragte die Soziologin Tatjana Fuchs vom Internationalen Institut für Sozialökonomie (Inifes) 5400 Beschäftigte. Erhoben wurde, wie sie ihre aktuelle berufliche Situation beschreiben und wie sie unabhängig von ihrem Job gute Arbeit definieren.

Für Arbeitnehmer ist die Einkommens- und Beschäftigungssicherheit zentral: Dazu gehören ein sicherer Job, ein unbefristetes Arbeitsverhältnis und regelmäßige Einkommenssteigerungen. Wenn das Einkommen aus Sicht der Erwerbstätigen in keinem adäquaten Verhältnis zur Leistungsanforderung stehe, sei dies demotivierend. Wer ein sehr geringes Einkommen hat, bei dem kommt noch die Unsicherheit dazu: Wer häufig in Sorge lebe, am Monatsende laufende Rechnungen nicht mehr bezahlen zu können, erlebe dies als „massiven Stresszustand“.

Daran schließen sich sinnliche und kreative Aspekte der Arbeit an: Arbeit soll Spaß machen, als sinnvoll empfunden werden, Mitarbeiter wollen stolz sein auf das, was sie tun. Eine wichtige Rolle spielen auch soziale Aspekte: Arbeitnehmer wollen von ihren Vorgesetzten in erster Linie „als Menschen“ wahrgenommen und geachtet werden, nicht lediglich als Arbeitskraft. Sie halten es für wichtig, dass kollegiale Zusammenarbeit unterstützt wird. Außerdem legen sie Wert auf eine gewisse Gerechtigkeit im Unternehmen: So sprechen sich mehr als zwei Drittel der Befragten dafür aus, die Einkommensunterschiede zwischen sehr hohen und sehr niedrigen Einkommen zu begrenzen.

Die heutige Arbeitsrealität entspricht den Vorstellungen von guter Arbeit allerdings häufig nicht. Zwar fühlt sich ein hoher Anteil der Beschäftigten (83 Prozent) von den Kollegen unterstützt und berichtet von einem guten sozialen Arbeitsklima im Betrieb. Doch Vorgesetzte bekommen nicht besonders gute Noten: Nur jeder zweite Arbeitnehmer (52 Prozent) berichtet, er werde von seinen Chefs sozial und fachlich unterstützt. „Auffällig ist, dass es vielen Vorgesetzten anscheinend nicht gelingt, ausreichend Anerkennung zu vermitteln“, heißt es in der Studie. Häufig mangele es bei den Chefs ebenso an fachlichen beziehungsweise organisatorischen Fähigkeiten wie einer guten Arbeitsplanung oder einem geeigneten Umgang mit Konflikten.

Die Möglichkeiten, sich weiterzubilden, sind nach Ansicht vieler Arbeitnehmer unzureichend. Rund 70 Prozent der Befragten haben im vergangenen Jahr entweder an keiner Weiterbildungsmaßnahme teilgenommen oder lediglich an einer Maßnahme, die sie weder in ihrem Beruf weitergebracht hat noch die allgemeine Qualifikation verbessert hat. Den Erwerbstätigen fehle damit eine Grundlage, „um mit fortwährend steigenden Anforderungen Schritt zu halten“.

Als Belastung nehmen die Beschäftigten folgende Faktoren war: die Unsicherheit über den Arbeitsplatz, einseitige oder körperlich schwere Arbeit, komplexe Arbeitsanforderungen – etwa die Vorgabe, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen –, Probleme bei der Arbeitsorganisation, aber auch geringe Einflussmöglichkeiten. Je höher die „Fehlbeanspruchungen“ sind, desto unmotivierter sind die Mitarbeiter. Laut der Studie sind bei 84 Prozent der Arbeitsplätze entweder die Beanspruchungen zu hoch, die Möglichkeiten zu gering – oder die Löhne nicht existenzsichernd.

Dabei zahlen sich bessere Arbeits- und Einkommensbedingungen auch für den Arbeitgeber aus: Je höher die wahrgenommene Arbeitsqualität ist, desto ausgeprägter sind Arbeitsstolz und die Begeisterung über die Arbeit. Das spiegelt sich auch in einer hohen Verbundenheit mit dem Arbeitgeber wider. Arbeitnehmer, die unter guten Bedingungen arbeiten, fühlen sich zudem in der Regel gesund. Sie halten es für sehr wahrscheinlich, dass sie in ihrer Tätigkeit das Rentenalter erreichen werden.

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