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Kampf um kritische Rohstoffe: US‑Konzerne überholen Europa beim Zugriff auf seltene Erden
US‑Rüstungsunternehmen sichern sich seltene Erden deutlich schneller als ihre europäischen Konkurrenten. Chinas Exportkontrollen verschärfen den Wettlauf. Erste Hersteller warnen vor Engpässen.
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Europa startet eine historische Aufrüstung – doch bei seltenen Erden, die für moderne Waffensysteme unverzichtbar sind, geraten Hersteller zunehmend unter Druck.
Wie „Bloomberg“ berichtet, sichern sich US‑Rüstungsunternehmen die knappen Rohstoffe deutlich schneller als europäische Konkurrenten. Zwar gilt zwischen Washington und Peking ein einjähriger Waffenstillstand im Handelskonflikt über seltene Erden, doch China hält strikte Exportkontrollen aufrecht und untersagt Verkäufe an Waffenproduzenten. Die Vorräte außerhalb Chinas werden damit noch wertvoller und könnten in Europa bereits in wenigen Monaten knapp werden.
„Wenn wir schauen, wie lange es im Schnitt dauert, an einen europäischen Partner zu verkaufen, sprechen wir über drei bis vier Wochen. Bei den Amerikanern sind es eher drei bis vier Tage“, sagt Tim Borgschulte, Finanzchef des Berliner Rohstoffhändlers Noble Elements, zu „Bloomberg“. Ein Insider aus einem europäischen Rüstungsunternehmen warnte dem Bericht zufolge, die schwindenden Lagerbestände könnten die Produktion schon bald beeinträchtigen.
Nach Angaben von „Bloomberg“ setzen US‑Konzerne ihre finanzielle Stärke und Lieferkettenkenntnis ein, um frühzeitig Rohstoffe zu sichern und sie bis zu den Zulieferern weiterzureichen. Das reduziere die Kontrolle einzelner Transaktionen und verdecke Teile der Lieferkette – als Absicherung gegen potenziell strengere chinesische Vorgaben.
Europäische Rüstungsunternehmen hingegen handelten häufig unkoordiniert. Borgschulte kritisierte, viele wüssten nicht, welche Mengen und Qualitäten sie benötigten.
Jan Giese vom Frankfurter Händler Tradium formuliert es im „Bloomberg“-Bericht so: „Die Amerikaner haben ein Dringlichkeitsgefühl, eine finanzielle Macht und Menschen mit sowohl Mandaten als auch Expertise, die Entscheidungen treffen – alles Dinge, die Europa schmerzlich fehlen.“
Ein Insider eines deutschen Rüstungsunternehmens sagt demnach, US‑Konzerne seien in Europa deutlich aggressiver unterwegs und kauften die knappen Mengen zügig auf – oft zu hohen Preisen. Besonders begehrt seien derzeit seltene Erden aus China, die noch vor April 2025 exportiert wurden. Wegen der hohen Umschlagsgeschwindigkeit lasse sich kaum beziffern, wie viel Material tatsächlich im Umlauf sei. Da die EU den Weiterverkauf ins Ausland nicht begrenzt, können Bestände zudem leicht abfließen.
Europa ringt um eigene Versorgungsketten
Die USA fördern den Aufbau eigener Lieferketten, wie „Bloomberg“ berichtet: Sie halten eine staatliche Beteiligung am Minenbetreiber MP Materials, das Verteidigungsministerium garantiert dem Unternehmen über zehn Jahre Mindestpreise. Europa setzt seit 2024 auf den „Critical Raw Materials Act“, die Initiative RESourceEU soll in dieser Woche vorgestellt werden. Die deutsche KfW hat vor einem Jahr einen Rohstofffonds über eine Milliarde Euro aufgelegt.
Rheinmetall‑Chef Armin Papperger erklärte dem Bericht zufolge in einem Earnings Call Anfang November, man führe wöchentliche Stresstests bei kritischen Rohstoffen durch. Die Automobilsparte habe größere Schwierigkeiten als der Rüstungsbereich, weil sie mehr seltene Erden benötige. „Wir haben Milliarden in unserem Bestand im Moment“, sagte Papperger.
Hans Christoph Atzpodien, Vorsitzender des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, weist den Eindruck mangelnder Vorbereitung zurück, so „Bloomberg“. Die eigentliche Hürde liege in der Verarbeitung, die Europa lange nach China ausgelagert habe. Die Aufarbeitung erzeuge gefährliche Nebenprodukte, viele Länder verfügten nicht über die nötige Raffinationstechnik. In Frankreich hätten Unternehmen sogar pensionierte Spezialisten zurückgeholt, um verlorenes Know‑how wieder aufzubauen.
Deutschland verhandelt über ein mögliches U‑Boot‑Geschäft mit Kanada, das auch Investitionen in dortige Rohstoffprojekte einschließen könnte. Kanada verfügt nach Regierungsangaben über 15,2 Millionen Tonnen seltener Erden. Europa müsse enger zusammenarbeiten, sagt Thorsten Benner vom Global Public Policy Institute laut „Bloomberg“: „Es hat zu heißen: ‚Whatever it takes‘ – wie in der Eurokrise.“ (bef)
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