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Werbebranche: „Es lohnt sich wieder, sich zu bewerben“

Was angehende Werber für eine Karriere mitbringen müssen verrät der GWA-Präsident Holger Jung.

Herr Jung, Sie haben es als klassischer Quereinsteiger zum Präsidenten des Gesamtverbandes Kommunikationsagenturen (GWA) geschafft. Sie haben Ihr Jura-Studium nach sechs Semestern abgebrochen und Ihre Werberkarriere begonnen. Ist ein solcher Einstieg heute so noch möglich?

Es war immer ein Weg, aber der berühmte Ausnahmeweg. Als ich 1977 bei Lintas startete, war ich als Studienabbrecher durchaus Exot. Man muss als Quereinsteiger schon etwas bieten, was den Entscheider fasziniert, und wenn es Neugier, Leidenschaft und Talent ist. Springt nichts über, hat man keine Chance. Die Norm ist der klassische Weg.

Wie sieht der aus?

Ein Bewerber muss bewiesen haben, dass er gelernt hat zu lernen – und das lernt man an der Uni. Mit einem abgeschlossenen Studium demonstriert man auch, dass man eine Sache konsequent zu Ende bringen kann. In einer Agentur brauchen die Leute diese Fähigkeit, weil sie sich immer wieder schnell in neue Bereiche hineindenken müssen.

Bedarf es denn überhaupt eines Studiums, um in einer Agentur zu arbeiten?

Die Akademisierung kommt ja, weil ich dem Kunden Beratungskandidaten bieten möchte, die auf Augenhöhe sind. Das mag im kreativen Bereich völlig anders sein, aber in der Beratung und Strategie wird auf akademische Abschlüsse geachtet. Der klassische Weg ist wie immer geprägt durch Disziplin, durch Fleiß und das eifrige Bemühen, die richtige Art von Know-how zu erwerben. Es ist wichtig, an welchen Schulen, Fachhochschulen und Hochschulen et cetera pp. sie ihre Erfahrungen gesammelt haben.

Was also muss jemand mitbringen, der in einer Agentur Karriere machen will?

Neben Talent und Disziplin braucht er ein hohes Maß an Geduld und Nehmerqualitäten. Eine wichtige Eigenschaft ist, dass man für seine Ideen kämpft, dass man aber nicht auf eine gusseiserne Art verstockt. Unsere Arbeit ist zu einem guten Teil abstrakt. Es ist auch eine Frage, ob man sich dazu berufen fühlt, sich mit einer virtuellen Ware zu beschäftigen. Nichts anderes ist Werbung.

Häufig haben Einsteiger falsche Vorstellungen von Werbeagenturen.

Viele denken, dass es in Agenturen lässig zugeht, weil Werbung lässig daherkommt. Die geniale Headline fällt einem nicht auf dem Klo oder nachts um drei in der Disse ein. Ideen sind das Ergebnis harter Arbeit. Deswegen ist die Förderung von Nachwuchs auch so wichtig.

In den letzten Jahren haben sich die meisten Agenturen damit aber zurückgehalten.

Die großen Agenturen haben schon immer in Aus- und Weiterbildung investiert. Der GWA hat sich das Thema schon immer auf die Fahnen geschrieben. Wir bei Jung von Matt zum Beispiel bieten pro Jahr etwa 20 Leuten eine Ausbildung an, viele übernehmen wir später auch. Nach dem Platzen der New-Economy-Blase mussten einige Agenturen sparen. Seit letztem Jahr steigen die Investitionen in Aus- und Weiterbildung wieder: Es lohnt sich wieder, sich zu bewerben.

Sind Praktika die Eintrittskarte in die Agenturwelt – oder sind Praktikanten für Agenturen doch eher billige Arbeitskräfte?

Von allen Seiten wird den jungen Leuten empfohlen, Praktika zu absolvieren, und deshalb werden viele gemacht. Den Vorwurf, dass Agenturen sich auf diese Weise mit billigen Arbeitskräften versorgen, lehne ich ab. Es ist ja nicht nur so, dass die Agenturen sich die Kandidaten anschauen, sondern die Kandidaten auch die Agenturen. Wenn die dann bei einem Praktikum zu dem Ergebnis kommen, dass das Arbeiten in der Agentur dann doch nichts für sie ist, dann ist das auch ein sehr gutes Ergebnis eines Praktikums. Dann erspart man sich wechselseitig Enttäuschungen. Die praktische Erfahrung ist sowohl für die Agentur als auch den Bewerber wichtig. Es passt nicht jeder in dieses Business.

Seit fünf Jahren veranstaltet der GWA die GWA Junior Agency. Was können die Teilnehmer, die sich ein Semester lang durch den Entstehungsprozess einer Kampagne kämpfen, lernen?

Sie haben es schon selber genannt: Kampf. Vom Auftrag, der ersten Idee, der Entwicklung der Kampagne bis hin zur Präsentation. Und dann auch das Ergebnis dieses schöpferischen Aktes über alle Klippen zu tragen. Und eines ist ganz wichtig: Die Verführung der Form ist groß. Perfekte Darreichungsform ist nicht gleich perfekter Inhalt.

Wie nah ist der Wettbewerb an der Realität?

Das Ganze ist im Grunde ein Super-Praktikum. Hier werden die unterschiedlichsten Disziplinen vereint. In dieser Konzentration bekommt man die Leute nur selten zusammen: ein Treffen von Studenten aus der Kreation mit Studenten aus der Beratung, Hochschullehrern, Agenturen, Medien und letztlich realen Kunden. Und: Näher als am goldenen Löwen kann man eigentlich nicht sein. (Red.: Zusammen mit der Werbeagentur BBDO Stuttgart gewannen die Studenten des Masterstudiengangs „Communication Management“ einen goldenen und einen silbernen Löwen beim wichtigsten Werbefestival der Welt in Cannes.)

Die Fragen stellte Sven Scheffler.

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