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ZUR PERSON: „Hirndoping wird der neue Trend!“

Denkanstöße auf Rezept: Lässt sich der Geist aufputschen? An Unis und im Büro gehören die Lernpillen längst dazu. Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky über das Doping fürs Hirn

Herr Jánszky, beim Zukunftskongress vor wenigen Tagen in Halle haben Sie mit 200 Innovationschefs aus der Wirtschaft die Trends der Zukunft erörtert. Als kommenden großen Trend haben Sie Hirndoping prognostiziert. Was bedeutet das genau?

Neue Studien belegen, dass die Leistungen des Gehirns durch Medikamente nachweislich gesteigert werden können. Die Experten benutzen dafür den Fachbegriff „Neuro Enhancement“. Vor allem Studenten nutzen diese Mittel, um sich auf Prüfungen vorzubereiten.

Wer Pillen schluckt, kann besser denken?

Ja, Hirnforschungen in der Neurobiologie haben gezeigt, dass das Gehirn bei Denk- und Lernprozessen verstärkt einen Botenstoff ausschüttet: Dopamin. Je mehr Dopamin, desto erfolgreicher waren die Lernleistungen. Wer also Medikamente nimmt, die die Dopamin-Produktion anregen, kann seine Hirnleistung deutlich steigern: Man ist konzentrierter und wird nicht so schnell müde. Wir sprechen deshalb auch von Neuro-Pushern.

Wer nutzt das denn? Nehmen etwa Studenten diese Neuro-Pusher?

Hier in Deutschland fehlt noch eine seriöse Untersuchung dazu. Aber in den USA nutzen inzwischen laut aktuellen Studien 16 bis 25 Prozent aller Studenten vor wichtigen Prüfungen diese Medikamente.

Wie kommt es zu diesem Trend?

Unter amerikanischen Studenten hat sich herumgesprochen, dass Piloten der US-Air Force die Medikamente benutzen, um die Informationsaufnahme ihres Gehirns zu beschleunigen. Diese Information hat sich über soziale Netzwerke wie MySpace sehr schnell verbreitet – auch nach Deutschland.

Aber diese Medikamente gibt es doch nicht frei verkäuflich in der Apotheke.

In den Online-Apotheken können Sie ohne Probleme fast alles bestellen. In den letzten Monaten ist der Verkauf des Parkinson-Medikaments Sinemed und des Medikaments Modafinil gegen die sehr seltene Schlafkrankheit Narkolepsie sprunghaft angestiegen.

Was sagt die Pharmaindustrie dazu?

Von der Pharmaindustrie werden Sie zu diesem Thema vorläufig nichts hören. Das ist denen noch zu heikel. Die Reaktionen in weiten Teilen der Bevölkerung wären ganz sicher negativ. Aber wenn Sie sehen, welche Studien die Pharmaindustrie derzeit mit viel Geld unterstützt, können Sie daraus ihre entsprechenden Schlüsse ziehen: Die Branche nutzt aus, dass die Medikamente auch eingesetzt werden, um die Hirnleistungen zu verbessern. Da tut sich ein neuer Massenmarkt auf, der nicht nur auf Demenzkranke beschränkt ist.

Sie sprechen von Studien, die von der Pharmaindustrie unterstützt werden. Welche?

Ein Beispiel: An der Universität Münster wird die Wirkung von Dopamin auf das menschliche Gehirn untersucht. Gesucht werden Präparate gegen schwache Gehirnleistungen, vornehmlich für Schlaganfall-Patienten und Demenzkranke. Getestet wurden aber auch gesunde Studenten. Einer Gruppe wurde Dopamin gegeben, der anderen Gruppe ein Placebo. Dann ließ man beide Gruppen Vokabeln büffeln. All jene, die Dopamin genommen hatten, schnitten hinterher beim Test deutlich besser ab. Ihr Gedächtnis hatte die Vokabeln besser gespeichert. Sie können sicher sein, dass solche Ergebnisse viel Eindruck machen. Da entstehen große Chancen für neue Geschäftsmodelle. Nicht nur für die Pharmabranche, auch für die Foodindustrie.

Inwiefern soll diese denn daran mitverdienen?

Ganz einfach über neue Produkte. Was halten Sie vom Slogan „Margarine, die Ihre Kinder intelligenter macht“ oder „Joghurt, der Ihr Denkvermögen steigert“? Das wären sicherlich nur die Anfänge, aber was glauben Sie, wie sehr sich Eltern dafür interessieren würden. Auch andere Branchen werden sich fragen, wie Menschen ihren Körper weiter verbessern können. Und dass sie das wollen, ist unstrittig. Das wollen sie seit jeher.

Die Verbesserung des Körpers ist demnach ein dauerhafter Trend?

Ja, die Neuro-Pusher stehen nicht allein. Sie sind nur die logische Fortsetzung eines Trends, der seit Jahrhunderten andauert. Ziel ist es, den Körper besser und leistungsfähiger zu machen. Denken Sie an künstliche Kniegelenke, an Zahnprothesen, Haartoupets, an Brustvergrößerungen, an Augenlaser, Ohrringe, Tattoos, Piercings und vieles andere mehr. Oder denken Sie an Doping im Sport. Ein ganz wesentliches Körpermerkmal ist bislang überhaupt noch nicht beachtet: die Stimme. Ich bin sicher, dass hier Produkte entwickelt werden, mit denen wir künftig schönere Stimmen bekommen.

Eingriffe ins Hirn sind doch etwas anderes.

Ich glaube nicht, dass es so anders ist. Auch ihr Hirn und Bewusstsein manipulieren Menschen: beim Schokolade essen, beim Kaffee trinken, beim Kiffen, mit Alkohol, LSD und Zigaretten. Meiner Meinung nach ist es für die Menschen von zentraler Bedeutung, von ihren Mitmenschen wahrgenommen und respektiert zu werden. Zu diesen zentralen Werten gehört neben Schönheit ganz sicher auch Intelligenz. Bislang gab es kaum Möglichkeiten, ins Hirn einzugreifen. Jetzt sind sie da und ich bin mir sicher, dass das genutzt wird.

Was halten Sie persönlich davon?

Ich bleibe da eher neutral. Natürlich muss man diesen Trend nicht gut finden, aber es bringt auch nichts, ihn zu ignorieren. Wir müssen heute darüber reden und können versuchen, den Trend in die gewünschten Bahnen zu steuern, sowohl in ethischer Hinsicht als auch für Geschäftsmodelle der Zukunft.

Das ist aber nicht nur ein Thema für Trendforscher.

Natürlich nicht. In der Politik wird darüber auch schon gesprochen. Professor Bettina Schöne-Seifert, Mitglied des Nationalen Ethikrates der Bundesregierung, hat gesagt: ,So wie die Schönheitschirurgie unsere Vorstellung von normalem Aussehen wandelt, werden Neuro Enhancements die Normen verändern.' Die Debatte wird sicher noch wesentlich größer und heftiger. Vor allem dann, wenn sich die Industrie zu Wort meldet.

Sie erwarten verhärtete Fronten?

Ja, es ist aber auch ein schwieriges Thema. Die Kirche wird argumentieren, dass wir uns nicht künstlich verändern dürfen, dass es gottgegeben ist, wie wir sind. Andere Kritiker werden bestimmt anführen, dass durch die Einführung eines solchen Dopings für das Hirn gesellschaftliche Zwänge weiter zunehmen. Denn diejenigen, die sich künftig weigern, solche Präparate zu nehmen, können nicht die gleichen Hirnleistungen erbringen wie diejenigen, die sie nutzen. Hirnleistungen hängen dann vom Kontostand ab und nicht von den Erbanlagen.

Damit haben diese Kritiker aber nicht unrecht.

Das stimmt. Aber wer sagt denn, dass es fair ist, wenn die Menschen mit unterschiedlichen Merkmalen auf die Welt kommen? Menschen erhalten eben nicht von Natur aus die gleichen Startbedingungen. Man könnte argumentieren, dass ein Mensch, der mit weniger Intelligenz auf die Welt gekommen ist, das Recht hat, diese biologische Ungerechtigkeit mithilfe von neuen Technologien zu korrigieren. Er würde seine Chancen in der Schule, im Studium und im Berufsleben damit erheblich verbessern.

Wir reden über den Zukunftstrend Hirndoping. Wann, glauben Sie, wird die Gesellschaft direkt damit konfrontiert?

Ein Trend wird relevant, wenn er von den wichtigen Akteuren getrieben wird, von der Politik und der Wirtschaft. Die politische Diskussion ist angelaufen, und wie sie verläuft, entscheidet darüber, ob die Industrie treibender Akteur wird. Die Bereitschaft der Kunden, das sage ich voraus, ist vorhanden. Fünf Jahre wird es bestimmt noch dauern, aber keine zehn Jahre.

Das Gespräch führte Gero Lawecki. Der Beitrag ist dem Magazin „Junge Karriere“ entnommen

JOURNALIST

Sven Gábor Jánszky ist 35 Jahre alt. Er studierte Journalismus und Politik in Leipzig, in Berlin und in Budapest. Bis 2001 arbeitete er als Redakteur und Moderator für verschiedene ARD-Radios. Von 2002 bis 2005 war er Programmdirektor an der Universität Leipzig. Im Jahr 2003 leitete er dann den Aufbau des Messeradios bei der Internationalen Funkausstellung Ifa in Berlin.



TRENDFORSCHER

Im selben Jahr gründete Sven Gábor Jánszky auch den „forward2business-Think-Thank“.

Auf dem jährlichen Zukunftskongress auf Burg Giebichenstein in Halle (Saale) versammelt der Trendforscher Vertreter aus 200 deutschen Unternehmen.

Sie diskutieren dort über erfolgreiche Geschäftsmodelle der nächsten zehn Jahre.

EXTREMSPORTLER

Jánszky ist Extremsportler. Er hat den Kilimand-

scharo bestiegen und läuft außerdem regelmäßig Marathon.

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