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Ordnung ist wichtig für die Kreativität im Homeoffice, sagen Experten.

© Getty Images/iStockphoto

Kreativität im Homeoffice: Ideenschmiede Wohnzimmer

Können gute Ideen auch zu Hause entstehen? Das gelingt, wenn Mitarbeiter ein paar Dinge beachten, sagen Wissenschaftler.

Wochenlang haben die Mitarbeiter der Werbeagentur GlückBerlin von zu Hause aus gearbeitet. Noch immer sind sechs von 15 im Homeoffice. Auch in dieser Zeit haben die Beschäftigten kreative Ideen entwickelt und Aufträge an Land gezogen, sagt Bastian Meneses von Arnim. Der Agenturchef ist trotzdem kein Freund des Homeoffice. Denn: „Die richtig geile Idee entsteht im Team.“

Im Team, das gemeinsam in einem Raum sitzt und erst dadurch ein „bestimmtes Gefühl“ entwickelt. „Ich glaube nicht daran, dass das langfristig über die Distanz geht“, sagt Meneses von Arnim.

Fließt die Kreativität also nicht im Wohnzimmer? Darüber scheiden sich die Geister. Das Thema ist noch wenig erforscht. Eine aktuelle Untersuchung darüber stammt von Wissenschaftlern der Leibniz-Universität Hannover und der Universität zu Köln. Das Ergebnis: Auch ohne persönliche Arbeitstreffen ist Kreativität möglich, sofern die richtigen Kommunikationsmedien genutzt werden – vor allem die Videokonferenz.

„Bei der Kommunikation per Videokonferenz ist der Unterschied zur persönlichen Kommunikation nicht signifikant“, sagt Marina Schröder, Professorin am Institut für Wirtschaftspolitik der Leibnitz Universität Hannover. Beim Austausch via Chat hingegen sei die kreative Leistung erheblich geringer.

„Das Resultat finde ich ermutigend“, sagt Schröder. Allerdings gibt sie zu bedenken, dass die Untersuchung nicht alle Faktoren abgedeckt hat, die darüber entscheiden, in welchem Maße Kreativität entsteht. Man müsse daher weiter forschen – und dazu im Idealfall auch mit Unternehmen kooperieren.

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Wäre das Unternehmen GlückBerlin im Boot, hätte der Chef eine klare Botschaft: „Wir waren erfolgreich, aber nur, weil alle wussten, was die Stunde geschlagen hat“, sagt Meneses von Arnim. Angesichts der großen Unsicherheit hätten die Mitarbeiter die Zähne zusammengebissen und an einem Strang gezogen. Mehr Spaß aber mache die gemeinsame Arbeit. Und Spaß ist bekanntlich ein Baustein für Kreativität und Erfolg.

Die "hybride Form" könnte besonders effizient sein

Auch Christoph Pietsch findet, dass der Austausch von Auge zu Auge in der Homeoffice-Zeit fehlt. Noch immer arbeiten drei Viertel der 350 Mitarbeiter der Werbeagentur DDB von zu Hause aus, eine Zeit lang war niemand im Büro. „Die nonverbale Kommunikation, das Stirnrunzeln, das Augenrollen, das Lächeln – all das kommt über den Bildschirm nicht ausreichend rüber“, sagt der Marketing-Vorstand der Agentur. Das Zwischenmenschliche gehe verloren, wenn alle zu Hause sitzen.

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Dabei diene genau das der Ideenfindung. Auf der anderen Seite sieht er auch Positives in der aufgezwungenen Distanz: „Die Restriktionen haben zu schnelleren Entscheidungen geführt“, sagt er. Man habe in der Kaffeeküche ein Thema nicht noch einmal diskutiert, nicht „noch eine Schleife gedreht“. Pietsch ist nach den Erfahrungen der vergangenen Monate daher überzeugt, dass es sinnvoll wäre, eine neue Form der Arbeit zu etablieren: Er nennt es die „hybride Zwischenform“ aus Homeoffice und gelegentlichen persönlichen Treffen zum Austausch.

Homeoffice könnte "Riesenchance" sein

Rainer Matthias Holm-Hadulla geht noch einen Schritt weiter. Er sieht im Homeoffice eine „Riesenchance“. Der Kreativitätsforscher und Professor für Psychotherapeutische Medizin an der Universität Heidelberg ist der Meinung, dass die Mitarbeiter gute Ideen im Homeoffice oft sogar besser als im Büro entwickeln. Denn zu Hause könne man seinem individuellen Biorhythmus entsprechend arbeiten, im Büro nicht. „Wer zum Beispiel morgens nach dem Aufstehen besonders kreativ ist, diese Zeit aber aufwenden muss, um sich anzuziehen und ins Büro zu fahren, hat die besten Momente des Tages vertan“, sagt der Wissenschaftler.

Das Kreative entstehe „im Zusammenspiel zwischen Freiraum und Struktur“. Das heißt: Sofern man seinen Rhythmus selbst bestimmen kann, kann man auch seine Freiräume selbst bestimmen. Genau diese Momente, die dann einsetzenden Phantasieschleifen im Kopf, fördern die Kreativität. Ebenso wichtig sei aber auch, dass man sich organisieren kann, sagt Holm-Hadulla. Den Unternehmen empfiehlt der Experte deshalb, ihre Mitarbeiter anzuleiten.

Feierabend-Bier per Videokonferenz

Meneses von Arnim hat nichts gegen Freiräume. Gerade in der Krise habe man mehr denn je gelernt, seinen Mitarbeitern zu vertrauen. Er glaubt aber, dass viele Angestellte lieber im Büro arbeiten. „Das ist wie eine Familie“, sagt er. „Wenn man sich nicht sehen kann, fehlt einem doch etwas.“ Vor allem aber hänge die Frage, ob das heimische Wohnzimmer ein guter Arbeitsort ist oder nicht, von der Art der Tätigkeit ab. „Muss ich 40 Seiten durchtexten, ist das Homeoffice gut“, sagt er.

Innovatives aber entstehe in der Gemeinschaft. Der GlückBerlin-Chef hat zumindest auflockernde Elemente in die virtuellen Konferenzen eingestreut. So wurde freitagabends weiterhin das traditionelle Feierabend-Bier getrunken. Nur haben sich die Beschäftigten von zu Hause aus zugeprostet.

Sabine Hölper

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