Studie zu Schattenwirtschaft: Mindestlohn fördert Schwarzarbeit
Laut einer Studie soll die Schwarzarbeit in diesem Jahr um 1,5 Milliarden Euro zunehmen. Forscher führen das auf den Mindestlohn zurück – Gewerkschafter halten das für Unsinn.
Der seit Januar geltende Mindestlohn erhöht die Schattenwirtschaft in Deutschland einer Studie zufolge in diesem Jahr um 1,5 Milliarden Euro – und verhindert so erstmals seit Jahren einen weiteren Rückgang von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung. Ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) bleibt daher unverändert bei 12,2 Prozent, wie aus einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Tübinger Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) und der Universität Linz hervorgeht. Demnach war der Wert hierzulande mit Ausnahme des Krisenjahrs 2009 seit 2003 Jahren rückläufig. Gewerkschafter warnten davor, den Mindestlohn von 8,50 Euro zu verteufeln.
„Die aktuelle Entwicklung ist auch durch den Mindestlohn bedingt“, erklärte IAW-Direktor Bernhard Boockmann, zu dessen Institut als Firmenmitglieder unter anderem der Autobauer Daimler und der Technikkonzern Bosch gehören. Ohne Mindestlohn hätten die robuste Konjunktur und die Lage auf dem Arbeitsmarkt für einen Rückgang der Schattenwirtschaft gesorgt. Mit dem Begriff werden sowohl Schwarzarbeit als auch illegale Beschäftigung und kriminelle Aktivitäten wie Hehlerei bezeichnet.
Kritiker: "Ideologisches Prestigeprojekt der SPD"
„Übersehen wird die starke ordnungspolitische Funktion des Mindestlohns“, betonte indes Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Berlin. „Das Argument Schwarzarbeit wird immer wieder missbraucht, um gegen Steuern, Sozialabgaben und höhere Löhne zu polemisieren, dabei ist der Zusammenhang keinesfalls eindeutig.“ Der gesetzliche Mindestlohn ist zum neuen Jahr bundesweit gestartet. Nach Angaben des Arbeitsministeriums profitieren 3,7 Millionen Menschen von der Untergrenze.
Nach Schätzung der Experten dürfte tatsächlich nur ein vergleichsweise kleiner Teil des Mindestlohns durch Schwarzarbeit umgangen werden. Denn die notwendigen Lohnsteigerungen in den dafür typischen Branchen liegen den Fachleuten zufolge insgesamt bei etwa sieben Milliarden Euro. Der erwartete Anstieg der Schattenwirtschaft von 1,5 Milliarden Euro durch den Mindestlohn ist wesentlich geringer. Kritiker sehen in ihm dennoch ein „ideologisches Prestigeprojekt der SPD“. „Der Einheitsmindestlohn ist ein Sonderkonjunkturprogramm für die Schattenwirtschaft“, erklärte etwa der baden-württembergische FDP-Landesvorsitzende Michael Theurer.
International steht Deutschland nicht so schlecht da
Schwarz gearbeitet wird dem IAW zufolge besonders häufig in Gaststätten, Hotels sowie Teilen der Bauwirtschaft. Auch bei persönlichen Dienstleistungen und in der Landwirtschaft werde vergleichsweise häufig am Fiskus vorbei verdient, hieß es. Auch und vor allem in Berlin: In der Hauptstadt entstand allein im vergangenen Jahr durch Schwarzarbeit ein Schaden von wenigstens 56 Millionen Euro. Die Dunkelziffer liegt vermutlich deutlich höher, denn der Betrag beziffert nur Verstöße, die vom Zoll aufgespürt wurden.
Im internationalen Vergleich steht Deutschland nicht so schlecht da, wie die Zahlen vermuten lassen: In anderen OECD-Staaten, die sich auch Demokratie und Marktwirtschaft verpflichtet fühlen, hat die Schattenwirtschaft einen größeren Anteil am Bruttosozialprodukt als in der Bundesrepublik. Am weitesten verbreitet ist die Schattenwirtschaft nach Angaben des IAW und der Uni Linz demnach in Griechenland, Italien, Portugal und Spanien, wo der Anteil am BIP zwischen 18 und 22 Prozent liegt. Deutschland liegt mit seinen 12,2 Prozent im Mittelfeld. (mit dpa)