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Wirtschaft: Mittelstand bleibt auf der Strecke

Bei millionenschweren öffentlichen Projekten drohen Kriterien, die nur große Konzerne erfüllen können

Berlin - Mittelständische Bauunternehmen fühlen sich vom Bund bei neuen Ausschreibungen für den Bau und Betrieb von Autobahnen gegenüber den großen Konzernen benachteiligt. Die Bedingungen, die derzeit für einen Abschnitt der A8 gemacht würden, seien unmöglich von Mittelständlern – auch nicht in Arbeitsgemeinschaften – zu erbringen, erfuhr der Tagesspiegel am Sonntag aus Branchenkreisen. Besonders schwerwiegend sei, dass es hier um ein Pilotprojekt gehe. Deshalb sei zu befürchten, dass die Ausschreibungsbedingungen auch bei zukünftigen Projekten angewandt würden.

Es sei außerdem zu erwarten, dass die Investitionen dann keinen positiven Effekt auf den heimischen Arbeitsmarkt haben dürften, denn als Subunternehmer beschäftigen die international tätigen großen Konzerne wegen des wachsenden Kostendrucks oft ausländische Kolonnen. Natürlich gebe es den Mindestlohn, heißt es in der Branche. Die Kolonnen habe man aber trotzdem im Land, weil es genügend Gestaltungsspielraum gebe. „Es gibt die, die diese Klaviatur bedienen können, die anderen bleiben auf der Strecke“, sagt ein Branchenkenner.

Die Ausschreibung des A8-Abschnitts Augsburg-München ist die erste nach dem so genannten A-Modell, weitere sollen folgen. Möglich wird sie durch die Einführung der Lkw-Maut auf deutschen Autobahnen seit Jahresanfang. Diese Gebühr soll nicht nur direkt Geld für die öffentlichen Kassen bringen, sondern auch indirekt. Denn der Bund braucht für den Bau und Betrieb seiner Autobahnen in den kommenden Jahren Milliardenbeträge, die er bei der angespannten Haushaltslage nicht hat. Die erhoffte Lösung: Private Investoren finanzieren bestimmte Autobahnabschnitte und übernehmen auch den Betrieb inklusive etwa des Streudienstes. Dafür werden sie aus den Mauteinnahmen auf der betreffenden Strecke entschädigt. Unter Umständen ist eine öffentliche Anschubfinanzierung möglich. Rot-Grün arbeitet bereits an einer Regelung, um private Investoren stärker anzusprechen.

Bei der A8 ist eine Erneuerung dringend notwendig, schließlich ist die Autobahn über 60 Jahre alt. In dem Informationsmemorandum der zuständigen Autobahndirektion heißt es, die betreffende Strecke sei „dem heutigen Verkehr nicht mehr gewachsen“. Die Folge sei „unter anderem eine überdurchschnittlich hohe Stauanfälligkeit beziehungsweise Unfallhäufigkeit mit mehreren Unfallschwerpunkten“. Von vier Fahrstreifen – oft ohne Standstreifen – soll die Strecke nun zwischen dem Autobahnkreuz Augsburg- West und dem Autobahndreieck München-Eschenried auf sechs Streifen plus Standstreifen ausgebaut werden. Nach Branchenschätzungen geht es bei den Bauleistungen um ein Volumen von etwa 230 Millionen Euro, bei der anschließenden Betriebskonzession für 30 Jahre um etwa 400 Millionen Euro.

Eine Aufteilung des Auftrags in mehrere kleine Lose halten die Behörden nicht für sinnvoll – und stellen sehr hohe Ansprüche an die Bewerber. Ihr Mindestjahresumsatz soll – für die vergangenen drei Jahre – bei 100 Millionen Euro liegen. Für Mittelständler ist das zwar schwer zu stemmen, in Arbeitsgemeinschaften aber möglich. Außerdem sollen Referenzprojekte für den Bau und Betrieb von Autobahnstrecken, die vom Bewerber bereits durchgeführt wurden, präsentiert werden. Mittelständler verlieren hier wichtige Punkte im Ausschreibungswettbewerb, denn die A8 ist das erste Projekt im Inland. Im Ausland sind aber nur die großen Unternehmen aktiv. Zudem besteht die Gefahr, dass Mittelständler auch für die Zukunft kaum Aussichten auf Erfolg bei Autobahnausschreibungen nach dem A-Modell haben. Denn auch dann fehlen ihnen die Referenzen, ohne die sie voraussichtlich keinen Auftrag gewinnen können. Und schließlich muss die Finanzierung des Projekts vom Anfang bis zum Ende dargestellt werden. Auch das ist für einen Mittelständler so frühzeitig nur schwer sicherzustellen. Ihre Chance in die Endrunde der Ausschreibung, an der vier Unternehmen teilnehmen dürfen, zu kommen, ist deshalb nach Einschätzung der Branche gleich Null.

Offenbar hat aber ein Umdenken im Verkehrsministerium eingesetzt, nach anfänglicher Verstimmung über die Kritik. Die Bedingungen für die laufende Ausschreibung können zwar nicht mehr geändert werden, doch prüfe das Ministerium Änderungen für die kommenden Wettbewerbe, hieß es in der Baubranche. Entsprechende Signale habe es zuletzt von den zuständigen Stellen gegeben.

Großen Spielraum sehen aber selbst Politiker der Opposition nicht. Horst Friedrich, Bauexperte der FDP, sagte dem Tagesspiegel: „Es werden einfach höhere Anforderungen an die Betreiber gestellt. Das wird sich nicht verhindern lassen.“ Schließlich sei eine bestimmte Mindestgröße, damit eine Ausschreibung wirtschaftlich Sinn mache, nötig – und eine gewisse Sicherheit für den Bund.

Ein weiteres Problem tut sich für die Mittelständler auch in den Ländern und Gemeinden auf. Die setzen ebenfalls – wegen klammer Kassen – wie der Bund auf öffentlich-private Partnerprojekte, die so genannten ÖPPs, bei denen private Investoren für öffentliche Aufgaben gewonnen werden sollen. Und auch hier – zum Beispiel für Schulen in Offenbach und Köln – würden die Aufträge derzeit zu groß für Mittelständler dimensioniert. Die Folge: Maler, die die letzten Jahre Aufträge für die Schulen erhalten haben, kommen bei den Ausschreibungen nicht zum Zug, sondern werden dann – wenn sie noch Glück haben – zu niedrigeren Preisen von den Ausschreibungsgewinnern als Subunternehmer beauftragt. „Hier wird die Preisspirale wieder ein Stück weitergedreht“, klagt die Branche.

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