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Schmale Augen mit Tagfahrlicht über den breit gezogenen Lufteinlässen prägen die Frontansicht.

© Skoda

Skoda Kamiq: Der SUV mit dem simply-clever-Paket

Skoda bringt den überarbeiteten Mittelklasse-Wagen Kamiq jetzt auch mit einer stärkeren Motorisierung

Die Tschechen machen es wieder mal anders als die anderen Hersteller: Statt zuerst die stärkeren Modelle an den Start zu bringen, welche die meisten Gewinne versprechen, fängt Skoda mit den schwächeren an. Und das bedeutet: allesamt sind Dreizylinder-Turbobenziner mit maximal 115 PS aus einem Hubraum vom Volumen einer Maß Bier. Nur der Diesel hat vier Zylinder, aber auch nur schmale 115 PS. Zumindest angekündigt wurde beim Marktstart ein Vierzylinder-Benziner mit 1,5 Liter Hubraum und strammen 150 PS. Nun ist es so weit. Wir können den neuen Top-Motor fahren – und sind überrascht, wie gut alles zusammenpasst, was irgendwie doch zusammengehört.

Ja, er kommt spät, der neue Kamiq. Die Kompakt-SUV-Trendsetter Renault Captur und Peugeot 2008 sind bereits in die zweite Generation gestartet. Selbst die Kamiq-Schwestermodelle Seat Arona - seit 2018 - und VW T-Cross - seit Frühjahr 2019 - fahren schon seit Monaten auf deutschen Straßen. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben .... Doch der Kamiq kommt zwar spät, aber nicht zu spät, denn er hat mehr zu bieten als die Konkurrenz.

Der Kamiq ist die Nummer drei unter den erfolgreichen SUV von Skoda. Wie bei den großen Brüdern Karoq und Kodiaq beginnt die Modellbezeichnung hier ebenfalls mit einem K und endet mit q. Die Bezeichnungen stammen aus der Inuit-Sprache, den Ureinwohnern des hohen amerikanischen Nordens. Kamiq steht, frei übersetzt, für etwas, das perfekt passt.

Mehr Platz als andere

Selbst beim kleinsten SUV reizen die Tschechen die VW-Konzern-Plattform extrem aus, um auch hier das größtmögliche Raumangebot der Klasse anzubieten – übrigens eine Spezialität von Skoda über alle Modellreihen. Mit 4,24 Meter Länge entspricht der Kamiq eher dem neun Zentimeter längeren VW T-Roc als dem 13 Zentimeter kürzeren VW T-Cross. Der Radstand von 2,65 Meter liegt sogar noch sechs Zentimeter über dem des T-Roc. Mehr Platz als die anderen in der gleichen Klasse zu offerieren, das ist das Credo von Skoda.

Der macht sich lang - der Kamiq holt jeden Zentimeter Platz aus dem Innenraum.
Der macht sich lang - der Kamiq holt jeden Zentimeter Platz aus dem Innenraum.

© Skoda

Allerdings liegen Licht und Schatten beim beachtlichen Raumangebot des Kamiq nah beieinander: So ist die Beinfreiheit in Reihe zwei für diese Klasse eine Welt; selbst Großgewachsene können die Knie lässig übereinanderschlagen. In der ersten Reihe ist Business-Class angesagt, wenn die Komfortsportsitze an Bord sind. Nicht ganz so luftig geht es in Reihe drei zu, also im Kofferraum, der sich von 400 Liter auf 1395 Litern Volumen erweitern lässt. Soweit die Theorie. Die Variabilität? Fehlanzeige! Selbst eine Durchladeluke, geschweige denn eine 40:20:40-Teilung der Rücksitzlehne statt der serienmäßigen 60:40 gibt es nicht. Und auch eine verschiebbare Rücksitzbank bietet Skoda für den Kamiq nicht an. Wenigstens lässt sich der der Stauraum ordentlich nutzen, wenn man den Einlegeboden für 150 Euro Aufpreis bestellt hat. Doch selbst damit wird die Ladefläche nach dem Umklappen der Rücksitzlehne nicht ganz eben. Wer bis zu 2,45 Meter lange Gegenstände transportieren will, sollte die umklappbare Beifahrersitzlehne ordern.

Praktische Details

Viel Licht scheint hingegen bei einer Spezialität von Skoda: Die Tschechen haben 20 sogenannte Simply-Clever-Lösungen eingebaut. Das sind diese praktischen Details, die den Umgang im Alltag intelligent erleichtern. Dazu zählen der Regenschirm in der Fahrertür, der Deckel für den Wischwasserbehälter, der sich beim Öffnen in einen Trichter verwandelt, oder die ausklappbaren Kunststoffleisten für 150 Euro extra, welche beim Öffnen der Türen mechanisch ausfahren und so vor teuren Parkremplern schützen oder die elektrisch betätigte Heckklappe für 350 Euro extra sowie eine herausnehmbare LED-Taschenlampe im Kofferraum oder eine schwenkbare Anhängerkupplung.

Der 1,5-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner im Kamiq soll künftig als Allroundmotor viele Baureihen im Volkswagen-Konzern befeuern. Seine Besonderheit ist die nicht deaktivierbare Zylinderabschaltung. Sie arbeitet unmerklich, nur sehr aufmerksame Fahrer können das elektronisch gesteuerte Abschalten der Zylinder zwei und drei im Teillastbereich durch ein ganz leichtes Rucken wahrnehmen. Arbeitet der Vierzylinder im Zwei-Zylinder-Modus, läuft er minimal rauher. Generell klingt er etwas heiser. 8,4 Sekunden für den Sprint von Null auf Tempo 100 lautet die Stammtischzahl. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei mehr als ausreichenden 212 km/h. Bemerkenswert ist die Effizienz des 35 PS stärkeren Vierzylinders gegenüber der 115-PS-Maschine. Mit glatt fünf Litern Super E10 pro 100 Kilometer genehmigt er sich laut WLTP-Messzyklus nur 0,1 Liter mehr als der schwächere Benziner. Das maximale Drehmoment des großen Benziners beträgt 250 Newtonmeter, und es liegt im vergleichsweise weiten Bereich von 1.500 bis 3.500 Umdrehungen pro Minute an.

Angenehmer Zeitgenosse

Überhaupt ist der Neue ein angenehmer Zeitgenosse: Der moderne TSI baut nach kurzem „Luftholen“ mit seinen verstellbaren Laderschaufeln ordentlich Druck auf und zieht dann schön gleichmäßig durch. Sein Ansprechverhalten ist ohne Fehl und Tadel. Die größte Überraschung? Skoda bringt mit dem Top-Motor auch ein verbessertes Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe an den Start. Das wurde Zeit, denn das frühere bekrittelte ständige Rucken ist nun passé. Die trocken laufenden Kupplungen verrichten ihre Arbeit wie ein guter Butler: unauffällig, aber beflissen. Die stark überarbeitete Siebengang-Doppelkupplungsautomatik verkneift sich nun jedes noch so winzige Rucken. Man erkennt lediglich am Zucken der Nadel des Drehzahlmessers, dass gerade ein anderer Gang eingelegt worden ist. Wichtiger noch ist der Umstand, dass endlich das Anfahr- und Rangierproblem gelöst worden ist, so dass das Auto sich nun zentimetergenau rangieren lässt, ohne lästiges Ruckeln. Mit den Schaltpaddeln kann der Fahrer den Kamiq nach seinem Gusto treiben und Extra-Freude haben, wenn er will. Die Abstufungen der sieben Gänge passen gut zum elastischen Motor. Bei Autobahn-Richtgeschwindigkeit 130 dreht sich im siebten Gang die Kurbelwelle entspannte 2300 Mal in der Minute. Die recht lange Übersetzung erweist sich als optimal für eine entspannte Fahrweise.

Kraftvoll-expressives Heck.
Kraftvoll-expressives Heck.

© Skoda

Bei Bedarf kann der Vierzylinder auch anders, nämlich freudig drehen und den mit 1,28 Tonnen vergleichsweise leichten Hochbeiner kräftig anschieben, zur Freude des Fahrers und der Passagiere! Doch auch sparsam kann der Vierzylinder mit dem Doppelkupplungsgetriebe. Im Eco-Modus legt der Automat beim Gaswegnehmen automatisch den Leerlauf ein und lässt das Auto einfach rollen, um den Schwung auszunutzen und Sprit zu sparen. Auf einer Testrunde um Düsseldorf, verhalten gefahren, ergibt sich ein Testverbrauch von 6,5 Liter Super E10 pro 100 Kilometer, 1,4 Liter über der Werksangabe. Nicht überragend, aber ordentlich.

Allradantrieb gibt es für den stärksten Kamiq ebenso wenig wie für Arona oder T-Cross. Wer auf nassem Geläuf sportlich anfahren will, erntet deshalb durchdrehende Vorderräder. Doch man stellt sich schnell darauf ein. Unser Testwagen war mit dem 470 Euro teuren Sportfahrwerk inklusive Fahrprofilauswahl ausgerüstet. Hier liegt die Karosserie zehn Millimeter tiefer, zudem sind die Federn straffer abgestimmt. Damit klebt der Kamiq wie mit Pattex auf der Straße. Auf Richtungsänderungen reagiert der Fronttriebler sehr rasch, aber keinesfalls nervös. Ein steiferer Stabilisator an der Vorder- sowie eine verstärkte Verbundlenker-Hinterachse verhindern effektiv Wankbewegungen des höheren Aufbaues. Das Auto liegt satt und ruhig auf der Straße, nicht wie ein Kompakter, eher wie ein Mittelklässler. Das beeindruckt einen schon. Dabei helfen sogenannte schaltbare Stoßdämpfer. Diese besitzen zwei Kennlinien, Normal und Sport, zwischen denen man manuell umschalten kann. Im Normal-Modus ist das Auto so abgestimmt wie der Serien-Kamiq, im Sportmodus straffer. Das passt zum gut potenten Antrieb. Die Sport-Version bietet zudem Integralsitze, also Sitze, welche mehr Seitenhalt an den Oberschenkeln und am Rücken bieten, und die mit integrierten Kopfstützen ausgestattet sind. Sie schließen den Fahrer förmlich in das Auto ein, er wird eins mit ihm. Klasse gemacht.

Übersichtlich und mit großem Touchscreen für alle Fahrzeug- und Multimedia-Funktionen über der Mittelkonsole.
Übersichtlich und mit großem Touchscreen für alle Fahrzeug- und Multimedia-Funktionen über der Mittelkonsole.

© Skoda

Ein SUV, agil wie eine Limousine

Übrigens ist der Kamiq das erste SUV der Hochbeider-Drillingsfamilie von Skoda mit der neuen Innenraum-Design-Sprache. Und die kann sich sehen lassen, vor allem im Konkurrenzumfeld. Fließende Formen, reduzierter Stil, freistehender Touchscreen in der Mitte, 6,5 Zoll sind Serie, gegen Aufpreis gibt es 8 oder 9,2 Zoll Bildschirmdiagonale. Und der Schirm ist elegant und geschickt in das neu geformte Armaturenbrett integriert, wirkt nicht so aufgesetzt wie ein Fremdkörper. Hier haben die tschechischen Designer es viel besser gemacht als die Konkurrenz. Man kann auch ein 10,25 Zoll großes optionales virtuelles Cockpit bekommen, das sich individuell konfigurieren lässt. Natürlich können Apple- oder Android-Smartphones angeschlossen werden. Und als erster Skoda ist der Scala dank eingebauter e-SIM-Karte immer online. Erstmals bei einem SUV von Skoda sind auch "Wischblinker" verfügbar. Weitere Highlights sind das Ambientelicht, das in den Farben Kupfer, Rot oder Weiß bestellbar ist, sowie eine Lenkradheizung, eine beheizbare Frontscheibe für 180 Euro sowie eine Sitzheizung nicht nur für die Vordersitze, sondern auch für die äußeren Sitze im Fond für 250 Euro Aufpreis.

Fazit: Obwohl er sich mit seinem Auftritt nahtlos in die Hochbeiner-Familie von Skoda einreiht, fühlt sich der Kamiq eher an wie ein Kompaktauto, und so fährt er sich auch. Auf den Punkt gebracht: Optisch wie ein SUV, agil wie eine Limousine, unverwechselbar wie ein Skoda. Das dritte Kompakt -SUV sitzt wie eine zweite Haut. Und zwar besser als seine Plattform-Brüder VW T-Cross und Seat Arona. Vor allem der neue 150 PS starke Top-Benziner bringt viel Schwung in die Bude, stellt sozusagen das Pünktchen auf dem I dar. Der stärkste Otto, übrigens der einzige Vierzylinder bei den Benzinern, bringt den nötigen Schuss Fahrfreude in das gelungene Kompakt-SUV. Allerdings steigt damit der Preis in Höhen, die keine Freude mehr bereiten. 2000 Euro Aufpreis für 35 Mehr-PS in nüchternen Zahlen. Weiter gefasst jedoch ein fast unbezahlbares Plus an Souveränität und Spaß – ab 24 300 Euro. Testwagenpreis? Heftige 37 989 Euro! Skoda ist schon längst keine Billigmarke mehr. Qualität hat nun mal ihren Preis. Dies scheinen auch die potentiellen Kunden zu schätzen. Die tschechischen Produktstrategen gehen jedenfalls davon aus, dass im ersten vollen Verkaufsjahr 2020 rund die Hälfte der Kunden eben diesen stärksten Benziner wählen wird. Nur die magere Variabilität passt nicht zum ansonsten hohen Anspruch des geräumigen und spaßigen Top-Kamiq.

Von Rainer Ruthe

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