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Wirtschaft: Modisches Outfit statt Blaumann

BERLIN .Der Blaumann wird zum Auslaufmodell.

BERLIN .Der Blaumann wird zum Auslaufmodell.Prägte die klassische Uniform des Arbeiters nach dem Zweiten Weltkrieg noch das Bild in den Betrieben, so gelten heute andere Regeln: Berufsbekleidung soll auch was fürs Auge bieten, modische und imagesteigernde Kittel, Blusen, Overalls liegen voll im Trend.Immer mehr Unternehmen haben erkannt, daß das einheitliche Auftreten ihrer Mitarbeiter ein Marketing-Instrument ist und erhoffen sich so Wettbewerbsvorteile.Unter dem Stichwort "Corporate Fashion" wird Berufsbekleidung zum festen Bestandteil der Unternehmensidentität.

Das war nicht immer so: In den 70er und 80er Jahren ging der Trend in die andere Richtung: Viele Firmen verabschiedeten sich von der einheitlichen Berufskleidung.Persönliche Freizeitkleidung herrschte auch in den Betrieben vor, Individualismus war Trumpf in der Nach-68er-Generation.Zudem fühlten sich die Mitarbeiter in den oft grob gewobenen Firmenklamotten unwohl, atmungsaktive Stoffe gab es noch nicht.

Heute dagegen scheint ein einheitliches und gepflegtes Äußeres der Mitarbeiter wichtiger denn je.Weil Produkte und Dienstleistungen immer vergleichbarer würden, nutzten die Unternehmen die Berufsbekleidung zunehmend, um sich von der Konkurrenz zu differenzieren, sagt Andreas Brenke vom Informationskreis "Kleidung im Beruf" in Königswinter.Ein einheitliches Auftreten erhöhe die Wiedererkennung und fördere die Kundenbindung."Jedes Nichterkennen ist eine verpaßte Dienstleistung", lautete denn auch der Slogan der Fachmesse "Corporate Fashion 1997".Allerdings soll die moderne Berufsbekleidung nicht nur auf den Kunden wirken, sondern auch die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen selbst fördern.

Die Ausstatter sehen die Rückkehr zum uniformen Erscheinungsbild gerne.Bei der Ausstattung des Dienstleistungssektors erlebe die Branche gegenwärtig einen regelrechten Boom, berichtet Thomas Lange, Geschäftsführer des Fachverbands Berufs-, Sport- und Freizeitbekleidung (Bespo).Jüngste Beispiele: die Neuausstaffierung der Beschäftigten von Bahn und Post.

Aber auch immer mehr Industrieunternehmen sowie Handwerksbetriebe entdecken die "Corporate Fashion" für sich, berichtet die Fachzeitschrift "Textilwirtschaft".Die meisten Berufsbekleidungs-Hersteller meldeten in diesem Segment einen stetig wachsenden Anteil am Geschäft und stellten sich auf weitere Zuwächse ein.Die Orientierung am Zeitgeist hat indessen auch ihren Preis: Dem Bericht zufolge dürften sich die Lebenszyklen bei "Corporate Fashion" auf nur zwei bis drei Jahre verkürzen.Bisher hatte Berufsbekleidung im Durchschnitt erst nach sechs bis sieben Jahren ausgedient.

Da die Anschaffung für den einzelnen Betrieb aber mit hohen Kosten verbunden ist, entscheiden sich immer mehr Unternehmen, die Kleidung zu mieten oder zu leasen, anstatt sie zu kaufen.Der Leasing-Markt sei bislang aber nur zu knapp einem Drittel ausgeschöpft, sagt Franz-Werner Wortmann, Sprecher der Alsco-Berufskleidungs-Service GmbH, die unter anderem die Mitarbeiter der Metro AG oder von Mercedes-Benz mit Bekleidung versorgt.Der finanzielle Aufwand des Kunden sei die monatliche Leasingrate, die vertraglich fixiert und somit überschaubar sei.

Auch an den Bekleidungsunternehmen selbst geht der Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft nicht spurlos vorbei: Die Kunden verlangen immer umfassenderen Service.Viele Hersteller holen die schmutzige Wäsche ab und reinigen sie.Durch die Reinigung in industriellen Wäschereien werde zudem die Umwelt entlastet.Auch die individuelle Einkleidung der Mitarbeiter gehöre zum Service.

In den vergangenen fünf Jahren konnte Alsco seinen Gesamtumsatz verdoppeln.Die Berufsbekleidungs-Branche insgesamt verzeichnete 1998 aber nur ein leichtes Umsatzplus von 0,6 Prozent.Dennoch kann man froh sein: Noch 1997 hatten die Hersteller ein Minus von 2,7 Prozent hinnehmen müssen.Wegen steigender Kosten sind die Margen für die Hersteller gering.Die eigentlich notwendigen Preisanhebungen ließen sich auf dem Absatzmarkt gegenwärtig nicht durchsetzen, sagt der Verband.Daher hätten die Unternehmen ihre Fertigung fortgesetzt ins Ausland verlagert.Allen modischen Trends zum Trotz wird der Blaumann aber wohl auch in Zukunft nicht völlig aus der Arbeitswelt verschwinden, sagt Alsco-Sprecher Wortmann: "Es wird immer Standards geben, etwa in den Schlossereien".JÖRG WIESE

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