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Wirtschaft: Monti soll für Fehler zahlen

Elektrokonzern Schneider verklagt den EU-Wettbewerbskommissar nach geplatzter Fusion auf Schadenersatz

Paris/Brüssel (abo/and/hst/rut/HB). Mit einer Klage gegen die EUKommission könnte der französische Konzern Schneider Electric die bisherige Praxis der Fusionsprüfung durcheinander wirbeln und EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti neue Spielregeln aufzwingen. Der Elektrokonzern verlangt von Monti Schadenersatz für die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg im Oktober für unrechtmäßig erklärte Untersagung seiner Fusion mit dem Konkurrenten Legrand. Unternehmenskreise bestätigten, dass die Schadensersatzforderung der EU-Kommission Ende letzter Woche zugeleitet wurde.

Das Unternehmen hat offiziell bisher jeden Kommentar dazu abgelehnt. Nach Informationen aus Unternehmenskreisen fordert Schneider-Vorstandschef Henri Lachmann von Kommissar Monti mehr als eine Milliarde Euro. „Die Währung, in der hier gerechnet wird, sind Milliarden Euro", hieß es von anderer Seite im Unternehmensumfeld. Lachmann hatte den Schritt schon 2001 gleichzeitig mit der Klage beim EuGH angekündigt. Brüsseler Kartellanwälte schätzen die Erfolgsaussichten allerdings gering ein. „Das wird sehr schwierig für Schneider, zumal das Unternehmen die Schadenersatzforderung sehr hoch ansetzen will", sagte Wolfgang Deselaers, Partner der Anwaltskanzlei Linklaters.

Die Summe von einer Milliarde Euro erscheint Pariser Analysten nicht aus der Luft gegriffen. Schneider Electric habe für den Kauf von 98 Prozent der Legrand-Aktien, für die Vorbereitung der Übernahme und für die spätere Entflechtung der beiden Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren mehr als 5,5 Milliarden Euro ausgegeben. Von den Investoren Wendel Investissement und Kohlberg Kravis Roberts LLP hat Schneider beim Wiederverkauf von Legrand nur noch 3,6 Milliarden Euro erzielt.

Die EU-Kommission wollte sich am Freitag zu dem Thema zunächst nicht äußern, weil die Klage noch nicht vorliege. Später hieß es im Hause Monti, man sehe der Forderung gelassen entgegen. Dort ist man überzeugt, dass die EU-Behörde den Fall im guten Glauben und in aller Offenheit untersucht habe. Das hatte der EuGH in seiner Aufhebung des Fusionsverbotes indes verneint. Allerdings kam das EuGH-Urteil so spät, dass sich der durch Montis Untersagung ausgelöste Wiederverkauf von Legrand nicht mehr aufhalten ließ.

Käme Schneider mit seiner Schadensersatzforderung durch, wäre dies ein Präzedenzfall. Auf den könnten sich Unternehmen wie General Electric und Honeywell berufen, deren Fusion von Monti ebenfalls untersagt worden war. Tetra Laval und My Travel, die sich neben Schneider bisher erfolgreich gegen ein Verdikt Montis gewehrt haben, erwägen aber bisher keinen derartigen Schritt.

So hat Schwedens Tetra Laval keine Pläne, Schadenersatz von der Kommission zu fordern. Diese hatte nach einem ersten „Nein“ die Übernahme des französischen Verpackungsherstellers Sidel vor einer Woche doch genehmigt, nach dem ihr der EuGH Beine gemacht hatte. Der Fall Schneider-Legrand sei zudem nicht vergleichbar mit der eigenen Situation, sagte ein Tetra-Laval-Sprecher. Schneider habe wegen der Kommissionsentscheidung hohe Aufwendungen gehabt. „So weit ist es bei uns nie gekommen", heißt es bei Tetra-Laval.

Die britische My Travel (früher Airtours), derentwegen Monti im Juni 2002 die erste Schlappe vor dem EuGH hatte einstecken müssen, will voraussichtlich nicht klagen, obwohl ihr diese Möglichkeit ausdrücklich eingeräumt worden war. Eine Summe von einer Milliarde Euro sei beim EuGH nicht durchsetzbar, meint Linklaters-Partner Deselaers. Eine solche Schadensersatzzahlung würde bedeuten, dass die EU-Kommission mit künftigen Fusionsverboten ein nicht mehr tragbares finanzielles Risiko eingehe. „Damit würden die Richter die EU-Fusionskontrolle funktionsunfähig machen – und darauf werden sie sich mit Sicherheit nicht einlassen", sagte Deselaers.

Auch Cornelis Canenbley von der Kanzlei Freshfields erwartet, „dass die Richter die EU-Kommission bei einem Prozess schonend behandeln werden". Denn Schneider habe die Aktien von Legrand gekauft, ohne die offizielle Entscheidung der EU-Fusionskontrolleure abzuwarten. „Hier hat Schneider möglicherweise voreilig gehandelt", sagt Canenbley.

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