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Ein Mitarbeiter in der Autoindustrie arbeitet in einem Werk.

© dpa/Jan Woitas

Update

Nach Wachstum im Winter: Deutsche Wirtschaft im Frühjahr stärker geschrumpft als erwartet

Nachdem die Zahlen im ersten Quartal noch besser als prognostiziert waren, hat sich der Trend umgekehrt. Hoffnung gibt es für das zweite Halbjahr. Wirtschaftsministerin Reiche fordert Reformen.

Stand:

Die deutsche Wirtschaft ist im Frühjahr stärker geschrumpft als erwartet. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank zum Vorquartal um 0,3 Prozent statt um 0,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. In den ersten drei Monaten des Jahres 2025 war Deutschlands Wirtschaft noch um 0,4 Prozent gewachsen.

Vor allem die Industrieproduktion entwickelte sich schlechter als zunächst angenommen.

Statistisches Bundesamt

Eine erste Schätzung hatte lediglich ein Mini-Minus von 0,1 Prozent ergeben. „Vor allem die Industrieproduktion entwickelte sich schlechter als zunächst angenommen“, wurde die Korrektur begründet. In den ersten drei Monaten des Jahres hatte es noch zu einem Wachstum von 0,3 Prozent gereicht.

Die im zweiten Quartal geschrumpfte Wirtschaftsleistung verdeutlicht nach Ansicht von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) den Bedarf an „mutigen Strukturreformen“. Sie müssten nun „zügig“ umgesetzt werden, erklärte Reiche der Agentur AFP zufolge am Freitag in Berlin. Sie nannte Reformen bei der Flexibilisierung der Arbeitszeiten, der Dämpfung der Lohnnebenkosten, dem Abbau bürokratischer Hürden und der Senkung der Energiepreise. 

Zusätzliche Belastungen für Unternehmen müssten gleichzeitig vermieden werden, betonte Reiche. Die steuerliche Belastung für Unternehmen in Deutschland sei bereits hoch. „Wir müssen über weitere Senkungen, nicht Erhöhungen der Steuerlast sprechen“. Damit wies auch sie den Vorstoß von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) zu einer Erhöhung von Steuern zur Schließung der Finanzierungslücke im Haushalt zurück. 

Einkaufsmanagerindex macht Hoffnung

Die Bundesbank rechnet auch für das laufende Sommerquartal nicht mit einem Wachstum, so die Agentur Reuters. Europas größte Volkswirtschaft werde voraussichtlich stagnieren, heißt es im aktuellen Monatsbericht. „Die trüben Aussichten für den Welthandel, die noch schwache Auftragslage und die niedrige Auslastung vorhandener Kapazitäten dürften die Investitionstätigkeit der Unternehmen weiter beeinträchtigen“, heißt es darin.

Vom Bau kämen voraussichtlich noch keine starken Impulse für die Konjunktur. Zudem bremsten gedämpfte Aussichten am Arbeitsmarkt und eine nachlassende Lohndynamik den privaten Konsum. Auch die Dienstleister blieben insgesamt ohne Schwung. „Im dritten Quartal könnte die Wirtschaftsleistung in etwa stagnieren.“

Für das Gesamtjahr hält die Notenbank jedoch inzwischen statt Stagnation ein leichtes Plus für möglich. Auch führende Wirtschaftsforschungsinstitute trauen Europas größter Volkswirtschaft nach zwei Jahren Rezession mit Minus 0,9 Prozent 2023 und Minus 0,5 Prozent 2024 im laufenden Jahr ein Mini-Wachstum um die 0,3 Prozent zu, so die Agentur dpa.

Frühindikatoren wie Unternehmensbefragungen, Baugenehmigungen und Auftragseingänge deuten darauf hin, dass es im zweiten Halbjahr zu einer Beschleunigung des Wirtschaftswachstums kommt.

Sebastian Dullien, Wirtschaftsexperte

Die Stimmung in vielen Unternehmen hat sich zuletzt verbessert: Niedrigere Zinsen machen Anschaffungen günstiger, die Aussicht auf Milliardeninvestitionen des Bundes in Verteidigung, Schienen, Straßen und Brücken lässt auf ein Ende der jahrelangen Flaute 2026 hoffen. 

„Frühindikatoren wie Unternehmensbefragungen, Baugenehmigungen und Auftragseingänge deuten darauf hin, dass es im zweiten Halbjahr zu einer Beschleunigung des Wirtschaftswachstums kommt“, sagte Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung, der dpa.

Wirtschaftsweise Grimm zeigt sich skeptisch

Es gibt noch einen weiteren Hoffnungsschimmer: Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft mit Industrie und Dienstleistern stieg dem Bericht zufolge im August überraschend um 0,3 auf 50,9 Punkte, wie der Finanzdienstleister S&P Global bei seiner Unternehmensumfrage herausfand. Das ist der beste Wert seit März. Das Barometer hielt sich damit den dritten Monat in Folge über der Marke von 50, ab der es Wachstum signalisiert.

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm äußerte sich angesichts der BIP-Daten skeptisch. „Die erneut sinkende Wirtschaftsleistung ist kein gutes Zeichen. Auch im laufenden Quartal ist kaum mit einem Wachstum zu rechnen. Deutschland wird 2025 voraussichtlich stagnieren“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Mit Blick auf eine anhaltende Erholung der Wirtschaft sehe es aktuell nicht gut aus. „Neben der überbordenden Regulierung, der zu hohen Steuerbelastung der Unternehmen und der ungebremst steigenden Sozialausgaben bremsen auch gedämpfte Aussichten am Arbeitsmarkt und eine nachlassende Lohndynamik den privaten Konsum. Auch bei den Dienstleistern ist wenig Dynamik erkennbar“, so die Wirtschaftswissenschaftlerin. 

Ob es unter diesen Rahmenbedingungen dann im Jahr 2026 zu einer anhaltenden Erholung kommt, sei mehr als fraglich. „Die Bundesregierung müsste sich deutlich entschlossener der Wirtschaftspolitik widmen“, forderte Grimm. Bisher entfache sie im besten Fall lediglich ein Strohfeuer durch die schuldenfinanzierten Investitionen. (lem)

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