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Kartelrechtler sehen den Wettbewerb im Lebensmittelhandel bedroht. Der Fall Kaiser's hat Symbolwert.

© Martin Gerten/dpa

Tengelmann-Kaiser's-Übernahme: Öffentlicher Konflikt um Tengelmann

Im Fall Kaiser’s wächst der Druck auf die Beteiligten. Wirtschaftsminister Gabriel muss in den nächsten zwei Monaten entscheiden. Jetzt positioniert sich das Bundeskartellamt.

Von Maris Hubschmid

Knapp zwei Monate bleiben dem Wirtschaftsminister noch, über den Fall Kaiser’s-Tengelmann zu entscheiden. Doch bereits jetzt kommt reichlich Dynamik in den Fall: Mit einer Anzeigenkampagne hat in dieser Woche Mitbewerber Rewe Stimmung gegen Edeka gemacht. Von „fragwürdigen Ankündigungen“, einem längst vereinbarten Stellenabbau und „falschem Spiel“ war da zu lesen – und damit verbunden das Versprechen, sämtliche Arbeitsplätze zu sichern, sollte Rewe den Zuschlag erhalten. Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub, an dessen Verantwortungsbewusstsein und Familiensinn Rewes Vorstandschef Alain Caparros in dem offenen Brief appellierte, bezeichnete die Rewe-Aktion bei der Verkündung der Tengelmann-Bilanz schlicht als „unseriös“.

Kartellamt: Weder Marktführer noch Zweitplatzierter dürfen Tengelmann übernehmen

Einen Zweck zumindest aber hat sie erfüllt. „Dieses Schreiben hat die Verunsicherung bei den Kollegen verstärkt“, sagte Janetta Jöckertitz, Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Kaiser’s-Tengelmann, dem Tagesspiegel. „Als Außenstehender ist es leicht, Zugeständnisse zu machen“, kritisierte sie. Tatsächlich hat das Bundeskartellamt, indem es die Übernahmepläne der Edeka-Gruppe untersagte, indirekt auch schon dem Branchenzweiten eine Absage erteilt – zu groß sei insgesamt die Konzentration im Markt. Viele in der Branche bezeichnen die Anzeige deshalb als „pure Provokation“. „Jetzt passiert das, was wir lange befürchtet haben“, sagte Jöckertitz: „Der Konflikt, wie es weitergehen soll im Lebensmittelhandel, wird auf dem Rücken unserer Leute ausgetragen.“

Einen wunden Punkt benennt der Brief dabei zweifellos: „Was die Perspektiven für unsere Mitarbeiter angeht, gibt es von Edeka Zusagen, aber keine rechtlich verbindlichen“, sagte Jöckertitz. Deshalb sei nun ein Termin vorgeschlagen worden, bei dem Angebote und Forderungen der Kaiser’s-Beschäftigten und der Edeka- Gruppe „besprochen, hinterfragt und ergänzt werden sollen“. Tengelmann-Mitarbeiter hatten unlängst ihre Sorge über eine Zukunft unter dem Dach der Edeka-Gruppe ebenfalls in einem offenen Brief zum Ausdruck gebracht, von dem offenbar aber nur wenige Kollegen zuvor wussten. Nichtsdestotrotz spiegele er die Nervosität der Belegschaft wider, sagte die Betriebsrätin.

Aufteilung der Handelskette im Gespräch

Derweil bringen sich Mitbewerber für eine Aufteilung der Handelskette in Stellung. „Wir würden rund 200 Märkte in Berlin und Umland übernehmen“, sagte eine Coop-Sprecherin auf Anfrage und bestätigte damit Berichte des „Handelsblatts“. Die Summe darf allerdings insofern irritieren, als Kaiser’s in Berlin und Brandenburg insgesamt nur rund 140 Filialen unterhält. Ob sich die Gruppe mit Sitz in Kiel schlicht noch nicht näher damit beschäftigt hat oder die Zahl Ausdruck der ambitionierten Expansionsabsichten ist, blieb offen. „Coop hat schon länger ein Auge auf Berlin geworfen, um dort weitere Sky-Märkte zu eröffnen“, sagte die Sprecherin. Die sind bislang vor allem im Norden Deutschlands verbreitet, aktuell gibt es zwei Standorte in Neubrandenburg und einen in Potsdam.

Vor allem in Berlin ist der Wettbewerb gefährdet

Da Berlin einer der Märkte ist, in denen das Kartellamt den Wettbewerb besonders gefährdet sieht, erscheint denkbar, dass am Ende ein Kauf unter der Auflage genehmigt wird, Berlin aus der Übernahmemasse auszuklammern. Es heißt, Edeka bereite sich auch auf dieses Szenario vor. Problematisch könnte auf Beschaffungsseite aber der Fakt wiegen, dass Coop mit seinen Sky-Märkten eine Einkaufsgemeinschaft mit Rewe unterhält.

Auch die Kauflandgruppe mit Sitz in Neckarsulm bekräftigte gegenüber dem Tagesspiegel, weiter an der Übernahme einzelner Märkte interessiert zu sein. Im Raum München hat die Schweizer Migros Kaufabsichten bekundet. Dabei muss als höchst unwahrscheinlich gelten, dass Edeka auf gleich zwei Metropolregionen verzichten würde: Für die Märkte im Raum NRW gibt es bislang keinen Interessenten. Nur die wenigsten seien rentabel heißt es, der Investitionsbedarf aber groß: „Die Filialen dort wurden bei den Modernisierungen immer zurückgestellt“, erklärte Jöckertitz. Wer NRW nimmt, braucht also ein Bonbon zum Ausgleich.

Darüber könnte schon sehr bald diskutiert werden: Wie der Tagesspiegel erfuhr, geht das Gutachten der Monopolkommission dieser Tage dem Wirtschaftsminister zu. Für die kommende Woche ist eine Befragung der Beteiligten im Ministerium geplant.

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