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Pierer

© dpa

Schmiergeldaffäre: Pierer und Siemens: Vergleichsweise günstig

Ex-Siemens-Chef Heinrich von Pierer lenkt offenbar ein – und will in der Schmiergeldaffäre Schadenersatz an den Konzern zahlen. Dabei bleibt er bei seinem Standpunkt, sich immer korrekt verhalten zu haben.

Berlin - „Kein Kommentar“, sagt Heinrich von Pierer am Handy. Er sei gerade geschäftlich in Thailand unterwegs. Der Lärm im Hintergrund habe nichts mit ihm zu tun, entschuldigt er sich. Kein Kommentar – dabei ist gerade eine kleine Sensation passiert. Pierer soll sich bereit erklärt haben, sich in der Schmiergeldaffäre mit Siemens auf einen Vergleich zu einigen. Informierte Kreise in München bestätigen das. Offiziell sagt Siemens, was auch Pierer wiederholt: „Kein Kommentar.“ Er habe sich immer korrekt verhalten und äußere sich erst nach der Aufsichtsratssitzung, fügt Pierer aber hinzu.

Am heutigen Mittwoch trifft sich der Aufsichtsrat in München zu seiner regulären Sitzung zum Ende des Geschäftsjahres. Auf der Tagesordnung stehen auch die angestrebten Vergleiche mit den ehemaligen Vorstandsmitgliedern, denen Siemens vorwirft, ihre Aufsichtspflichten verletzt und so das System schwarzer Kassen im Konzern erst möglich gemacht zu haben. 1,3 Milliarden Euro sollen über Jahre hinweg in dunkle Kanäle geflossen sein, die fraglichen Zahlungen fallen in die Amtszeit Pierers, der von Oktober 1992 bis Januar 2005 Vorstandsvorsitzender des Unternehmens war.

Pierer sollte mit sechs Millionen Euro die größte Summe zahlen. Ein symbolischer Betrag im Vergleich zum Milliardenschaden, den die Schmiergeldaffäre verursacht hat. Doch nicht nur Pierer sah darin auch ein anderes Symbol: Da er ein Vielfaches von dem bezahlen sollte, was Siemens von den übrigen neun ehemaligen Vorstandsmitgliedern forderte, würde ihn das zum Hauptschuldigen der Affäre machen. Als den sieht sich Pierer nicht.

„Ich sage gar nichts mehr“, waren schon seit Monaten immer die ersten Sätze, wenn man mit ihm Kontakt aufnahm. Und dann redete er doch. „Ich fühle mich verfolgt“, sagte er dann. Und er komme sich inzwischen vor wie jemand, der an einen Laternenpfahl gefesselt sei und von einer Hundemeute angefallen werde. Maßlos sei es, wie Siemens gegen ihn vorgehe. Was solle er ausrichten gegen die Scharen hoch bezahlter Rechtsanwälte, die das Unternehmen gegen ihn und die anderen ehemaligen Vorstände habe auffahren lassen? Aber den Eindruck, er habe resigniert, sei verbittert, den möchte er keinesfalls erzeugen. „Ich bin guter Dinge“, betonte er jedes Mal. Richtig überzeugend klang das nicht.

Kaum ein Manager in Deutschland genoss je so viel Ansehen wie einst Heinrich von Pierer – und so viel Macht. In der ganzen Welt war er für Siemens unterwegs, verkaufte deutsche Ingenieurskunst und konnte sich dabei durchaus als Botschafter Deutschlands fühlen. „Mr. Siemens“ trimmte den Konzern auf Rendite, und sogar Gewerkschafter bescheinigen ihm, aus dem alten Beamtenladen ein offensives Unternehmen gemacht zu haben. Pierer war gefragter Berater der Politik, bei Helmut Kohl ebenso wie bei Gerhard Schröder, der ihn zum Chef seines Innovationsrates machte. Pierer sprach als erster deutscher Konzernchef vor dem Uno-Sicherheitsrat und war als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten im Gespräch. Darum bekommt wohl kaum ein anderer den Verlust von Ansehen und Macht so schmerzlich zu spüren wie er.

Die Schmiergeldaffäre stürzte den Konzern in die tiefste Krise seiner Geschichte. Viel zu lange dauerte es, bis Pierer vom Aufsichtsratsposten zurücktrat. Dass das ein Fehler war, sah er später ein. Aber ansonsten zeigte er wenig Einsicht: „Ich habe mich immer korrekt verhalten.“ Sein Ego sei zu groß, um Fehler einzugestehen, sagen andere. Dennoch ist Pierer jetzt offenbar bereit, Schadenersatz zu bezahlen – und zwar immer noch deutlich mehr als seine Vorstandskollegen. Aber nun ist nicht mehr von sechs, sondern von vier oder fünf Millionen Euro die Rede.

Bei Siemens wird es ein großes Aufatmen geben. Ein jahrelanger Rechtsstreit wäre alles andere als erstrebenswert gewesen, weder für Pierer noch für das Unternehmen. Mitglieder des Aufsichtsrates hatten stets betont, es gehe in der Auseinandersetzung nicht um Rache. Man müsse so handeln, um sich nicht selbst gegenüber den Investoren schadenersatzpflichtig zu machen.

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