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Wirtschaft: Regieren lehren

Die Berliner Hertie School of Governance bildet den Nachwuchs für Ministerien und Organisationen aus. Jetzt kooperiert sie zum ersten Mal mit einer Wirtschaftshochschule

Schon ihre Adresse setzt ein Zeichen. Da wo Tradition und Moderne, Kultur und Kommerz aufs Interessanteste verschmelzen, an der Friedrichstraße, in Berlins historischer Stadtmitte, residiert die Hertie School of Governance. Das Gebäude beherbergte früher das DDR-Ministerium für Außenhandel.

Um Fünf-Jahrespläne geht es längst nicht mehr. An der privaten Hochschule für „gutes Regieren“ werden die künftigen Lenker von Ministerien, Nicht-Regierungsorganisationen, Verbänden und gemeinnützigen Einrichtungen ausgebildet. Jedes Jahr sind das rund 130 neue Studenten in den zwei Studiengängen.

Die Absolventen sind begehrt. Denn sie haben gelernt, über den Tellerrand zu schauen. Sie sind Führungskräfte, aber keine Manager im klassischen Sinne. So brechen sie nicht nur das bisherige Monopol der Volljuristen in der deutschen Verwaltung auf. Mit ihrer anderen Denkrichtung sollen sie auch den Wandel beschleunigen. „In der Verwaltung glaubt man immer noch, ein guter Jurist ist auch eine gute Führungskraft“, sagt Gerhard Hammerschmid, der das Executive-Programm an der Hertie School leitet.

Dazu setzt die 2003 gegründete und von der gemeinnützigen Hertie-Stiftung getragene Berliner Hochschule auf die Fächer Jura, Politik und Soziologie. Die Managementlehre soll mehr Gewicht erhalten. „Wir haben uns zunächst auf Ministerien und Verwaltung konzentriert, dann kam der zivilgesellschaftliche Teil hinzu. Jetzt gehen wir stärker in Richtung Wirtschaft“, sagt Dekan Helmut Anheier.

Die Hertie School macht deshalb jetzt mit der Wirtschaftshochschule ESCP Europe aus Berlin gemeinsame Sache. Die Kooperation wurde kürzlich bekanntgegeben. Dadurch können ESCP-Studenten nun im berufsbegleitenden Managementstudium zusätzlich an der Hertie School Kurse etwa zu politischer Kommunikation oder Sponsorengewinnung belegen. Die Hertie-Studenten des Executive-Programms wiederum pendeln für Seminare zu strategischem Führungsverhalten oder Personalmanagement an die ESCP.

In Frankreich kooperiert die dortige ESCP Europe bereits mit der Elitehochschule École Nationale d'Administration (ENA). „In Deutschland wollten wir ebenfalls mit der besten Hochschule zusammenarbeiten“, sagt Ayad Al-Ani, Rektor der ESCP Europe in Berlin.

Zwar haben auch einige staatliche Universitäten in Deutschland schon Governance Schools gegründet. In Erfurt und an der Uni Duisburg-Essen gibt es eine, in Berlin residiert ganz in der Nachbarschaft die Humboldt Viadrina School. Doch die Hertie School gilt als das deutsche Aushängeschild. Und das, obwohl der Anfang schwierig, das Modell in Deutschland praktisch unbekannt war. „Wir betraten absolutes Neuland“, sagt Michael Endres. Er ist Vorstandsvorsitzender der gemeinnützigen Hertie-Stiftung, die auf die Erben von Georg Karg, Inhaber der traditionsreichen Hertie-Kaufhäuser, zurückgeht.

Vor allem prominenten Fürsprechern wie dem früheren sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf ist es zu verdanken, dass sich die Hochschule etablieren konnte. Über Ziele, Markpositionierung und Forschungsausrichtung entscheidet ihr Kuratorium, in dem führende Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft versammelt sind: Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit, entscheidet hier genauso mit wie McKinsey-Deutschland-Leiter Frank Mattern, der frühere Arbeitsminister Wolfgang Clement, der Verfassungsrichter Udo Di Fabio oder die Professorin Mary Kaldor von der renommierten London School of Economics.

Sie alle bringen ihre Erfahrung ein, die Hertie-Stiftung das Geld – bisher rund 35 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr erhielt die Hochschule mit fünfzehn Professoren rund 5,5 Millionen Euro von der Stiftung, das sind 65 Prozent ihres Etats. Den Rest machen Studiengebühren und Drittmittel aus. Rund 25 000 Euro zahlen Studenten wie Andrea Frank oder Debashree Roy, um zwei Jahre lang einen der beiden Studiengänge an der Berliner Hertie School of Governance zu besuchen. Die Teilnehmer der zwei Programme unterscheiden sich deutlich.

Die Inderin Debashree Roy kam für den „Master of Public Policy“ nach Berlin. 30 Prozent ihrer Mitstudenten haben wie sie ein Stipendium und die Hälfte wie sie auch keinen deutschen Pass. Sie hat zwar einen ersten akademischen Abschluss und hat schon ein halbes Jahr mit Flüchtlingen gearbeitet, aber nach dem Studium in Berlin erst wird sie in den Beruf einsteigen. Am liebsten würde sie dann für eine Organisation arbeiten, die Schwellenländer in Südasien in ihrer Entwicklung unterstützt. Nun sitzt sie im Seminar von Klaus Hurrelmann. Das Thema: Wohlfahrtsstaaten und ihre Bildungspolitik. Hurrelmann ist einer von Deutschlands bekanntesten Bildungsforschern. Analysemethoden oder die Sozialpolitik Chinas könnte Roy in diesem Semester auch belegen.

Andrea Frank dagegen ist hauptberuflich Programmleiterin beim Stifterverband und studiert im „Executive Master of Public Management“. Dieser Studiengang enthält mehr Management-Elemente und ist auf Teilnehmer mit Berufserfahrung zugeschnitten. Mit der 38-Jährigen sitzen Psychologen, Sozialwissenschaftler, Juristen und Betriebswirte in einem Seminar. Viele von ihnen arbeiten in Ministerien oder Regierungsorganisationen. Drei von zehn Studenten kommen nicht aus Deutschland. Frank findet es spannend, wenn ihre Kommilitonen aus ihrem Berufsalltag berichten – diese Erfahrungen lassen sich nirgendwo nachlesen. (HB)

Stefani Hergert

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