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Wirtschaft: Sauberer Rücktritt

Ein Gericht hat entschieden: Der Konzern teilte rechtzeitig mit, dass Jürgen Schrempp geht

Stuttgart - Daimler-Chrysler bleibt nach den Problemen mit Chrysler eine zweite Schlappe innerhalb von kurzer Zeit erspart: Der Konzern hat den Musterprozess um den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Rücktritts von Ex-Vorstandschefs Jürgen Schrempp gewonnen. Der Autobauer habe die Personalentscheidung rechtzeitig bekannt gegeben, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart am Donnerstag. Erst nach dem Beschluss des Aufsichtsrates habe das Unternehmen die Insiderinformation gemäß dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) veröffentlichen müssen. Die Vorabgespräche über das vorzeitige Ausscheiden von Schrempp seien aber nicht ad-hoc-pflichtig gewesen. Nach der Niederlage wollen die Aktionäre jetzt vor den Bundesgerichtshof ziehen.

Daimler-Chrysler hatte am 28. Juli 2005 nach einer Aufsichtsratssitzung in einer Pflichtmitteilung den Rücktritt Schrempps zum Jahresende angekündigt. Das hatte zu einem Kurssprung der Aktie von bis zu zehn Prozent geführt.

„Wir fühlen uns in unserer Rechtsauffassung bestätigt“, sagte eine Daimler-Sprecherin. Der Aufsichtsrat habe damals die Entscheidung zwischen zwei Kandidaten gehabt. Zudem hätte der Widerspruch von einem Mitglied des Kontrollgremiums gereicht, um einen Beschluss über die Nachfolgeregelung zu verhindern, die nicht auf der Tagesordnung stand, argumentiert Daimler.

Die Anleger-Anwälte berufen sich dagegen auf das Wertpapierhandelsgesetz, wonach ein Aktienemittent, der es unterlässt, eine Insiderinformation unverzüglich zu veröffentlichen, Dritten zu Schadenersatz verpflichtet ist. In der Konsequenz forderten Anleger, die kurz vor dem Führungswechsel ihre Daimler-Papiere verkauft hatten, den entgangenen Gewinn ein. „Wir bedauern die Entscheidung des OLG Stuttgart“, sagte der Anleger-Anwalt Andreas Tilp. In den USA wäre ein solcher Schadenersatzprozess leichter zu gewinnen gewesen, sagte er.

Solange das Musterverfahren läuft, ruhen alle anderen Prozesse in gleicher Sache. Allein in Stuttgart gibt es 60 Verfahren mit einem Streitwert von 6,5 Millionen Euro. Der Fall wird zur Nagelprobe für das neue Anlegerschutzgesetz. Auch in anderen Konzernen werden wichtige Entscheidungen wochenlang vorbereitet – und selbst nach der Beschlussfassung oft nicht sofort veröffentlicht. mwb (HB)

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