Wirtschaft: Schering streicht weitere Stellen
Berliner Pharmaunternehmen schickt 350 Mitarbeiter in die Altersteilzeit – enttäuschende Prognose für 2004
Berlin (pet). Der starke Euro hat dem Berliner Pharmakonzern Schering im Jahr 2003 stark zugesetzt. Umsatz und Ergebnis gingen nach vorläufigen Zahlen deutlich zurück, teilte das Unternehmen am Donnerstag mit. Der Konzern will bis 2006 weitere 350 Stellen abbauen. Trotz des Gewinnrückgangs will Schering für 2003 eine unveränderte Dividende von 0,93 Euro je Aktie vorgeschlagen. Analysten waren vor allem von der schwachen Prognose enttäuscht. Der Kurs der Aktie brach bis zum Börsenschluss um 4,85 Prozent auf 40,65 Euro ein und war der mit Abstand schwächste Wert im Dax.
Der ScheringKonzern hat im vergangenen Jahr nach vorläufigen Zahlen nur 443 Millionen Euro verdient. Im Jahr zuvor waren es noch 464 Millionen gewesen. Anhaltend negative Währungseffekte und Aufwändungen in Zusammenhang mit einer weiteren Reduzierung der Mitarbeiterzahl in Deutschland hätten das Betriebsergebnis im vierten Quartal 2003 belastet, teilte das Unternehmen am Donnerstag mit. Die endgültigen Zahlen für 2003 will Schering am 5.März vorlegen.
Beim Umsatz ist Schering im vergangenen Jahr in lokalen Währungen um sechs Prozent gewachsen. Das wichtigste Schering-Präparat, das Multiple-Sklerose-Medikament Betaferon, legte um acht Prozent zu. Umgerechnet in Euro ging der Gesamtumsatz aber um vier Prozent auf 4,8 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr zurück. Schering bleibt die Umrechnung nicht erspart: Das Unternehmen macht zwar rund die Hälfte des Umsatzes im Dollarraum, bilanziert aber in Euro. Nur einen Teil der Währungsschwankungen kann Schering dadurch auffangen, dass nicht nur Umsätze, sondern auch Kosten im Dollarraum entstehen. Unter dem Strich hat die Stärke des Euro den Umsatz 2003 um neun Prozent gedrückt.
Trotzdem will Schering an seiner Währungssicherungspolitik festhalten. „Wir sichern 50 Prozent der Währung ab“, sagte Erlen, „den Anteil wollen wir nicht erhöhen.“
Der starke Einbruch bleibt nicht ohne Folgen für die Mitarbeiter. Schering hatte bereits im vergangenen Sommer nach einem deutlichen Ergebnisrückgang im zweiten Quartal angekündigt, 300 Stellen in Deutschland zu streichen. „Das ist praktisch erfolgt“, sagte Schering-Chef Hubertus Erlen dieser Zeitung. Zusätzlich habe das Unternehmen im vergangenen Jahr 350 Altersteilzeitverträge abgeschlossen. Diese Stellen sollen innerhalb der nächsten drei Jahre abgebaut werden. Alle Kosten dafür seien bereits im vierten Quartal gebucht worden, sagte Erlen. „Daraus ergibt sich eine bestimmte Flexibilität in der Zukunft.“ In Deutschland beschäftigte Schering 2003 rund 8300 Mitarbeiter.
Über die Stellenstreichungen hinaus kündigte Schering am Donnerstag eine weitere „Straffung der Strukturen und Prozesse“ an. Wo das sein wird und ob das Auswirkungen auf künftige Investitionen in Deutschland oder Berlin haben wird, sagte Erlen nicht. „Das kann ich heute noch nicht absehen.“ Der Schering-Chef warnte aber davor, in schwierigen Zeiten zu sehr auf die Kosten zu schauen. „Wenn wir nur auf Kostensenkungen sehen würden, würden wir einen Fehler machen. Wir müssen unsere Geschäftschancen treiben, um Wachstum zu generieren.“
Marktbeobachter sagten, die vorgelegten Zahlen seien zwar im Rahmen der Erwartungen gewesen, der Ausblick für 2004 aber nicht. Für das laufende Jahr erwartet Finanzvorstand Jörg Spiekerkötter in lokalen Währungen nur ein Umsatzwachstum im mittleren einstelligen Bereich. Das Betriebsergebnis solle über dem um Sondereffekte – wie die Kosten für Währungssicherung – bereinigten Vorjahresergebnis von 620 Millionen Euro liegen. Pharmaanalyst Marcus Konstanti von Sal. Oppenheim sprach von einer enttäuschenden Prognose. Der Markt habe für 2004 zweistellige Wachstumsraten im Ergebnis erwartet. Auch Karl-Heinz Scheunemann vom Bankhaus Metzler sagte: „Das ist keine sehr erfreuliche Prognose.“ Folge des deutlich unter den Erwartungen liegenden Ausblicks sei, dass die Bewertungen für Schering nun korrigiert werden müssten.
Die schwache Prognose könnte auch das von Schering ausgegebene Ziel gefährden, die Ebit-Marge bis 2006 auf 18 Prozent zu steigern. Derzeit liegt sie bei rund 13 Prozent und damit unter dem Durchschnitt. Die Ebit-Marge gibt das Verhältnis des Vorsteuereinkommens zum Umsatz an. Mit ihr kann man die betriebliche Ertragskraft von Unternehmen miteinander vergleichen.
Zu der Frage, ob Schering angesichts der Übernahmeschlacht um Aventis nun auch in Gefahr stehe, übernommen zu werden, wollte Erlen sich nicht äußern. Die übliche Antwort: „Kein Kommentar.“
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