Wirtschaft: Siemens-Zentralvorstand verhaftet
Der Bestechungsskandal um die Arbeitnehmervertretung AUB erreicht das höchste Führungsgremium
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München - Die Schmiergeldaffären beim Technologiekonzern Siemens weiten sich aus. Am Dienstag wurde mit Johannes Feldmayer erstmals ein noch aktiver Manager aus dem Zentralvorstand verhaftet. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg durchsuchte zudem etwa 20 Büros und Wohnungen in Nürnberg, Erlangen und München. Am heutigen Mittwoch kommt der Siemens-Aufsichtsrat zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Kreise des Aufsichtsrats bestätigten entsprechende Informationen des „Handelsblatts“. Offiziell geht es in dem Treffen um den geplanten Börsengang der Autozulieferersparte VDO. Dem Vernehmen nach soll aber auch die schwierige Lage zur Sprache kommen, in die der Konzern durch die Verhaftung Feldmayers gekommen ist. Der Manager, der seit 1979 bei Siemens arbeitet, gilt als ein führender Kopf im Unternehmen.
Der Zentralvorstand ist das wichtigste Gremium des Konzerns. Eine Siemens-Sprecherin bestätigte die Verhaftung Feldmayers. Siemens werde in vollem Umfang mit der Staatsanwaltschaft kooperieren. Die Verhaftung Feldmayers steht in Zusammenhang mit der umstrittenen Arbeitnehmer-Vertretung AUB und deren Vorsitzendem Wilhelm Schelsky. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg ermittelt gegen Schelsky wegen Steuerhinterziehung. Der frühere Siemens-Betriebsrat soll über Scheinfirmen Zahlungen in Höhe von 15 bis 20 Millionen Euro von Siemens erhalten haben, ohne eine adäquate Gegenleistung. Im Gegenzug soll sich die AUB-Vertreterin im Aufsichtsrat bei wichtigen Entscheidungen mit der Arbeitgeberseite solidarisiert haben. Schelsky sitzt seit Februar in Untersuchungshaft. Er trat am Dienstag als AUB-Chef zurück. Siemens bestätigte, dass Feldmayer 2001 einen Beratervertrag mit Schelsky unterschrieben hat. Weitere Erkenntnisse zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft lägen Siemens noch nicht vor. Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ ermitteln die Nürnberger auch gegen den früheren Siemens-Finanzvorstand und Aufsichtsratschef Karl-Hermann Baumann.
Feldmayer, der auch Honorarprofessor an der Technischen Universität Berlin ist, ist seit 2003 Mitglied des Siemens-Zentralvorstands und dort unter anderem für die Region Europa zuständig. Zuvor verantwortete er die Strategie des gesamten Konzerns. Der 51-Jährige galt neben dem heutigen Konzernchef Klaus Kleinfeld einige Zeit als heißer Kandidat für die Nachfolge Heinrich von Pierers.
Die Ermittlungen gegen Feldmayer stehen nicht in Zusammenhang mit denen der Staatsanwaltschaft München, die fragwürdigen Zahlungen in der Kommunikationssparte nachgeht. Der Leitende Oberstaatsanwalt Christian Schmidt- Sommerfeld sagte dem Tagesspiegel, die Behörde werde sich am Donnerstag erneut zum Fall Siemens äußern.
Im Darmstädter Prozess um Bestechung in der Siemens-Kraftwerksparte Power Generation (PG) ist unterdessen heftiger Streit um die Höhe des Gewinns entbrannt, den der Konzern aus dem Verkauf von Gasturbinen an den italienischen Stromkonzern Enel gezogen hat. Nach Angaben von PG-Finanzvorstand Ralf Guntermann hat die Affäre den Konzern rund 100 Millionen Euro gekostet. Von dem Bruttogewinn aus dem Geschäft in Höhe von 103,8 Millionen Euro sei somit fast nichts übrig geblieben. Zwei ehemalige Siemens-Manager sollen zwei Enel-Verantwortliche zwischen 1999 und 2002 für den Großauftrag mit rund sechs Millionen Euro bestochen haben.
Die Korruptionsfälle werden voraussichtlich dazu führen, dass der im September auslaufende Fünf-Jahres-Vertrag von Konzernchef Kleinfeld nur unter Auflagen verlängert wird. „Es wäre leichtfertig, wenn der Aufsichtsrat einer Vertragsverlängerung vorbehaltlos zustimmen würde“, sagte ein Vertreter des Gremiums dem Tagesspiegel. Derzeit gehe zwar niemand davon aus, dass Kleinfeld persönlich in die Affären verstrickt sei. Dennoch wolle man für einen solchen Fall gewappnet sein. Sollte Kleinfeld vorzeitig ausscheiden, soll nach dem Willen einiger Aufsichtsräte dessen Abfindung geringer ausfallen. Das Gremium will voraussichtlich auf seiner Sitzung am 25. April über die Vertragsverlängerung entscheiden.
Nicole Huss
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