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Sinkende Inflation und Gehaltszuwächse: Konsumlaune steigt etwas – Verunsicherung bei Verbrauchern allerdings weiter hoch
Die Stimmung der deutschen Verbraucher ist auf einem Zwei-Jahres-Hoch. Experten sehen allerdings nur eine langsame Belebung der Konjunktur in Deutschland.
Stand:
Die Stimmung der deutschen Verbraucher hellt sich weiter auf und ist so gut wie seit zwei Jahren nicht mehr.
Das Barometer für das Konsumklima im Juni kletterte überraschend deutlich um 3,1 auf minus 20,9 Punkte, wie die GfK und das Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM) am Mittwoch mitteilten. Von Reuters befragte Experten hatten nur mit einem Anstieg auf minus 22,5 gerechnet. Es war zugleich das vierte Plus in Folge.
„Sinkende Inflationsraten in Verbindung mit ansehnlichen Lohn- und Gehaltszuwächsen stärken die Kaufkraft der Verbraucher“, sagte NIM-Experte Rolf Bürkl. „Dennoch ist davon auszugehen, dass die Verunsicherung der deutschen Konsumenten noch immer stark ausgeprägt ist.“
Nur wenn für die Menschen diese Sicherheit zurückkehrt, werden sie auch bereit sein, ihre steigende Kaufkraft wieder in größere Anschaffungen zu investieren.
Rolf Bürkl
Nach dem leichten Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent Anfang 2024 erwarten viele Fachleute nur eine langsame Belebung der Konjunktur in Deutschland. Auch die überraschende Stagnation des Ifo-Geschäftsklimaindex im Mai – nach zuvor drei Anstiegen – signalisiert, dass die Wirtschaft ihre lange Flaute nur mühsam hinter sich lässt.
Hoffnungsträger soll Experten zufolge der private Konsum sein, nicht zuletzt wegen der abebbenden Inflation. GfK-Fachmann Bürkl betonte aber, die Verbraucherinnen und Verbraucher seien noch verunsichert. Denn nach wie vor fehlten klare Zukunftsperspektiven im Land, was zu geringer Planungssicherheit bei Anschaffungen führe. „Nur wenn für die Menschen diese Sicherheit zurückkehrt, werden sie auch bereit sein, ihre steigende Kaufkraft wieder in größere Anschaffungen zu investieren.“
Reallöhne steigen rekordartig
Die Reallöhne der deutschen Arbeitnehmer sind im ersten Quartal im Rekordtempo gestiegen. Sie wuchsen von Januar bis März um durchschnittlich 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte.
„Das war der vierte Anstieg in Folge und das stärkste Reallohnwachstum im Vorjahresvergleich seit Beginn der Zeitreihe 2008“, hieß es dazu. Demnach verzeichneten die nominalen Löhne mit 6,4 Prozent den zweithöchsten Anstieg seit 2008, während die Verbraucherpreise nur noch um rund 2,5 Prozent stiegen und damit nur einen Teil des Verdienstzuwachses aufzehrten.
Zu der positiven Entwicklung trugen die Inflationsausgleichsprämien bei. Die steuer- und abgabenfreie Prämie kann bis zu 3000 Euro betragen. Diese freiwillige Leistung der Arbeitgeber kann noch bis Ende 2024 ausgezahlt werden.
Kurzarbeit und hohe Inflation führten zu sinkenden Reallöhnen
Überdurchschnittliche Verdienststeigerungen gab es den Angaben zufolge in den Bereichen „Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung“ (+9,1 Prozent) und „Erziehung und Unterricht“ (+8,0 Prozent). Dort wird die große Mehrheit der Beschäftigten nach einem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst entlohnt.
Im zurückliegenden ersten Quartal erhielt unter den Vollzeitbeschäftigten das Fünftel mit den geringsten Verdiensten das größte Lohnplus: Hier stiegen die nominalen – also nicht inflationsbereinigten – Löhne um 8,8 Prozent. Im obersten Fünftel fiel das Plus mit 5,7 Prozent unterdurchschnittlich aus.
2020 trug der vermehrte Einsatz von Kurzarbeit wegen der Corona-Krise zu sinkenden Reallöhnen bei, während 2021 und 2022 die hohe Inflation den Nominallohnanstieg aufzehrte. 2023 reichte es aufgrund des höheren Mindestlohns und der vielfach gezahlten Inflationsausgleichsprämie zu einem minimalen Reallohnanstieg von 0,1 Prozent.
Die Wirtschaftsweisen rechnen für 2024 insgesamt mit einem spürbaren Plus. „Für das laufende Jahr ist, vor allem aufgrund bereits beschlossener Lohnerhöhungen aus dem vergangenen Jahr und dem Rückgang der Inflation, von einem weiteren Anstieg der Reallöhne auszugehen“, heißt es in deren Frühjahrsgutachten für die Bundesregierung. Allerdings dürften die Reallöhne voraussichtlich im Laufe von 2025 „ihr vorpandemisches Niveau wieder erreichen“. (Reuters)
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