zum Hauptinhalt
Die Arbeitszeiterfassung könnte rechtlich bindend werden.

© Sina Schuldt/dpa

Update

Stechuhr-Urteil gefallen: Bundesgericht entscheidet für verpflichtende Arbeitszeiterfassung

Experten rechnen damit, dass das Grundsatzurteil des höchsten deutschen Arbeitsgerichts weitreichende Auswirkungen hat. Zuletzt gab es heftige Diskussionen.

| Update:

Nun ist es höchstrichterlich entschieden: Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) besteht in Deutschland eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung, über die in der Ampel-Regierung, in der Wirtschaft und unter Arbeitsrechtlern derzeit noch heftig diskutiert wird.

Die Präsidentin des höchsten deutschen Arbeitsgerichts, Inken Gallner, begründete die Pflicht von Arbeitgebern zur systematischen Erfassung der Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten am Dienstag in Erfurt mit der Auslegung des deutschen Arbeitsschutzgesetzes nach dem sogenannten Stechuhr-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).

Wenn man das deutsche Arbeitsschutzgesetz mit der Maßgabe des Europäischen Gerichtshofs auslegt, dann besteht bereits eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung.

Inken Gallner, Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts

Der Bonner Arbeitsrechtsprofessor Gregor Thüsing nannte die Entscheidung der Bundesarbeitsrichter einen Paukenschlag. Sie fiel nach Verhandlung eines Falls aus Nordrhein-Westfalen, bei dem ein Betriebsrat mit der Forderung scheiterte, ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems zu bekommen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Eine betriebliche Mitbestimmung oder ein Initiativrecht sei ausgeschlossen, wenn es bereits eine gesetzliche Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung gibt, begründete das Bundesarbeitsgericht seine Entscheidung.

Mit seinem Grundsatzurteil preschte das Bundesarbeitsgericht in der Debatte um die Änderung des deutschen Arbeitszeitgesetzes vor. Die Bundesregierung arbeitet noch daran, die EuGH-Vorgaben von 2019 zur Einführung einer objektiven, verlässlichen und zugänglichen Arbeitszeiterfassung in deutsches Recht umzusetzen.

NRW-Arbeitsminister fordert schnelle Umsetzung

Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) fordert, das neue Urteil rasch umzusetzen.

„Jetzt muss das jahrelange Hin- und Her von Bundeswirtschafts- und Bundesarbeitsministerium ein Ende haben und bei der Reform des Arbeitszeitgesetzes klipp und klar zum Ausdruck gebracht werden, dass die Stunden aufgezeichnet werden müssen“, unterstrich Laumann am Mittwoch in Düsseldorf. Er freue sich über die höchstrichterliche Entscheidung.

Ich habe nie verstanden, dass bei Menschen, die nach Stundenlohn bezahlt werden, die Stunden nicht aufgeschrieben werden.

Karl-Josef Laumann, Arbeitsminister Nordrhein-Westfalen

Inzwischen gebe es viele Möglichkeiten, die Arbeitszeit sehr unbürokratisch digital zu erfassen. Insofern sei das auch nicht mit großem Aufwand verbunden. Gleichzeitig stärke eine genaue Erfassung die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, betonte Laumann.

Fachleute befürchten weitreichende Auswirkungen

Fachleute rechnen damit, dass das BAG-Grundsatzurteil (1ABR 22/21) weitreichende Auswirkungen auf die bisher in Wirtschaft und Verwaltung tausendfach praktizierten Vertrauensarbeitszeitmodelle bis hin zu mobiler Arbeit und Homeoffice haben wird, weil damit mehr Kontrolle besteht.

Nach dem deutschen Arbeitszeitgesetz müssen bisher nur Überstunden und Sonntagsarbeit dokumentiert werden, nicht die gesamte Arbeitszeit.

Arbeitgeberverband kritisieren Urteil

Die Arbeitgebervereinigung BDA kritisierte das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Arbeitszeiterfassung als „überstürzt und nicht durchdacht“.

Das Gericht überdehne mit seiner Entscheidung den Anwendungsbereich des Arbeitsschutzgesetzes deutlich, sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter. „Damit werden Beschäftigte und Unternehmen ohne gesetzliche Konkretisierung überfordert. Diese Entscheidung darf nicht dazu führen, dass bewährte und von den Beschäftigten gewünschte Systeme der Vertrauensarbeitszeit in Frage gestellt werden.“ (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false