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Wirtschaft: Textilindustrie: Marzottos Schicksal ist an Hugo Boss geknüpft

Der größte europäische Wollweber Marzotto schließt in diesem Jahr seine Restrukturierung ab. Neben Kosteneinsparungen im Textilbereich setzt das italienische Unternehmen auf Wachstum im Bekleidungssektor.

Der größte europäische Wollweber Marzotto schließt in diesem Jahr seine Restrukturierung ab. Neben Kosteneinsparungen im Textilbereich setzt das italienische Unternehmen auf Wachstum im Bekleidungssektor. Eine herausragende Rolle für die Entwicklung spielt die deutsche Tochter Hugo Boss.

"Wir sind heute das einzige Unternehmen Europas, das alle Arbeitsschritte, von der Herstellung des Garns bis zur Produktion des Bekleidungsstücks, beherrscht", sagt Vorstandschef Innocenzo Cipolletta in einem Gespräch mit dem Handelsblatt. Wie viele Textilunternehmen hat auch Marzotto schwierige Jahre hinter sich. Hätte nicht das Familienoberhaupt Graf Pietro Marzotto vor zehn Jahren die Mehrheit des Metzinger Bekleidungsherstellers Hugo Boss erworben, stünde das Unternehmen heute völlig anders dar. Wie abhängig die Italiener von den Deutschen sind, zeigt der Aktienkurs - das Marzotto-Papier folgt Boss auf Schritt und Tritt. Boss erwirtschaftet derzeit die Hälfte des Konzernumsatzes, der in 2000 um etwa 15 Prozent auf 12,6 Milliarden Euro gestiegen ist. 80 Prozent des operativen Gewinns (190 Millionen Euro) stammen von der florierenden Tochter. Betrachtet man den Nettogewinn von 47 Millionen Euro, ergäbe die Rechnung "Marzotto minus Boss" gar rote Zahlen.

Grund dafür sind die hohen Aufwendungen, die in die Restrukturierung der Textilsparte gesteckt werden mussten. In den vergangenen Jahren hat Marzotto etwa 30 Prozent seiner Produktion von Garnen und Stoffen in Niedriglohnländer ausgelagert. Vor allem in Tschechien und Litauen wurde investiert. "Die Verlagerung der Produktion hat Mitte der 90er Jahre begonnen, in diesem Jahr werden wir den Prozess abschließen", so Cipolletta. Er ist zuversichtlich, dass die Textilsparte 2002 die Gewinnschwelle erreichen wird - derzeit macht sie Verluste.

Während Marzotto also einerseits eine Defensivstrategie der Kostensenkung wählt, will das Unternehmen im Bekleidungsbereich, der über zwei Drittel der Umsätze ausmacht, aggressiver zu Werke gehen. Cipolletta: "Die Welt der Mode ist sehr schnelllebig, da muss eine Firma in der Größenordung von Marzotto eine treibende Rolle spielen." Konkret geht es dem Textilmanager um den Erwerb von starken Marken. Denn neben Boss verfügt Marzotto nur noch über die Lizenz von zwei bekannten Labels: Gianfranco FerrË und Marlboro Classics. 2003 läuft der Vertrag über die Nutzungsrechte von FerrË aus und es ist unwahrscheinlich, dass er erneuert wird. Da bekannte Marken derzeit kaum zu haben sind, setzt Cipolletta auch auf die Entwicklung eigener Brands. So laufen in den USA Tests mit Herrenanzüge im oberen Preissegment unter dem Label "Marzotto". Im Mittelpunkt der Markenstrategie steht aber Boss: 2000 wurde erstmals eine Frauen-Kollektion lanciert. Sie soll 2001 einen Umsatz von 50 Millionen Euro machen. Bis Ende 2002 peilt Cipolletta eine Verdreifachung des Verkaufs-Volumens an. Auch die fast 300 Boutiquen weltweit sollen aufgestockt werden. "Die Shops sind mehr als nur Verkaufsstellen", sagt Cipolletta. "Sie spielen eine wichtige Rolle für das Marketing."

mab

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