Wirtschaft: Tui bald ohne Reisesparte?
Die Fusion mit dem britischen Konkurrenten First Choice könnte der Beginn einer Konzernaufspaltung sein
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Berlin/Düsseldorf - Die Fusion mit dem britischen Konkurrenten First Choice im Reisegeschäft könnte der Anfang sein. Beobachter gehen davon aus, dass der Tui-Konzern sich ganz neu aufstellt. Der Zusammenschluss sei ein „erster Schritt zur Konzernaufspaltung“, meint etwa Stefan Schöppner, Analyst bei der Dresdner Bank. „Tui sagt, wir übernehmen First Choice. Ich glaube aber, es müsste heißen: First Choice übernimmt Tui Travel“, sagte Schöppner dem Tagesspiegel. Das zeige sich schon an der britischen Rechtsform der neuen Konzerntochter und am Hauptquartier in London. „Außerdem soll das Management von First Choice gestellt werden.“
Die Fusion und die Gründung einer neuen börsennotierten Tui Travel plc in London könnte nach Ansicht von Beobachtern die Vorstufe für eine völlige Trennung der Tui vom Touristikgeschäft sein. Damit wäre die „Zwei-Säulen- Strategie“ von Konzernchef Michael Frenzel mit den Sparten Touristik und Schifffahrt beendet. Aktionäre und Finanzinvestoren hatten diese heftig kritisiert.
Vorstandschef Frenzel stellte jedoch am Montag in Hamburg bei der Bekanntgabe der Details den geplanten Zusammenschluss als Kern einer Wachstumsstrategie im europäischen Reisemarkt dar. „Das ist einer der besten Deals der letzten Jahre“, sagte ein Investmentbanker dem Handelsblatt zu den Fusionsabsichten von Europas größtem Reise- und Schifffahrtskonzern sowie dem britischen Unternehmen, das im Umsatz viertgrößter Anbieter in Europa ist.
Die Börse reagierte mit einem Kurssprung. Die Tui-Aktie legte zeitweilig mehr als 14 Prozent zu und ging mit plus 9,6 Prozent bei 18,10 Euro aus dem Handel. Allerdings verwiesen Finanzkreise in Frankfurt darauf, dass dieser Anstieg auch durch Hedgefonds ausgelöst worden sei. Diese investierten massiv in Tui- Aktien, weil sie mittelfristig auf einen völligen Ausstieg der Tui aus dem Touristikgeschäft und damit auf eine Konzentration auf die Sparte Container-Schifffahrt der Hamburger Konzerntochter Hapag- Lloyd setzten.
Die Übernahmevereinbarung sieht nach Unternehmensangaben vor, dass Tui seine Touristiksparte ohne die Hotelbeteiligungen in die neue Gesellschaft einbringt. Sie übernimmt auch Verbindlichkeiten der Tui AG von 875 Millionen Euro, darunter die kompletten Pensionsverpflichtungen. First Choice Holiday wird ganz in der Tui Travel aufgehen. Nach der Transaktion werde die Tui AG 51 Prozent der Aktien der neuen Gesellschaft halten, die bisherigen Aktionäre von First Choice werden mit 49 Prozent an dem neuen Unternehmen beteiligt sein. Der Zusammenschluss soll im dritten Quartal des Jahres vollzogen werden.
Frenzel sieht damit einen „der profitabelsten und zugleich schlagkräftigsten Touristikkonzerne der Welt“ entstehen. Die neue Firma würde auf der Basis der Geschäftszahlen von 2006 einen Umsatz von rund 18 Milliarden Euro und ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von 475 Millionen Euro erreichen. Reiseveranstalter und Fluggesellschaften der Tui Travel sollten dann rund 27 Millionen Urlauber als Kunden haben.
Der künftige Chef von Tui Travel, First-Choice-Vorstand Peter Long, verwies darauf, dass sich beide Unternehmen ideal ergänzten. Tui sei Marktführer bei den klassischen Badepauschalreisen, First Choice habe dagegen erfolgreich in das konkurrierende Segment der Bausteinreisen expandiert. Dabei stellt der Kunden seine Reisebestandteile individuell zusammen. „Beide Partner profitieren vom Know-how des anderen“, sagte Long. Durch die Verknüpfung insbesondere der britischen Tui-Tochter Thomson Travel mit First Choice erwarten die Unternehmen Synergiepotenziale von jährlich knapp 150 Millionen Euro. Der fusionsbedingte Verlust von Arbeitsplätzen sei noch nicht zu beziffern, betreffe aber vorwiegend Großbritannien.
Die Fusionspläne verdrängten fast, dass die Tui gleichzeitig tiefrote Zahlen für das Jahr 2006 vorlegte. Das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen ging von 590,5 Millionen Euro auf 202,8 Millionen Euro zurück. Branchenexperten waren von mindestens 300 Millionen Euro ausgegangen. Nach einem Vorjahresgewinn von 495 Millionen Euro rutschte das Konzernergebnis sogar in die Verlustzone auf minus 846,6 Millionen Euro. Nur der Umsatz stieg leicht von 19,5 auf 20,9 Milliarden Euro und bestätigte damit die Erwartungen.mit HB
Juliane Schäuble
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