zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Turbulenzen an den Börsen: Hunde spielen mit Herren

Börsen-Altmeister André Kostolany erzählte gerne die Geschichte von Herr und Hund. Wie der Hund laufe die Börse der Wirtschaftsentwicklung mal voraus, mal hinterher.

Börsen-Altmeister André Kostolany erzählte gerne die Geschichte von Herr und Hund. Wie der Hund laufe die Börse der Wirtschaftsentwicklung mal voraus, mal hinterher. Da brauche der Anleger viel Ruhe und Geduld, denn schließlich kämen beide doch gemeinsam ans Ziel.

Im Augenblick läuft die Börse voraus. Sie gibt einen Vorgeschmack auf die kommende Abschwächung des Wirtschaftswachstum in den Vereinigten Staaten und weitere Gewinnwarnungen, insbesondere der Technologieunternehmen. Und diese Zukunftsaussichten werden von den Börsianern umso düsterer gemalt, desto euphorischer sie noch im vergangenen Jahr waren. Der Schock des massiven Einbruchs an der amerikanischen Technologiebörse Nasdaq und am Neuen Markt ist noch immer nicht überwunden. Die Enttäuschung der Anleger, dass auf dem Parkett eben nicht das schnelle Geld zu verdienen ist, bestimmt ihre Entscheidungen bis heute.

Nun sind sie übervorsichtig, sie sind frustriert und ihre Wahrnehmung ist selektiv. Reagiert wird vor allem auf die negativen Nachrichten. Vor diesem psychologischen Hintergrund ist es zu erklären, warum Gewinnwarnungen einzelner Unternehmen wie Cisco oder Nortel nicht etwa nur das einzelne Unternehmen treffen, sondern gleich die ganze Branche. War früher alles gut, wird heute alles schwarz gemalt. Traute man im vergangenen Jahr der New Economy alles zu, genügt dieser Tage ein verpatzter Börsengang von Orange, um die Kurse aller Telekommunikationstitel in die Tiefe zu reißen.

Und so schnell lassen sich Enttäuschungen nicht verarbeiten. Sicherlich, Daimler-Chrysler hat seit Jahresbeginn rund 25 Prozent an Wert gewonnen. Aber was zählt dies für Anleger, die noch in Erinnerung haben, dass die Aktie einmal bei 100 Euro stand. Auch die Deutsche Telekom wird sehr lange brauchen, Vertrauen zurückzugewinnen. Der Sturz von 100 auf unter 30 Euro wird noch in der Erinnerung der Anleger haften, wenn die Aktie wieder einmal einen Kurs von 70 Euro erreicht hat. Die Entwicklung bei der Telekom überdeckt zudem, dass der Dax ohne Berücksichtigung dieses Dax-Schwergewichts nahe seines Jahreshöchststandes notieren würde.

Gegen diesen Pessimismus zeigen positve Meldungen fast keine Wirkung mehr. Die Zinssenkungen durch die US-Notenbank verpufften. Allenfalls kann man dem Fed-Chef Alan Greenspan nachsagen, dass er einen noch stärkeren Kurseinbruch verhindert hat. Dabei achtet Greenspann sogar noch stärker auf die gewachsene Bedeutung der Börse für die Gesamtwirtschaft als sein europäischer Kollege Wim Duisenberg. Dieser lässt sich nicht unter Druck setzen, sondern will Kontinuität demonstrieren. Wenn die Europäische Zentralbank schließlich mit ihrer seit Wochen erwarteten Zinssenkung kommt, wird diese als selbstverständlich bewertet werden und ist längst in den Kursen vorweggenommen.

Also ein hoffnungsloses Unterfangen, auf Impulse von den Zentralbanken zu warten? Es braucht Geduld, denn natürlich begünstigen sinkende Zinsen besonders die Telekommunikationsunternehmen mit ihren riesigen Schuldenbergen. Und natürlich werden sich die Unternehmen von ihrem zurechtgestutzten Niveau wieder emporarbeiten. Dafür sorgt schon der statistische Effekt. Gegenwärtig wird das erste Quartal dieses Jahres mit dem sehr guten Quartal des Vorjahres verglichen. Selbst passable Zahlen sehen im Vergleich bescheiden aus. Im dritten und vierten Quartal wird sich dies ändern.

Wer also heute preiswert Aktien einkauft, und dies heißt ganz konkret zu einem vernünftigen Kurs-Gewinn-Verhältnis, wer sich durch den ein oder anderen Dämpfer, der sicher noch folgen wird, nicht verunsichern und beirren lässt, hat gute Gewinnmöglichkeiten. Sollte die Börse weiterhin so "trödeln" hat der Herr gute Chancen, den Hund wieder einzuholen und mit ihm gemeinsam durchs Ziel zu gehen.

Daniel Rhee-Piening

Zur Startseite