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Oliver Zipse, Vorstandsvorsitzender der BMW AG, spricht auf der «Digital Life Design» (DLD) Konferenz.

© dpa/Lennart Preiss

Viertagewoche im Test: BMW-Chef Zipse fordert eisern Mehrarbeit

Glücklicher, produktiver und gleichgestellter. Das alles erhofft sich ein Pilotprojekt von der Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich. BMW-Chef Oliver Zipse hält die Debatte für irreführend.

Die Viertagewoche kann so einiges: Sie mache Beschäftigte glücklicher, steigere die Produktivität im Unternehmen und fördere gleichzeitig die Gleichstellung und den Klimaschutz, so zumindest die Theorie der Organisation 4 Day Week Global. Gleichzeitig polarisiert die Viertagewoche. Mit der Studie will Carsten Meier Fans und Kritiker des Konzepts an einen Tisch bringen - aber wer sind diese überhaupt?

BMW-Chef Oliver Zipse lehnt die Diskussion um Arbeitszeitverkürzung ab. „Wollen wir in der aktuellen Situation wirklich über Arbeitszeitverkürzung diskutieren? Die Debatte um eine Viertagewoche ist doch ein irritierendes Signal, wenn wir eigentlich den Fachkräftemangel bekämpfen müssen“, sagte Zipse. Stattdessen fordert er angesichts fehlender Fachkräfte eine Wende in der Beschäftigungspolitik. „Wir müssen attraktive Anreize für Mehrarbeit schaffen. Es darf nicht sein, dass bei jeder Überstunde die Abgaben steigen - stattdessen müssen es weniger Steuern und Abgaben sein“, sagte Zipse dem „Handelsblatt“ vom Freitag.

Für den BMW-Chef ist der Rückgang von Fachkräften mittlerweile eines der größten Wachstumsrisiken für Deutschland. „Wir brauchen eine Antwort auf die veränderte Demographie. Die Babyboomer treten jetzt in so großer Zahl in den Ruhestand, das lässt sich nur mit gezielter Fachkräfte-Zuwanderung allein nicht kompensieren“.

Eine pauschale Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich ist für die überwiegende Mehrheit der Unternehmen keine Option.

Arbeitgeberverband BDA

Die IG Metall hält eine Arbeitszeitverkürzung grundsätzlich für sinnvoll. Sophie Jänicke sitzt für die Gewerkschaft im Beirat, der die Studie begleiten soll. Die Gewerkschaft verspricht sich Erkenntnisse darüber, „was die Bedingungen für gute Modelle einer Viertagewoche sind und was bei der Umsetzung zu beachten ist“, wie ein Sprecher mitteilt.

Eine Arbeitszeitverkürzung könne für viele dennoch interessant sein, letztendlich sei aber der Einzelfall entscheidend. Die IG Metall äußert sich optimistischer: „Die Einführung einer Viertagewoche ist flächendeckend oder branchenweit natürlich nicht von heute auf morgen möglich, aber grundsätzlich machbar.“

Skeptischer äußert sich der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). „Gerade bei kleineren Betrieben ist es fraglich, ob bei einer ohnehin dünnen Personaldecke auf einzelne Beschäftigte ohne Weiteres für einzelne Tage dauerhaft verzichtet werden kann“, teilt der ZDH auf Anfrage mit. Grundsätzlich könnten attraktive betriebliche Arbeitszeitmodelle jedoch ein wichtiger Wettbewerbsvorteil sein, um neue Beschäftigte anzuwerben.

Das sieht auch der Arbeitgeberverband BDA so: „Flexible Arbeitszeiten sind für viele Unternehmen ein wichtiger Anreiz bei der Fachkräftegewinnung“, sagte Beiratsmitglied Kristian Schalter vom BDA dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Eine pauschale Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich sei nach Ansicht des Arbeitgeberverbands BDA für die überwiegende Mehrheit der Unternehmen jedoch keine Option.

Arbeitnehmer nach dem Experiment weniger gestresst

Carsten Meier, Mitbegründer der Unternehmensberatung Intraprenör, die das Experiment gemeinsam mit 4 Day Week Global umsetzt, will es mit der Studie „einfach mal ausprobieren“. Mitmachen kann eigentlich jeder: Die Größe des Unternehmens ist egal und auch die Branche spielt für die Teilnahme keine Rolle. Ein bunter Mix wäre aber nett, heißt es auf Nachfrage.

Von Februar bis August kommenden Jahres sollen die noch unbekannten Firmen ihren Mitarbeitenden den vollen Lohn zahlen, obwohl die nur noch 80 Prozent der bisherigen Zeit arbeiten. Die Produktivität der Mitarbeitenden soll dabei auf demselben Niveau bleiben.

Wissenschaftlich begleitet wird das Ganze von der Universität Münster, die teilnehmenden Unternehmen sollen durch Trainings und Netzwerktreffen beim Experiment unterstützt werden. Wie viele letztendlich teilnehmen, ist noch offen. „Wenn es am Ende so um die 60 Unternehmen sind, wären wir sehr zufrieden“, erklärt Intraprenör. Bis 30. November können sich die Unternehmen bewerben.

In anderen Ländern sind ähnliche Studien bereits gelaufen. In Großbritannien nahmen 61 Unternehmen an einem Pilotprojekt teil, und 56 davon gaben an, die Viertagewoche auch nach dem Ende der Testphase beibehalten zu wollen. Durchschnittlich beobachteten die Forschenden aus Boston und Cambridge damals eine Umsatzsteigerung von rund 1,4 Prozent. Die Krankheitstage verringerten sich um rund zwei Drittel und die Zahl der Angestellten, die kündigten, ging um 57 Prozent nach unten. Fast 40 Prozent gaben an, sich nach dem Experiment weniger gestresst zu fühlen als zuvor.

Insgesamt nahmen an dem Experiment in Großbritannien 2900 Beschäftigte teil, die bei Onlinehändlern, Animationsstudios, im Marketing oder Imbissbuden arbeiteten. 62 Prozent konnten laut Studie ihr Sozialleben und die Arbeit besser unter einen Hut bekommen. Tests gab es auch in Spanien, Island, den USA und Kanada, in Australien und Neuseeland. (AFP, Tsp)

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