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Wirtschaft: Wann ist Arbeit zumutbar?

BAG-Urteil: Lohn unter Sozialhilfesatz ist nicht sittenwidrig

Berlin (dro). Sie ist ein fester Bestandteil der Diskussion um die Reform des Arbeitsmarktes, die Frage nach der Zumutbarkeit von Arbeit. Denn im Zuge von Hartz IV sollen ab Januar 2005 für Langzeitarbeitslose die Zumutbarkeitsregelungen verschärft werden. Grundlegend für die Diskussion könnte jetzt ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt werden. Dort wurde nämlich entschieden, dass ein Lohn unterhalb des Sozialhilfeniveaus durchaus zumutbar sein kann. In dem Urteil heißt es, für die rechtliche Beurteilung sei es unerheblich, ob die vereinbarte Lohnhöhe unter dem Sozialhilfesatz liege. Damit wies das Gericht in letzter Instanz die Klage eines Lagerarbeiters gegen Randstad, die größte Zeitarbeitsfirma in Deutschland, ab.

Der 42Jährige hatte in den Jahren 2000 und 2001 für Randstad in Berlin zu einem Lohn von umgerechnet zunächst 6,13, später 6,33 Euro je Stunde gearbeitet. Er meinte, dass seine Bezahlung sittenwidrig war, weil sie in einem groben Missverhältnis zum orts- und branchenüblichen Durchschnittslohn stand. Der liegt laut Statistischem Landesamt für ungelernte Arbeiter im produzierenden Gewerbe in Berlin bei 11,94 Euro.

Das Arbeitsgericht sah das anders. Maßgeblicher Vergleich sei der Tariflohn bei Zeitarbeitsfirmen, urteilte das BAG. Hier habe der Lohn dem zwischen Gewerkschaften und Randstad ausgehandelten Haustarif entsprochen. Dieser Tarifvertrag sei auch nahezu gleichwertig mit dem Anfang 2004 zwischen den DGB-Gewerkschaften und der Interessengemeinschaft Deutscher Zeitarbeitsunternehmen ausgehandelten heutigen Tarif.

Dass dieser Tarif niedriger ist als der vor Ort übliche Lohn sei nicht sittenwidrig, urteilte das BAG. Dieser Lohn trage den Besonderheiten der Zeitarbeitsbranche angemessen Rechnung. „Zeitarbeitsfirmen müssen nunmal branchenübergreifende und überregionale Tarifverträge abschließen“, sagte Thomas Läpple vom Bundesverband Zeitarbeit.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hätte sich allerdings eine andere Urteilssprechung von den Erfurter Richtern gewünscht. „Hätte der Mann Recht bekommen, dann wären wir in der Diskussion um Mindestlöhne entscheidend weitergekommen“, sagte Thomas Wenzel von Verdi, der für das Thema Zeitarbeit zuständig ist. Denn dass Zeitarbeiter bisher in Deutschland grundsätzlich geringer bezahlt werden als ihre Kollegen, die in einem Betrieb fest angestellt sind, will Verdi in den nächsten Jahren ändern. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, lautet die Parole.

Was die Zumutbarkeit von Arbeit angeht, ist nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zumindest eines deutlich geworden: Der Sozialhilfesatz als Richtlinie für einen Mindestlohn ist kein Kriterium für die Zumutbarkeit von Arbeit. Denn laut BAG ist die „Feststellung der Sittenwidrigkeit einer Lohnvereinbarung auf das Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt abzustellen“. Das heißt, die Bezahlung muss der geleisteten Arbeit entsprechen – und nicht wie im Fall der Sozialhilfe, der individuell festzustellenden Bedürftigkeit.

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