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ARCHIV - 26.07.2021, Niedersachsen, Wolfsburg: Herbert Diess, Vorsitzender des Vorstands der Volkswagen AG, bei einem Interview mit Redakteuren der Deutschen Presse Agentur (dpa). Diess wird Konzernkreisen zufolge nach seinem Abtritt weiter für das Unternehmen tätig sein.

© dpa/Carsten Koall

Weil fordert betriebsinterne Gespräche: Ex-VW-Chef Diess hält Sparprogramm bei Volkswagen für nötigen Tabubruch

VW will seine Sparpläne verschärfen. Niedersachsens Ministerpräsident Weil dringt auf Gespräche zwischen Management und Betriebsrat.

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Der frühere VW-Chef Herbert Diess hält die Kündigung der tarifvertraglichen Jobsicherung und mögliche Werksschließungen bei Volkswagen für einen nötigen Tabubruch. „In meiner Zeit haben noch viele gedacht, man müsse so was nie machen bei VW“, sagte er der „Wirtschaftswoche“ laut Vorabmeldung vom Mittwoch. Für Volkswagen sei das „eine neue Situation, auch ein Tabubruch“, fuhr er fort. Die Rosskur werde dem Unternehmen aber gut tun.

Der kriselnde Autobauer hatte am Dienstag fristgerecht zum Jahresende den sogenannten Zukunftstarifvertrag zur Beschäftigungssicherung gekündigt, der betriebsbedingte Kündigungen bis 2029 ausschließt. Das Unternehmen sehe sich aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen dazu gezwungen, erklärte der Personalvorstand der Kernmarke VW, Gunnar Kilian. Nach einer Übergangsphase werden betriebsbedingte Kündigungen ab Juli 2025 möglich, wenn es keine Einigung auf eine neue Lösung gibt.

Seit seinem Wechsel zu VW sei damals über den nötigen Handlungsbedarf diskutiert worden, sagte Diess weiter. Damals sei es für die Einsparungen aber „wahrscheinlich zu früh“ gewesen. „Dem Unternehmen geht es doch gut, haben viele gesagt“, erinnerte sich der ehemalige VW-Chef im Gespräch mit der „Wirtschaftswoche“. Er war zwischen 2018 und 2022 VW-Chef.

Nun gebe es die Situation, dass die Ergebnisqualität der Marke VW „schlecht“ sei. „Die Produktivität der meisten deutschen Standorte der Marke VW reicht nicht, um die hohen Lohnkosten zu kompensieren und auch in der Verwaltung ist viel Potenzial für Optimierung“, sagte Diess. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) habe gesagt, dass Volkswagen jetzt seine Hausaufgaben machen müsse. „Das trifft es gut. Das Unternehmen wird dadurch auch schneller und besser werden.“

Diess sieht VW dafür personell gut aufgestellt. „Der Olli Blume macht das sehr gut – und das ganze Volkswagen Team“, sagte er mit Bezug auf VW-Chef Oliver Blume. Dieser gehe die Sanierung „mit ruhiger Hand“ an und habe „sicher größere Chancen diese Aufgabe zu bewältigen“.

Die Führung der Kernmarke VW des Volkswagenkonzerns hatte vor einer Woche einen härteren Sparkurs angekündigt und dabei Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr ausgeschlossen. Am Dienstag dann folgte die Kündigung von insgesamt sechs Tarifverträgen zum Jahresende. Die Gewerkschaft IG Metall sprach daraufhin von einem „beispiellosen Angriff auf das gemeinsame historische Tarifwerk“.

Ministerpräsident Weil fordert zügig Gespräche zu VW-Krise

In der Krise bei Volkswagen hat Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zügig Gespräche zwischen Management und Arbeitnehmerseite gefordert. Nach einer Phase der öffentlichen Debatte müssten nun beide Seiten an einem Tisch gemeinsam Lösungen für mehr Wettbewerbsfähigkeit bei dem Konzern finden, sagte Weil nach einem Gespräch mit dem VW-Betriebsrat am Werk im ostfriesischen Emden. „Das ist die klare Erwartung, die das Land Niedersachsen jetzt hat, an das Management, auch an die Interessenvertretung der Arbeitnehmerschaft: Sehr schnell jetzt zu beginnen, miteinander Klartext zu reden.“ Niedersachsen wolle dabei unterstützen. „Wir sind sehr interessiert an einer positiven Weiterentwicklung von Volkswagen in Niedersachsen.“

Weil sagte weiter, VW habe in seiner Geschichte viele schwierige Situationen durchlebt. „Bis jetzt ist es noch jedes Mal gelungen, zu gemeinsamen Ergebnissen zwischen Vorstand und Arbeitnehmerschaft zu gelangen und ich wüsste nicht, warum das dieses Mal nicht gelingen soll.“ Mit welchen Maßnahmen mehr Wettbewerbsfähigkeit erreicht werden könne, müsse nun besprochen werden. „Das geschieht besser nicht in öffentlichen Diskussionen.“

Ministerpräsident sitzt im VW-Aufsichtsrat

Weil sprach zuvor fast eine Stunde im Emder VW-Werk mit Vertretern des Betriebsrats und der Gewerkschaft IG Metall. „Man spürt deutlich, dass die Ereignisse seit Beginn der letzten Woche große Betroffenheit bei Volkswagen, zum Beispiel hier am Standort, ausgelöst haben“, sagte Weil. Bei VW in Emden sind rund 8000 Menschen beschäftigt. Es ist der mit Abstand wichtigste industrielle Arbeitgeber in der Region.

Das Land Niedersachsen hält 20 Prozent der Stimmrechte im VW-Konzern. Ministerpräsident Weil und seine Stellvertreterin Julia Willie Hamburg (Grüne) sitzen für das Land im Aufsichtsrat. Zusammen mit den Arbeitnehmervertretern haben sie dort die Mehrheit; bei wichtigen Entscheidungen hat das Land ein Veto-Recht.

VW hatte zuletzt angekündigt, bei der Kernmarke kräftig sparen zu müssen. Der bisher geplante Stellenabbau durch Altersteilzeit und Abfindungen reiche nicht mehr aus. Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen bei der Kernmarke VW seien nicht länger ausgeschlossen, hatte Europas größter Autobauer angekündigt. Am Dienstag kündigte der Konzern die seit 1994 geltende Job-Garantie – damit sind betriebsbedingte Kündigungen ab Juli 2025 möglich. (AFP, dpa)

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