Wirtschaft: Wer den Grill umkippt, muss selber zahlen Haftpflichtversicherungen übernehmen nicht jedes Missgeschick
Düsseldorf. Der eine verkippt während der Balkonparty das Glas Rotwein auf das teure Shirt der Nachbarin.
Düsseldorf. Der eine verkippt während der Balkonparty das Glas Rotwein auf das teure Shirt der Nachbarin. Der andere hilft, den Fernseher für das WM-Spiel in den Garten zu wuchten – und stolpert dabei unglücklich. Ist der Sommer vorbei, beginnt für Rechtsanwälte häufig erst die wirklich heiße Zeit, denn dann wird erbittert um Schadenersatz gerungen. Und immer wieder dreht es sich um die eine Frage: „Muss ich dafür wirklich zahlen?"
So unterschiedlich die Missgeschicke sein mögen: Wann jemand haften muss, hat der Gesetzgeber ziemlich genau geregelt. Voraussetzung ist ein Verschulden – allerdings gilt schon eine leichte Fahrlässigkeit als Schuld. Wer etwa gedankenverloren oder sogar ein bisschen beschwipst den Grill des Gastgebers anrempelt und dadurch die glühenden Kohlen auf den Füßen der anderen Gäste verteilt, muss sich auf teure Folgen gefasst machen. Schusseligkeit zählt nicht als Entschuldigung. Es war schließlich seine Schuld, auch wenn er den Grill nicht mit Absicht angerempelt hat. Hat der Schuldige vorher ein paar Bierchen getrunken, muss er sich das erst recht vorwerfen lassen.
Schnappt die Haftungsfalle zu, kann es teuer werden. Wer das im Badeort geliehene Rad nur leicht verbogen zurückbringt, der kommt vielleicht mit ein paar hundert Euro Schadenersatz davon. Wer mit dem gleichen Rad aber eine Massenkarambolage verursacht, weil ein Autofahrer für den unachtsamen Radler scharf bremsen musste, hat ein Problem: War er nicht versichert, kann er bis ans Ende seiner Tage zahlen (siehe Kasten).
Auch Helfer haften
Erstaunt stellen hilfsbereite Menschen mitunter fest, dass sie selbst dann haften muss, wenn sie einem Bekannten nur eine Freude machen wollten. So kann der Sturz mit dem Fernseher des Freundes im Arm teuer werden. Allerdings haben die Gerichte in einigen Fällen differenziert. Es würde jegliche Hilfsbereitschaft abwürgen, so die Überlegung, wenn jeder selbst für kleinste Fehler schwer büßen müsste. Typische Beispiele sind die private Umzugshilfe unter Freunden oder die Blumenpflege auf Nachbars Balkon, während der im Strandurlaub auf den Malediven weilt. Kommt es dabei wegen leichter Fahrlässigkeit des blumengießenden Nachbarn zu einem Wasserschaden in der Wohnung, entfällt die Haftung, urteilte zum Beispiel das Amtsgericht Konstanz (Az: 5 C 608/ 93).
Die Richter unterstellen dabei, dass beide Seiten sich vorher stillschweigend auf einen Haftungsverzicht geeinigt haben. Das gilt aber nicht immer. Bei grober Fahrlässigkeit. gibt es auch dann keine Nachsicht, wenn es doch eigentlich gut gemeint war. Die Idee, gemütlich ein paar Kerzen in einer Scheune anzuzünden, dürfte wohl immer als grobe Fahrlässigkeit bewertet werden.
Besonders viel Ärger droht, wenn Kinder im Sommer mal so richtig toben können. Machen die Kleinen dummes Zeug, kann es passieren, dass der Geschädigte leer ausgeht. Immer wieder kommt es zu Streitereien mit Haftpflichtversicherern, die Schäden von Kinder nicht regulieren wollen. Fakt ist: „Wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich." So steht es im Gesetz. Kinder unter sieben Jahren können also nicht haftbar gemacht werden. Im Straßenverkehr gilt vom 1. August an sogar eine neue Altersgrenze von zehn Jahren.
Eltern müssen aufpassen
Selbst wenn das Kind in der Police seiner Eltern mitversichert ist, muss die Privathaftpflichtversicherung für jüngere Kinder nicht einspringen. Allerdings muss im nächsten Schritt geprüft werden, ob die Eltern ihre Aufsichtspflicht verletzt haben (was wiederum versichert ist). „Ist ein Kind für einen Schaden wegen seines Alters nicht haftbar zu machen, sind ersatzweise die Aufsichtspflichtigen dran – in der Regel die Eltern“, sagt die Düsseldorfer Rechtsanwältin Annette Mertens.
Was Eltern tun müssen, um ihrer Aufsichtspflicht zu genügen, darüber gibt es Unmengen an Urteilen. Lassen sie ein Kind unter acht Jahren allein mit einem Fahrrad in den Straßenverkehr, verletzen sie auch dann ihre Aufsichtspflicht, wenn sie in kritischen Situationen nicht mehr eingreifen konnten (Amtsgericht Detmold, Az: 6 C 424/ 96).
Mitunter schießen Eltern nach Schadenfällen ein folgenreiches Eigentor, sagt Michael Kronenberg, gerichtlich zugelassener Versicherungsberater aus Wuppertal. „Da hat der Kleine Unfug gemacht, und die Eltern wissen genau, dass sie unvorsichtig waren“, sagt er. Um sich aber keine Blöße zu geben, flunkerten die Eltern in der Schadensmeldung bei der Versicherung. „Sie hätten alles Erdenkliche getan, um den Schaden zu verhindern, heißt es oft – und genau deswegen wird dann die Regulierung abgelehnt."
Der Grund: Die Versicherung zahlt nur dann an den Geschädigten, wenn sonst das Kind oder die Eltern unmittelbar zahlen müssten. Haben aber die Eltern erfolgreich dargelegt, dass sie alles richtig gemacht haben, müssen sie nicht haften – und damit auch nicht ihre Versicherung. Eltern sollten deshalb ihre möglichen Versäumnisse lieber nicht beschönigen. Andreas Kunze
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