zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Wie geschmiert

Deutsche Firmen müssen wegen ihrer Verstöße gegen das Irak-Embargo keine harten Sanktionen fürchten

Berlin – Deutsche Unternehmen müssen sich wegen ihrer Verstöße gegen das Irak-Embargo nicht auf langwierige Prozesse einstellen. Das ergibt sich nach Tagesspiegel-Recherchen aus dem bisherigen Vorgehen der bundesweit etwa zwei Dutzend beteiligten Staatsanwaltschaften. Die ersten vier Ermittlungsverfahren sind gegen Geldauflagen eingestellt worden oder stehen kurz davor. Möglich ist das mit Paragraf 153 a der Strafprozessordnung (siehe Kasten), auf dessen Grundlage auch Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann der Verurteilung entging.

So berichtet der Bochumer Oberstaatsanwalt Bernd Bieniossek, in den beiden Fällen seiner Zuständigkeit werde es nicht zur Anklage kommen. Die Ermittlungen sollten gegen Geldauflagen eingestellt werden. Die SSS Starkstrom- und Signaltechnik in Essen solle über 400 000 Euro zahlen, die Firma Ruhrpumpen in Witten über 200 000 Euro. Hinzu kämen Zahlungen der verantwortlichen Manager von 10 000 bis 15 000 Euro. „Mir ging es vor allem darum, die Gewinne abzuschöpfen“, sagt Bieniossek. „Beide Unternehmen haben von Anfang an alle Karten auf den Tisch gelegt.“

Die Firmen tauchen in dem vor gut einem Jahr veröffentlichten Kommissionsbericht über Korruption beim „Öl für Lebensmittel“-Programm der Vereinten Nationen auf. Es sollte die Auswirkungen des von 1996 bis 2003 geltenden Handelsembargos für die Bevölkerung lindern. Der Irak durfte nur unter Aufsicht Öl verkaufen und im Gegenzug Lebensmittel und Medikamente einführen.

SSS hat dem Bericht zufolge für fast 15 Millionen Dollar Waren geliefert und rund 640 000 Dollar Gebühren an das Regime des inzwischen hingerichteten Diktators Saddam Hussein gezahlt. Bei diesen „After Sale Service Fees“ (etwa: nach Verkauf bezahlte Servicegebühren) ging es nach Erkenntnissen der Kommission jedoch um Schmiergeld. Die Firma Ruhrpumpen war demnach mit einem Warenwert von 5,3 Millionen Dollar und Gebühren von über 440 000 Dollar dabei. Doch spielen die mutmaßlichen Schmiergeldzahlungen in den deutschen Verfahren meist eine untergeordnete Rolle. Ermittelt wird in allen Fällen wegen Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz, also den Verstoß gegen das Embargo. Betroffen sind auch große Konzerne wie Siemens, Daimler-Chrysler und Linde.

Auch die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern hat ein Ermittlungsverfahren gegen Auflagen eingestellt. Zwei Manager des traditionsreichen KSB-Pumpen- und Armaturenherstellers mit Sitz in Frankenthal mussten wegen illegaler Lieferungen im Wert von rund 140 000 Dollar insgesamt 60 000 Euro zahlen. Allerdings hat sich die Staatsanwaltschaft lediglich mit Lieferungen beschäftigt, die über den Konzernsitz abgewickelt wurden. In dem Kommissionsbericht tauchen jedoch KSB-Töchter mit Sitz in China, Frankreich und Pakistan mit einem Auftragsvolumen von über acht Millionen Dollar auf. „Das war nicht Gegenstand des Verfahrens“, sagt Staatsanwalt Karl-Heinz Frohn. Auch bei anderen Verfahren wurden ausländische Töchter nicht erfasst.

Ein Ermittlungsverfahren gegen einen Manager der Firma Heko Ketten in Wickede wurde ebenfalls gegen Auflagen eingestellt – er musste 30 000 Euro zahlen, dem Unternehmen wurde zusätzlich eine Geldbuße von 20 000 Euro auferlegt. „Das ging sehr kooperativ. Man hatte kein Interesse, weiter in den Schlagzeilen zu sein“, sagt der Bielefelder Oberstaatsanwalt Klaus Pollmann.

In bisher sechs Fällen wurden die Verdachtsmomente nicht erhärtet: bei zwei Unternehmen in Rheinland-Pfalz sowie bei je einem in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen – und auch beim inzwischen von Bayer übernommenen Pharmakonzern Schering: Dieses Verfahren steht laut Berliner Staatsanwaltschaft vor der Einstellung. Im Fall des Berliner Generatorenherstellers Heinkel werde aber noch ermittelt. Etwa 40 Verfahren werden derzeit bundesweit geführt. In dem Kommissionsbericht tauchen rund 60 deutsche Firmen auf.

Zur Startseite