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Zum Meeting nach nebenan. Kurze Wege, etwa in einer "integrierten Wohnsiedlung", können den Alltag erleichtern.

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Work-Life-Balance: Wie wollen wir leben und arbeiten? 

Eine neue Studie geht den Fragen nach. Die Experten schlagen drei Lösungskonzepte vor.

Erneuerung ist das Wort der Stunde. Die Sozialdemokraten versuchen sich schon etwas länger daran als die Unionsparteien. Aber ein Patentrezept haben beide bisher nicht gefunden. Kein Wunder, dass sich auch der deutsche Arbeitsmarkt damit schwer tut – dabei hätte er es dringend nötig. Schließlich arbeiten wir heute ganz anders als vor 15 Jahren.

Das zeigen die Ergebnisse der Studie „Kaleidoscope – Wie wir uns die Zukunft organisieren“. In der Studie wurde der Frage nachgegangen, wie Arbeit und Privates auch in Zukunft miteinander vereinbar bleiben. „Die Studie soll Arbeitgeber inspirieren neu zu denken“, erklärt Frederike Fehsenfeld, Projektmanagerin beim Verein Charta der Vielfalt.

Neue Möglichkeiten gibt es viele: Die Digitalisierung macht Arbeiten zeit- und ortsunabhängig, verlangt aber oft uneingeschränkte Erreichbarkeit. Das grenzenlose Reisen ermöglicht Internationalität und gleichzeitig wird es schnell zur Belastung – insbesondere für Familien. Was also für den einen Segen, kann für den anderen Fluch sein. Grundsätzlich gebe es zwei Arten von Arbeitnehmern: Typ A, der gern Arbeit und Privatleben verbindet. Er wünscht sich Freizeitangebote und Dienstleistungen am Arbeitsplatz. Ganz gegensätzlich ist Typ B, der Geschäftliches und Privates strikt voneinander trennen möchte. Organisationsinterne Angebote empfindet er als Eingriff in seine Privatsphäre und bevorzugt finanzielle Unterstützung für externe Dienstleistungen.

Vereinbarkeit betrifft alle Bereiche des Privatlebens

Der größte Wunsch aller Arbeitnehmer ist deshalb der nach individuellen Lösungen, die praktische Umsetzung schwierig. Was wollen also die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? Die Studie hat 160 Eltern- und Pflegeblogs und die Homepages von 420 Unternehmen und Ministerien aus 30 verschiedenen Ländern ausgewertet. Außerdem wurden mehr als 100 Interviews sowohl online und offline mit Arbeitnehmern und Führungskräften geführt. „Es hat uns überrascht, wie viele spannende und innovative Lösungen es bereits gibt und gleichzeitig wie wenig integrierte Lösungsansätze vorhanden sind“, erzählt Fehsenfeld. Jetzt müsse man das Bewusstsein dafür schaffen, dass vielfältige Angebote einen Mehrwert für die Unternehmen bringen, weil sie eine vielfältige Belegschaft ansprechen und halten können.

Vereinbarkeit betrifft alle Bereiche des Privatlebens. Neben den Themen Kinder, Pflege und der Integration von Menschen mit Behinderung, thematisiert die Studie deshalb das Zusammenwachsen von Lebens- und Arbeitsumfeld. Die örtliche Zusammenführung beider Bereiche könne Wege kürzer machen und mehr Raum für Privates schaffen.

Die Studienmacher schlagen drei Lösungen vor. Hinter dem Stichwort „Organisation innerhalb und um das Unternehmen“ verbirgt sich zunächst der ambitionierte Plan, Privates weitestgehend am Unternehmensstandort zu integrieren. Konkret heißt das: im Unternehmen könne neben Kinderbetreuung und einem Supermarkt auch eine Speed-Dating-Plattform für Mittagspausendates organisiert werden.

Es gibt auch keinen Königsweg, aber diverse Ansätze

Das Konzept „integrierte Wohnsiedlungssysteme“ liefert ein Home-Office-Wohlfühlpaket. Alle anderen privaten Verpflichtungen sollen über angebundene Dienstleister, direkt um die Ecke, erledigt werden. Die Sharing-Kultur wird hier perfektioniert: Räume und Ausstattung – Küche, Spielzimmer, Garten – gemeinsam nutzen und Dienstleistungen, wie Kinderbetreuung, Putzen, Wäsche Einkauf, gemeinsam organisieren.

Als dritte Organisationsform thematisiert die Studie so genannte Hubs, die mehr sein sollen als ein Coworkingspace. Neben dem temporären Büro sollen auch private Dienstleistungen angeboten werden. Die örtliche Bindung wiederum ermögliche schnelles Netzwerken von Menschen mit verschiedenen Kompetenzen.

Die Konzepte haben eines gemeinsam: Sie wollen Arbeits- und Privatleben örtlich zusammenführen und bieten doch keine Lösung für alle. Denn, wenn sich auch jeder achte wünscht, öfter im Homeoffice arbeiten zu können, bedeutet das noch nicht, dass er die räumliche Distanz zum Arbeitgeber abschaffen möchte. Schließlich zeigen die Ergebnisse auch, dass der Wunsch nach mehr Flexibilität nicht unbedingt einhergeht mit dem Wunsch nach mehr Vernetzung mit Kollegen oder der Organisation an sich.

Das weiß auch Frederike Fehsenfeld. Die Studie solle aber Möglichkeiten zeigen und Unternehmen und Institutionen Beispiele und Anregungen zur Weiterentwicklung an die Hand geben. Um Lebens- und Arbeitswelt in Einklang zu bringen, gibt es also auch in Zukunft keinen Königsweg, aber diverse Ansätze. Letztlich sind individuelle Lösungen gefragt, die sich an der Pluralität der Gesellschaft orientieren.

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