
BASF-Vorstand Michael Heinz: „Wir gehen dorthin, wo man uns wertschätzt“
"Wir verkaufen Chemie, nicht mehr nur Chemikalien“. BASF-Vorstand Michael Heinz über Gentechnik, Wachstum und die Euro-Krise.
Herr Heinz,
im ersten Quartal ist BASF schwach in das Jahr gestartet – wegen der kräftig gestiegenen Rohstoffpreise. Wie groß sind Ihre Sorgen?
Analysten hatten mit weniger Gewinn gerechnet, weil das Niveau des Rekordquartals 2011 nicht zu halten war. Aber: Ja, wir kämpfen mit erhöhten Rohstoffpreisen, die wir bislang nicht vollständig an unsere Kunden weitergeben konnten. Wir rechnen damit, dass sich die Lage im zweiten Halbjahr stabilisieren wird.
Was ist Ihre langfristige Strategie, die Sie steigenden Energiepreisen entgegensetzen?
Einerseits haben wir selbst ein Rohstoffgeschäft über unsere Öl- und Gastochter Wintershall. Wenn also die Ölpreise steigen, nehmen auch unsere Gewinne im Öl- und Gasgeschäft zu. Andererseits waren wir bisher immer in der Lage, gestiegene Rohstoffkosten im Chemiegeschäft weiterzugeben. Wir haben aber lieber einen konstant hohen Ölpreis als Schwankungen.
Gerade in Ihrer Sparte „Performance Products“ – Spezial- und Feinchemikalien – sind höhere Preise schwer durchzusetzen. Verbraucher reagieren empfindlich, wenn ihre Creme teurer wird.
In meiner Sparte beziehen wir viele Rohstoffe intern. Wenn also die Marge nicht in meinem Bereich anfällt, dann in den Vorstufen, die uns die Chemikalien zur Verfügung stellen. Wenn einzelne Bestandteile eines Produktes teurer werden, überprüfen wir gemeinsam mit unseren Kunden die Rezepturen, ob wir mit geringeren Rohstoffmengen auskommen können oder Inhaltsstoffe austauschen können.
Was verspricht in Ihrem Bereich, dem größten des Konzerns, der Tenside für Waschmittel, aber auch Schmierstoffe für Autos umfasst, das stärkste Wachstum?
Im Bereich „Care Chemicals“ – also Inhaltsstoffen für Kosmetik, Waschmittel, Reinigungsmittel und Hygiene sowie Ernährung und Gesundheit – versprechen wir uns großes Wachstum. Durch den Kauf von Ciba und Cognis haben wir aber auch eine ganze Reihe von Rohdiamanten erworben, die wir nun veredeln wollen, wie etwa das Wassergeschäft oder Chemikalien für den Bergbau. Mit Lösungen für Wasseraufbereitung wollen wir ab 2020 über 800 Millionen Euro Jahresumsatz erzielen.
In welchen Regionen erwarten Sie das größte Wachstum?
In den Schwellenländern, das gilt für alle Bereiche des Konzerns.
Wie können Sie in Ihrer Sparte von der wachsenden Weltbevölkerung profitieren?
BASF konzentriert sich auf drei große Herausforderungen. Eine davon ist der Bereich Energie und Klima. Hier engagieren wir uns zum Beispiel bei der Elektromobilität, um einer der führenden Hersteller von Batteriebestandteilen zu werden. Die zweite große Herausforderung ist Ernährung und Gesundheit. Wir müssen in der Zukunft ausreichend Nahrungsmittel produzieren können, um die Versorgung der Menschen sicherzustellen. Aber wir müssen das gleichzeitig ressourcenschonend und effizient bewerkstelligen. Hier fällt etwa die Anreicherung von Grundnahrungsmitteln mit lebenswichtigen Vitaminen und Nährstoffen in meinen Bereich. Der dritte wichtige Punkt ist der steigende Lebensstandard auf der Welt, der fast alle Industrien tangiert. In meiner Sparte lässt sich das an Wasch- und Reinigungsmitteln zeigen.
Inwiefern?
Die Erfahrung zeigt: Für die ärmsten Menschen steht zunächst Ernährung an allererster Stelle. Mit steigendem Einkommen möchten die Menschen dann auch Seife benutzen, dann Zahnpasta, dann Shampoo, dann Kosmetik, dann Babywindeln. BASF stellt für all diese Dinge die Inhaltsstoffe her. Somit werden wir profitieren, wenn das Einkommen der Menschen in den Schwellenländern steigt.
Und in Zahlen?
Zahlen für einzelne Geschäfte nennen wir nicht, aber wir werden in den Schwellenländern weiter kräftig investieren. Zwischen 2011 und 2015 plant die BASF weltweit Investitionen von rund 15 Milliarden Euro, um das organische Wachstum weiter voranzutreiben. Davon werden 30 bis 40 Prozent auf Schwellenländer entfallen. Zwischen 2016 und 2020 wollen wir weitere 15 bis 20 Milliarden Euro investieren, 35 bis 45 Prozent davon in den Schwellenländern.
Sie haben lange im Pflanzenschutz gearbeitet. Nun hat BASF die Gentechnologie in die USA verlegt. Wer hat schuld daran?
Wir sind nicht ganz aus Europa weggegangen. In Berlin haben wir das Biotechnologieunternehmen Metanomics, im belgischen Gent halten wir an unserer Forschung fest. Wegen massiver Vorbehalte in der Bevölkerung haben wir aber unsere Zentrale aus Limburgerhof bei Ludwigshafen nach Raleigh in North Carolina verlagert. Betroffen sind davon rund 140 hoch qualifizierte Arbeitsplätze. Es ist uns nicht gelungen, die Menschen in Deutschland davon zu überzeugen, dass Gentechnik eine sinnvolle Methode sein kann, um künftig ausreichende Mengen an Nahrungsmitteln sicherzustellen.
Hätten Sie sich mehr Unterstützung von der Politik gewünscht?
In Europa sind wir nach wie vor mit führend in der Forschung zur Gentechnologie. Doch die Politik muss sich fragen, wie lange das noch so sein wird, wenn man die Früchte der Wissenschaft am Ende nicht kommerziell nutzen kann. Die Regierung sollte sich überlegen, ob sie es in Kauf nehmen will, dass weitere Arbeitsplätze verloren gehen. In Europa selbst brauchen wir die Technologie nicht, um die Bevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen. Aber ein Exportland für landwirtschaftliche Produkte werden wir mit dieser Blockadehaltung nicht sein.
Hoffen Sie auf die EU?
Wir haben mehr als zehn Jahre gebraucht, um in Europa eine Zulassung für die Stärkekartoffel Amflora zu bekommen. Dabei ist sie ausschließlich für die industrielle Nutzung vorgesehen, nicht zum Verzehr! Herkömmliche Kartoffelstärke besteht aus zwei Komponenten. Die Amflora bildet dagegen nur eine aus – die sogenannte Amylopektinstärke, die zur Herstellung von Papier oder Klebstoffen genutzt wird. Dadurch wird die umweltschädliche Trennung des Stärkegemisches überflüssig. Es wurde eine Vielzahl von Studien zur Unbedenklichkeit der Kartoffel erstellt, und dennoch haben wir es nicht geschafft, auf EU-Ebene dafür die notwendige Unterstützung zu bekommen. Daher gehen wir jetzt dorthin, wo man diese Technologie wertschätzt.
Was lernen Sie aus dem Scheitern?
Wir können nur offen kommunizieren und versuchen, dadurch das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. Das geht schon in der Schule los. Es ist wichtig, dass die Menschen sich nicht gegen Innovationen sperren. Risiken gibt es, aber wir müssen erklären, wie man damit umgehen kann. Es gab auch unglaubliche Bedenken, als das Auto eingeführt wurde, selbst der Kaiser war dagegen. Heute möchte darauf niemand mehr verzichten.
BASF hat sich über die Jahre zum weltgrößten Chemiekonzern entwickelt. Was hat sich am Geschäft verändert?
Früher waren wir im Wesentlichen an Wertschöpfungsketten ausgerichtet, heute orientieren wir uns viel stärker an Industrien. Zudem waren wir ein Chemieunternehmen, das hauptsächlich Chemikalien verkauft hat, heute verkaufen wir Chemie. Innovationen kommen in Zukunft weniger aus der Entwicklung neuer Moleküle, sondern aus der Kombination von Materialien und dem Know-how, daraus Systeme mit neuen Eigenschaften zu machen.
Was ist der Vorteil daran?
Das schafft eine ganz andere Kundenbindung. Ein Beispiel ist die Autoindustrie, die zwischen 10 und 15 Prozent unseres gesamten Umsatzes ausmacht. Dabei geht es quer durch alle Sparten der Chemie um Materialsysteme, um spezielle Kunststoffe, um Batterien. Gemeinsam mit Daimler haben wir den Elektro-Smart Forvision entwickelt, ein leichtes und sehr energieeffizientes Auto. Dafür haben wir Experten aus allen Bereichen des Unternehmens zusammengezogen.
Wie groß sind die Sorgen der BASF angesichts der Schuldenkrise und der sich abschwächenden Weltkonjunktur?
Die Unsicherheit durch die Schuldenkrise in Europa führt zu einer Zurückhaltung der Konsumenten, das beeinflusst auch unser Geschäft. Der große Wachstumsmotor ist derzeit aber nicht Europa, die Zuwächse kommen aus Asien und Lateinamerika. Dort haben wir immer noch ziemlich hohe Wachstumsraten. So stehen wir auf mehreren Beinen und sind trotz Schuldenkrise zuversichtlich.