Wirtschaft: „Wir kämpfen um jede Taste“
Der Berliner Klavierbauer Bechstein wird 150 – die Zukunft soll der Zusammenschluss mit dem koreanischen Instrumentenbauer Samick sichern
Berli n. Die exklusivsten Wünsche kommen oft daher, wo das Öl am üppigsten sprudelt. Das ist auch bei Bechstein nicht anders. Aber getreu seinem Motto „des Kunden Wille ist sein Himmelreich“, versucht Vorstandschef Karl Schulze auch den Vorstellungen der Scheichs gerecht zu werden. Als vor kurzem ein vermögender Kunde aus den Emiraten bei dem Berliner Klavierbauer zwei Instrumente mit ausgefallenen Intarsien nach den Entwürfen eines englischen Innenarchitekten bestellte – passend zu Luxusyacht und Palast – da hat er sie selbstverständlich bekommen. „Wir erfüllen jeden Wunsch.“ Bechstein-Chef Schulze weiß, dass er nur so eine Chance hat, mit dem Traditionsunternehmen, auf dessen Flügeln schon berühmte Musiker wie Franz Liszt und Claude Debussy brilliert haben, auf dem hart umkämpften Klaviermarkt zu überleben. Bislang ist das gelungen: Am Freitag feiert die C. Bechstein Pianofortefabrik 150-jährigen Geburtstag.
Das Unternehmen hat schwere Zeiten mitgemacht. Zwei Mal in der 150-Jährigen Geschichte stand der Berliner Klavierbauer vor dem Aus, zwei Mal konnte er sich wieder berappeln. Im Dezember ist zu 60 Prozent an den südkoreanischen Instrumentenhersteller Samick verkauft worden. Die Übernahme hat einige Aufmerksamkeit erregt – ein asiatischer Billigproduzent unter einem Dach mit einem deutschen Qualitätshersteller? So etwas hatte es bis dahin unter den großen, ehrwürdigen Marken der Branche noch nicht gegeben. Aber Schulze ist sicher, das Richtige getan zu haben. „Die Allianz ist ideal“, sagt der 55-Jährige, der mit einer Pianistin verheiratet ist. Bechstein gebe den Koreanern Image, Know-how und Zugang zum europäischen Markt, Samick helfe Bechstein umgekehrt dabei, mehr Klaviere in Asien und den USA zu verkaufen, wo Bechstein bisher keine Rolle spielt. Schulze will außerdem schon bald günstige Klaviere von Samick auf den europäischen Markt anbieten.
Es ist eine schwierige Zeit für die Klavierbauer. In den vergangenen 15 Jahren hat sich der Absatz neuer Flügel und Klaviere weltweit von 1,5 Millionen auf 700 000 halbiert. „Wir kämpfen um jede Taste“, sagt Schulze. Knapp 4000 Klavier und Flügel produziert Bechstein im Jahr, die er zu Preisen zwischen 3000 und 80 000 Euro verkauft. 90 Prozent der Instrumente gehen an Privatleute. Zur Umsatzsteigerung haben in den vergangenen Jahren weniger die exklusiven Aufträge der Scheichs als die preisgünstigeren Marken Zimmermann, W. Hoffmann und Euterpe beigetragen. In Deutschland ist das Berliner Unternehmen bereits Marktführer, in Europa hält es einen Anteil von zehn Prozent, in Amerika gerade mal ein Prozent. Vor allem in den USA und in Asien sieht der Vorstandschef das größte Potential. Aber die Expansion, sagt Schulze, hätte er als kleiner Mittelständler nicht alleine hinbekommen.
Der gelernte Klavierbauer und studierte Wirtschaftswissenschaftler ist bei der Zukunftsplanung vorsichtiger geworden. Schon einmal hätte ihn eine große Entscheidung fast die Existenz gekostet. Das war 1992, als er sich bei der Übernahme des sächsischen Klavierbauers „Sächsische Pianofortefabrik“ von der Treuhand verhob und ein Jahr später den Konkursantrag stellen musste. Doch er hatte Glück: Der Berliner Senat sprang ein und half dem Traditionsunternehmen, die klamme Zeit zu überbrücken.
Wie sinnvoll der Kauf dennoch war, zeigt sich jetzt: Die Bechstein-Klaviere und Flügel werden im sächsischen Seifhennersdorf nahe der tschechischen Grenze wegen der niedrigen Lohnkosten vergleichsweise günstig produziert. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Mitarbeiter auf 240 verdoppelt, 200 davon arbeiten in der Produktionsstätte in Sachsen, die übrigen sitzen in der Zentrale im Berliner Stilwerk, wo Bechstein große Präsentationsräume unterhält. Im vergangenen Jahr setzte das Unternehmen rund 20 Millionen Euro um, in diesem Jahr sollen es 15 bis 20 Prozent mehr werden – dank der Kooperation mit Samick.
Doch die Zusammenarbeit ist nicht einfach. „Es gibt große kulturelle Unterschiede“, sagt Schulze. Die Koreaner hätten sich an der „extremen Direktheit“ der Berliner gestoßen, die Berliner umgekehrt über das „weniger resultatfreudige“ Agieren der Asiaten geärgert. Da spricht ein Perfektionist. Schulze hat den Ruf, seinen Mitarbeiter notfalls den Lohn zu kürzen, wenn ihre Arbeit nicht seinen Vorstellungen von Qualität entspricht. Spätestens bis zum Jahresende, hofft der geborene Oldenburger, soll die Kooperation aber funktionieren.
Trotzdem sollen Bechstein-Klaviere auch künftig in Deutschland produziert werden. „Wir müssen Qualität liefern – davon leben wir.“ Und das, meint Vorstandschef Schulze, könne er nur durch Produktion made in Sachsen garantieren.
Maren Peters