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Wirtschaft: "Wir sind kein Land ohne Zukunft"

Zur Förderung der Dienstleistungsgesellschaft gibt es keine Alternative / Ideale Basis für Selbständigkeit TAGESSPIEGEL: Herr Mangold, ist Deutschland eine Dienstleistungsgesellschaft? MANGOLD: Noch nicht, aber wenn wir unsere Schwächen klar erkennen, können wir uns dazu entwickeln.

Zur Förderung der Dienstleistungsgesellschaft gibt es keine Alternative / Ideale Basis für Selbständigkeit TAGESSPIEGEL: Herr Mangold, ist Deutschland eine Dienstleistungsgesellschaft? MANGOLD: Noch nicht, aber wenn wir unsere Schwächen klar erkennen, können wir uns dazu entwickeln.Ich glaube nicht, daß Deutschland ein Land ohne Zukunft ist.Wir haben die besten Voraussetzungen zu einem hervorragenden Standort für Dienstleistungen werden zu können.Aber: wir müssen weiter die Entwicklung hin zur Dienstleistungsgesellschaft mit allen Mitteln fördern. Die Amerikaner haben das auch geschafft.Warum soll uns das nicht gelingen? TAGESSPIEGEL: An welcher Stelle des Aufstiegs zum Dienstleistungsgipfel befinden wir uns? Ist ein Ende des Marathons in Sicht? MANGOLD: In einer dynamischen Wirtschaft gibt es nie ein voraussehbares Ende.Aber wir dürften etwa die Hälfte unseres Weges zurückgelegt haben.Ein steiniger Weg liegt vor uns.Es gibt keine Alternative. TAGESSPIEGEL: Mit Dienstleistungen allein wird man die Stellung Deutschlands auf den Weltmärkten kaum hinreichend verteidigen können.Ohne Industrie und innovative Produkte ist der Anschluß nicht zu halten.Ist der starke Ausbau der Dienstleistungsschiene vielleicht ein Weg in die falsche Richtung? MANGOLD: Das glaube ich überhaupt nicht.Als industrieorientiertes Land haben wir nur eine Chance, wenn wir sinnvolle und hochwertige Industrieproduktionen mit hochwertigen Dienstleistungen verbinden.Es gibt auch keinen Gegensatz zwischen Industrie -und Dienstleistungsgesellschaft.Beides muß sich im globalen Wettbewerb ergänzen.Im übrigen: Deutschland hat in der Handelsbilanz mit Dienstleistungen einen negativen Saldo.Noch importieren wir mehr Dienstleistungen als wir verkaufen.Das darf kein Dauerzustand werden. TAGESSPIEGEL: Haben Sie einen Tip, wie das gezielt verändert werden kann? MANGOLD: Die Amerikaner, die uns im Dienstleistungsbereich meilenweit voraus sind, haben es frühzeitig verstanden in der gesamten industriellen Kette zwei wichtige Positionen konsequent zu besetzen: die Wirtschaftsprüfung und das internationale Beratergeschäft.Hier ist Amerika sehr stark.Wenn es in Deutschland keinen Roland Berger gäbe, wäre es noch dramatischer.Es gibt ja auch keine große international tätige deutsche Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mehr.Entsprechend gering ist die deutsche Präsenz natürlich auch im Aufbauprozepß in Osteuropa.Hier müssen wir aufholen.Sonst gehen uns wichtige Märkte verloren. TAGESSPIEGEL: Wie kann das funktionieren? MANGOLD: Das Unternehmen debis ist durchaus ein Beispiel dafür, wie dies gelingen kann.Wir internationalisieren unser Geschäft kontinuierlich.Wir erwirtschaften bereits 45 Prozent unseres Umsatzes im Ausland, und bauen dies weiter aus.Das stärkt auch unsere Position in Deutschland. TAGESSPIEGEL: Der Schwerpunkt der Aktivitäten wird also auf Dauer im Ausland liegen? MANGOLD: Bei debis wird der Schwerpunkt immer in Deutschland sein, aber wir müssen trotzdem das Auslandsgeschäft ausbauen - in allen Bereichen. TAGESSPIEGEL: Noch längst nicht jedes Land kann sich heute als erfolgreiche Dienstleistungsnation darstellen.Worin liegen die mentalen Unterschiede? MANGOLD: Es gibt keine geborene Dienstleistungsnation.Die Länder entwickeln sich vielmehr dorthin.Die Amerikaner allerdings haben eine gezielte Förderung betrieben; durch Ausbildung, Flexibilität und durch ein innovatives Umfeld.In Deutschland dagegen müssen wir noch unsere Hausaufgaben machen.Im übrigen: Dienstleistung ist eine ideale Basis zur Selbständigkeit.Wer als Dienstleister heute anfängt, braucht vergleichsweise wenig Eigenkapital. TAGESSPIEGEL: Schon heute wimmelt es von Direktversicherern und Finanzberatern ohne Basisstation vor Ort für teilweise abenteuerliche Konditionen.Sind das bereits die Schattenseiten einer falsch verstandenen Dienstleistungsgesellschaft? MANGOLD: Das hat mit dem Thema Dienstleistung weniger zu tun als mit dem Thema Marktwirtschaft.Jeder kann sich in diesem Land wirtschaftlich betätigen, wie und wo er will.Der Markt wird entscheiden, wer erfolgreich sein wird und wer nicht.Die Zahl der schwarzen Schafe ist wohl in jedem Geschäft proportional gleich; ob in der Industrie oder in der Dienstleistung.Große Unternehmen wie wir freilich stehen für Leistung, Vertrauen, und Sicherheit. TAGESSPIEGEL: Dienstleister sind auf eine florierende Wirtschaft angewiesen.Kann der Dienstleistungssektor hier Motor sein oder ist er eher doch immer mit dem Risiko behaftet, schneller als andere Branchen in die Knie zu gehen? MANGOLD: Es gibt beides.Es gibt Dienstleistungen, die auf das industrielle Wachstum angewiesen sind.Aber durch neue Konzepte wie beispielsweise die innovative Kraftfahrzeugfinanzierung tragen wir mit dazu bei, daß auch mehr Autos verkauft werden. TAGESSPIEGEL: Wie beschäftigungsintensiv ist die Dienstleistungsbranche? Sie entwickelt sich doch schon seit Jahren mit enormen Tempo.Unsere Arbeitsmarktzahlen haben sich im gleichen Zeitraum in umgekehrter Richtung und mit negativem Trend entwickelt.Kann mit Dienstleistungen wirklich eine spürbare Entlastung des Arbeitsmarktes erreicht werden? MANGOLD: Ja, nur mit Dienstleistungen.Denn von 1991 bis 1996 hat Deutschland 2,5 Millionen Arbeitsplätze in der Industrie verloren.Wenn bei den privaten Dienstleistungsunternehmen im gleichen Zeitraum nicht über eine Million neuer Arbeitsplätze entstanden wären, hätten wir die totale Beschäftigungskatastrophe erlebt.Ohne eine gezielte Förderung von Dienstleistungen wird es nicht gelingen, die Probleme auf dem Arbeitsmarkt zu beseitigen.Die Amerikaner leben uns das vor.Monatlich entstehen dort 100 000 neue Jobs im Dienstleistungsbereich.Dabei sind über 60 Prozent aller neuer Jobs in den USA durchaus hochwertige Arbeitsstellen, das heißt bei einem Jahresbezug von über 35 000 Dollar. TAGESSPIEGEL: Der Dienstleistung gehört also die Zukunft.Kann der respektable Erfolg der 100prozentigen Daimler-Tochter debis, die in Milliardensprüngen expandiert und auch kontinuierlich mehr Beschäftigung aufbaut, ein Vorbild für andere Konzerne im Lande sein? MANGOLD: Wir wollen andere durchaus ermutigen.Industrie, Innovationen und Dienstleistungen müssen in einen größeren Gleichklang gebracht werden.Das wollen wir transportieren.Deshalb veranstalten wir auch nächste Woche unseren zweiten Dienstleistungskongreß in Berlin.Wir möchten auch unseren volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verpflichtungen entsprechen.Und nicht zuletzt ist unser Kongreß auch ein Bekenntnis zu Berlin.

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